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Heidelberger Adreß-Kalender für das Jahr 1868 — Heidelberg, 1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.2460#0011

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VI

der Prmcessin aber, geblendet durch die Ehre, mit dem mäch-
tigsten und gepriesensten Monarchen Europas in so
nahe Derwandschaft zu treten, und vertockt durch die Berech-
nung der Vortheile davon, rücksichtslos auf der Zusage bestund,
so fügte sie sich in kindlichem Gehorsame der schweren Prüsung,
ein Opfer der Politik zrl werden.

Hätte der grrte Krlrsürst ahnen können, wie viel Kummer
und Kränkung diefes Ehebündniü seiner Tochter bereiten, wie
viel Verderben und Elend es über die schöne Psalz herbeifüh-
ren werde' Elisabethe Ebarlotte, eine der edelsten, lau-
tersten und starkmüthtigsten Fraueu, eiue ächt deutsche Fürsten-
tochter, wurde dadurch zur Märtyrin ihrer Verbältnisse, uud
ihre geliebte Heimat, der herrliche Garten der Rheinpsalz,
ein Schauplatz der unmenschlichsten Verherung.

Denn es trat leider eiu, wns der Pariser Hof erwartet
hatte, Kurfürst Karl, welcher nach dem Tode seines Vaters
nur kurze Zeit regierte, verstarb obne Kinder, 14 Jahre
nach der Verheiratuug seiner Schwester mit dem Herzoge voil
Orleans, am 16ten Mai 1686, in Folge seiues Siechtums,
nachdem er in den lezten Tagen so elend geworden, daß man
den Verdacht schöpfte, es möchte srauzösisches Gist mitgewirkl
haben. Wie dem sein mochte — nicbt lauge nachdem der
rechtmäßige Erbe, Pfalzgraf Phi lipp Wilhelm zu NeuburgP),
das Fürstentum seiues verstorbeuen Vetters iu Besitz genommen,
ließ der König, im Nmneu vou Bruder ilnd Schwagerin, gauz
ernstliche Ansprüche airf eiuen Theil desselben erheben.

Sezte Ludwig sie durch, so mußten ihm Sitz und Stimme
am deutschen Reichstage eingeräumt werden, was er hauptsäch-
lich bezweckte, um seiue Haud in alle Neichsaugelegenheiteu
mischen zu könneu. Machte man ibm dagegen Schwierigkeiteu,
so both ihm dieses eine erwünschte Gelegenheit, mit Kaiser
und Reich aufs Neue anzrrbinden, während sich die gesammte
kaiserliche Kriegsmacht im^Kampfe gegen die Türken an der
untern Donau befand.

Es eutspann sich sosort über die psälzische Erbschasl ein
lebhafter, gereizter Federnkrieg, wobei das Recht der Nen-
burger sonnenklar dargethan wurde, der aber gleichwohl ganz

-) Der Sohn des Pscrlzgrasen Wolfgang Wilheli» zn alenbnrg.
Derselbe war 16tö geboren, alfo beim Antritte der kurpfälzischen Lande
bereits 70 Iahre alt.
 
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