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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 3.1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.1196#0017
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thumcs angedeutet! Nun denn, diesen Vortheil hat Menzel
auch für sich. Im Uebrigen sei man gerecht gegen eine Auf-
fassungsweise , die in der heutigen Zeit wurzelt; etwas be-
wusste oder unbewusste Opposition gegen den Nazarenismus
ist darin, aber er ist himmelweit von dem Grade entfernt, der
uns auch nur von weitem erlauben dürfte, das Bild von diesem
Standpunkt aus zu befrachten. Menzeln ist die Kunst eine zu
heilige Sache, als sich bei seinen Schöpfungen nicht innerhalb
ihres Wesens und ihrer Gesetze wissen zu wollen. Wie schön
sticht gegen eine vorschnelle Be- und Verurtheilung das Wort
eines hiesigen grossen Meisters der Kunst ab, der, als er das
Bild sähe, sich frei und unbefangen auf den von dem seinigen
so ganz verschiedenen Standpunkt zu stellen wusste, die Mei-
sterschaft der Schöpfung anerkannte und es durch den Stich
vervielfältigt und erhalten zu sehen wünschte. Wir schliessen
uns diesem Wunsche durchaus an, dürfen aber unseren Be-
richt über das Bild nicht schliessen, ohne die bewunderungs-
würdige Technik in demselben, die Harmonie der Farben, die
vortreil liehe Gruppirung, die meisterhafte Perspective und Dis-
position der Lokalität gebührend hervorgehoben zu haben.

Nach diesem die Gemüther stets in eine gewisse Aufregung
versetzenden Bilde folgt die Taufe Christi von Cretius, wie
ein sanftes, beruhigendes Adagio nach einem vollen, kräftigen
Allegrosatz. Die Scene ist draussen in den Büschen und unter
den Palmen des stillrinnenden Jordan. Wir kennen Cretius als
den geschickten Darsteller Iremdzoniger Genrebilder, denen er
in Landschaft und Figuren einen eignen träumerischen, wir
möchten sagen — indischen Reiz zu verleihen weiss. So ist
auch über dieses Bild ein milder harmonischer Ton ausgehaucht,
und gern sähen wir in dieser paradisischen duftigwarmen Land-
schaft, soll sie bevölkert sein, einen Vorgang, in welchem glück-
liches Sein die Hauptrolle spielt. Die Taufe Christi aber voll-
zog ein Mann, der Heuschrecken und wilden Honig ass und
dem Otterngezüchte Busse predigte; es trug die Zeit den un-
ruhigen Charakter eines Vorabends grosser Ereignisse. Wir
sind fern davon, dem Künstler eine solche Anschauungsweise
als nothwendig aufzudringen; wir können ihn sehr wohl in die
seinige hinein folgen, welche die Taufe als einen heiligen Akt
vor theilnehmenden und einverstandenen Zeugen auffasst, wie
wir ihn auch heule zu begehen pflegen. Damit harmonirt denn
die Stimmung der Landschaft vortrefflich. Es ist etwas heilig-
Stilles darin. Aber wovon der Künstler nimmer dispensirt wer-
den kann, das ist der geistige Gehalt seiner Figuren in Haltung
und in dem Ausdruck der Köpfe. Sein Christus hält nicht, was
der MenzeFsche versprochen hat. Es ist ein Magdalenus, so-
wohl an Weichheit der Formen und des Fleisches, als auch an
Ausdruck, der uns krankhaft und fanatisch erscheint. Auch
Johannes ist trotz seines derben Kopfes zu weich im Ausdruck
und von etwas steifer, conventioneller Haltung. Die in den
Büschen umher ruhenden träumerischen Gestalten gehören mehr
zur Landschaft als zur Handlung.

Becker's Bild ist voll glücklicher Würfe in's Grossartige
und Schöne und von guter Gesammtwirkung. Es offenbart sich
dsrin eine edle, schöne Potenz, die ihren Gegenstand beim
rechten Fleck anzugreifen und seinen Inhalt zur Sprache zu
bringen weiss. Der Himmel ist schwarz umzogen und die em-
pörten Wellen werfen sich gegen das schwankende Boot, worin
Christus mit seiner Schaar über den See fährt. Er selber steht
auf der Bank und streckt mit zum Himmel gewandten Blick die
Arme beschwichtigend aus. In verschiedenen Abstufungen malt
sich die Furcht, der Angstruf, das inbrünstige Flehen um Er-
rettung aus der Gefahr in den umgebenden Jüngern. Zwei
sind in Begriff, das Segel einzureffen. Die Figur Christi, leider
ein wenig zu voll und dick von dem weissen Mantel umhüllt,

ist durchaus edel in Haltung und Geberde und als der geistig
Bedeutendste unter einer Schaar, als deren verantwortlicher
Führer er handelt, charakterisirt; an seine Knie flüchtet sich
der Lieblingsjünger, ein Jüngling von grosser Schönheit. Höchst
bedeutend im Ausdruck ist ferner ein ihm gegenübersitzender,
in einen grauen Mantel gehüllter Kopf, der das Auge fest auf
ihn gerichtet hat. Nicht besser konnte das Wort: „Wer ist
dieser! denn er gebeut dem Wind und dem Wasser" veran-
schaulicht werden. Auch andere Jünger sind mit lebendigem
Antheil zum Ausdruck gekommen, andere minder. So ist in
dem Bilde ein gut Stück innerer Realität. In der äussern ist
der Maler nicht peinlich gewesen. Er hat sich das Wunder
zu Gute kommen lassen. Menzel freilich würde den Christus
etwa gemalt haben, wie er sich mit dem einen Arm an dem
Mastbaum hält, während er den andern beschwörend erhebt,
denn der Becker'sche kann ohne ein Wunder nicht so frei und
so hoch dastehen, er müsste von der nächsten Bewegung des
Bootes heruntergeworfen werden. Auch kann Niemand, ohne
sich festzuhalten, so wie Einer der Jünger am Rande des Fahr-
zeugs knieen und beide Hände zur betenden Geste zusammen-
schmiegen. Doch wir erwähnen das nur, weil die interessante
Aufstellung verschiedenartiger Auffassungsweisen zu solchen
Vergleichen auffordert.

Das letzte Bild, von Eybel, den Einzug Christi in Jeru-
salem, befriedigt am wenigsten in der Durchbildung. . Was die
Composition betrifft, so ist der erste Anlauf dazu ganz vortreff-
lich, ja wahrhaft bestechend. Es ist ein Thorbogen ausgespannt,
durch welchen man in die weite Ferne sieht und durch ihn,
gerade dem Beschauer entgegen, mit ausgebreiteten Armen,
mit denen er die Welt umspannte, zieht der Erlöser. Zu bei-
den Seiten aber ruft das Volk, mit Palmenzweigen in Händen,
sein Hosiannah und breitet im Vordergrunde seine Kleider aus.
Das ist eine sehr glückliche Intention, aber: sei es, dass dem
Künstler die Kraft der Ausführung versagt ist, sei es — was
wahrscheinlicher ist — dass die Eile, mit der gewöhnlich also
vorbereitete Dinge zuletzt gemacht zu werden pflegen, ihn zur
Flüchtigkeit verleitet hat — kurz, die Intention ist nicht mit
der Vollendung zur Erscheinung gekommen, die sie verdiente.
Christus mit einem runden, braunen und — man verzeihe —
etwas ordinärem Gesicht hat dazu eine unglückliche, balanci-
rende Haltung, das Volk umher ist ohne irgend einen charak-
teristischen Kopf. Rasch vorübergehend ist das Bild nicht ohne
Wirkung; ein näheres Eingehen hält die Durchführung nicht aus.
Wir können diese Betrachtungen nicht schliessen, ohne
nochmal ausdrücklich das ganze Unternehmen anzuerkennen und
es im Ganzen als höchst gelungen und den wärmsten Dank ver-
dienend zu bezeichnen. Wir fügen den Wunsch hinzu, wie
diese Weihnachtsbilder überhaupt, so die eigne Composition der-
selben eine schöne Sitte werden zu sehen, eine Sitte, die das
grössere Publikum noch enger und inniger als die grossen
zweijährigen Ausstellungen es vermögen, mit seinen Talenten
vereinigt und im geistigen Verkehr erhält. F. Eggers.

Bild von Lucas Kranach im Dome zn Glogan.

Im Dome zu Glogau befindet sich ein Bild von Kranach,
dessen, so viel ich weiss, von Provinzial-Kunstscliriftstellern,
namentlich von Büsching, zwar Erwähnung geschehen ist, das
aber dennoch bisher der Ehre entbehrt, von denjenigen Schrift-
stellern, die die Werke Kranachs zum Gegenstande ihrer Unter-
suchungen gemacht haben, auch nur erwähnt zu werden; S.chu-
chardt, der so eben über das Leben und die Werke Lucas
 
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