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Zoepfl, Heinrich
Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte: ein Lehrbuch in zwei Bänden (2,1): Geschichte der deutschen Rechtsquellen: compendiarisch dargest. — Stuttgart: Krabbe, 1846

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https://doi.org/10.11588/diglit.47337#0190
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Dritter Zeitraum. I. Umbildung des Rechts.

konnte, eine fast absolute Straflosigkeit gewährte1). Nebenbei galt aber
die schon im dreizehnten Jahrhunderte aufgekommene Theorie 2), dass
das römische Recht eine kaiserliche und im ganzen Umfange des
römischen Reiches, und zwar besonders in Deutschland, an dessen
Könige das römische Kaisertbum übergegangen, verbindliche Lex sei,
als eine ausgemachte Wahrheit 3), und somit konnte das Drängen der
zur Bewegungsparthei zählenden Doctrinäre nicht einmal von Seite der
Legitimisten einen Widerstand finden, bei denen umgekehrt das römische
Recht seiner absolutistischen Grundsätze wegen in Ansehen stand, und
die darin ein Mittel zu erkennen glaubten, die Bevölkerung in stren-
gerem Gehorsame zu erhalten 4). Entschieden war aber der Sieg des
römischen Rechtes, als Maximilian I. im J. 1495 das neu errich-
tete Reichskammergericht anwies, „nach des Reiches und geschrie-
benen Rechten zu sprechen“ 6), unter welchen letzteren im Gegensätze
der Reichsgesetze damals allgemein nichts mehr als das römische Recht
verstanden wurde. Neben dem römischen Rechte erhielt sich in fort-
währender gleicher Gültigkeit das canonische Recht, woran selbst
durch die Reformation nur insoferne für das protestantische Deutsch-
land etwas verändert wurde, als in diesen Ländern die hierarchischen
und mit kirchlichen Dogmen zusammenhängenden Doctrinen desselben
ihre Anwendbarkeit verloren, und die fernere formelle Gültigkeit
des canonischen Rechtsbuches als päpstliches Gesetz beanstandet wer-
den musste. Nichts destoweniger behauptete aber das canonische Recht
auch selbst bei den Protestanten in allen jenen Rechlslheilen eine mate-
rielle Gültigkeit, welche mit der Hierarchie oder dem Dogma in keiner
1) Einzelne tiefer blickende patriotische Männer gab es allerdings, welche in
die allgemeine Anpreisung des römischen Rechtes nicht einstimmten, z. B. Felix
Hemmerlein, Conrad Celtes, Johann von Wim p fei in g, Erasmus von
Rotterdam, Heinrich Bebel u. A. Vor allen aber ging Ulrich von Hutten
in seinem satyrischen Gedichte „Nemo“ (zuerst 1513, umgearbeitet 151G) dem
römischen Juristenwesen stark zu Leibe. Aber diese vereinzelten Stimmen ver-
mochten nicht gegen die Richtung der ganzen Zeit durchzudringen. — Vergl. die
treffliche Abhandlung von K. Hagen über Ulrich v. Hutten, in s. histor. Abhandl.
z. deut. Gesell., Stuttgart, 1842, S. 183, 193 flg. —
2) Vergl. §. 27. -
3) Am bestimmtesten spricht sich darüber aus Petrus ab Andlo (aus der
Mitte des XV. Jahrh.). (Vergl. §. 54 Note 4.)
4) Vergl. die Aeusserungen von Ulrich v. Hutten und seine klagen über den
Einfluss der Bartolisten an den Höfen, bei K. Hagen, 1. c. p. 194. —
5) Die gewöhnliche Lesart: „nach des Reichs gemeinen Rechten“ (Samml. d.
R.-A. II. p. 7 ist unrichtig). — Vergl. Eichhorn, R.-G. III. §.442. —
 
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