Fliegende Blätter (119.1903 (Nr. 3023-3048))

220 Die Papiere des
und Dein Herr kann sich, wenn er heimkommt, nicht aufhalten
vor Rauch I So was verbrennt man nicht im Zimmer . . man
verbrennt's überhaupt ohne mich nicht!" fügte sie in Gedanken
hinzu. „So was verbrennt inan in der Küch e! Lin Jung
geselle hat aber keine Küche — darum werde Ich das
alte Papier verbrennen!" setzte sie rasch hinzu und ergriff
das Päckchen.
Sie drückte ihm einen Thaler in die Hand — und weg war sie.
Sehr bald darauf kam Günther nach Hause. „Aha!" sagte
er zu sich, als er den Lehnstuhl an den Gfen gerückt sah. „Noch
die Zurüstungen zur Feuerbestattung erkenntlich!" — Lr öffnete die
Klappe und sah hinein. — „Nicht inehr eine Spur!" schmunzelte
er befriedigt. „Verlässiger treuer Kerl der Hans!"
Dann rieb er sich vergnügt die Hände.
„Nun triumphire Ich, Schätzchen!" sagte er, während er
Besuchstoilette machte. „Neugierde radikal umsonst! Leer-
gebrannt ist die Stätte! Asche längst in tausend Windrichtungen
verflogen! wo Stäubchen davon niederfällt, blüh'n Rosen auf!
Plaudern aber nicht! — Kolossal poetisch angehaucht heute!"
Da trat der Bursche ein, um nach etwaigen Befehlen seines
Herrn zu fragen.
„Hans", sagte dieser, „Auftrag schneidig, wie echter Reiter
ausgeführt — fabelhaft zufrieden — hier ausnahmsweise Thaler
Lxtra-Honorar!"
„Ja", lachte Hans und nickte mit dem Kopfe, „das Hab' ich
fein gemacht: Ich Hab' das alte Papier dem gnädigen
Fräulein Braut, das zu Besuch kam, zu in Verbrennen
in ihrer Küche mitgegeben!"
Günther prallte, wie vom Blitze gerührt, zurück. Dann
schien er sich in wahnsinniger wuth auf den Burschen werfen
zu wollen, der darob entsetzt aus dein Zimmer floh. . . „Lr ist zu
dumm!" stöhnte der Leutnant. „Lr begreift's nicht einmal!"

Herrn Leutnant.
plötzlich leuchtete es in seinen Augen aus. Lr blieb stehe:
den Blick auf den Schreibtisch geheftet.
„Frisch d'rauf!" rief er dann. „Schneidiger Reitergedankl
Alles verloren oder gewonnen!"
Lr raffte hastig eine Menge von Papieren aus dem Schrei
tisch zusammen, stürzte in den Blumenladen nebenan, ergriff ei
Veilchenbouquet, rief „Zahle morgen I", warf sich in eine Drosch
und fuhr zum Hause des Lommereienraths.
Als er in Lrna's Zimmer trat, war sie, von einem Familie:
besuch in Anspruch genommen, abwesend.
Günther's Blicke schweiften rasch in dem bekannten Rau:
umher. „Ah!" murmelte er erleichtert. „Da sind sie noch!"
Mit einem Griff hatte er sich das Päckchen auf dem Spiege
tisch angeeignet und vertauschte dessen Inhalt im Nu mit der
was er mitgebracht hatte.
Als seine Braut gleich darauf in's Zimmer trat, lag dc
Päckchen, auf das sie sofort ihr Auge richtete, bereits wieder -
scheinbar unberührt — an alter Stelle.
„Der Schwester die Schwestern!" sagte Günther mit ein:
galanten Verbeugung und überreichte ihr das Vcilchenbouquet.
Sie lächelte spöttisch.
„Ich habe da auch eine kleine Ueberraschung", fügte sie be
„die wir jetzt zusammen behaglich genießen wollen!"
Sie nahm mit blitzenden Augen das Päckchen, öffnete c

In Todesangst, wie er sie noch nie empfunden, rannte er
hin und her. „Alles verloren!" murmelte er. „wenn Lrna die
Dingerchen sieht — kenne ihren eifersüchtigen Stolz — reißt sie
ihr Herz von mir los — blutend selbstverständlich — aber los
reißt sie es!" — Rathlos rang er die Hände.

las — stieß einen halblauten Schrei aus und sank in ei>
Fauteuil. . . „Ah", flüsterte sie mit eine:» langen Blick in Günthc
Augen, „ich gebe zu — ich — ich bin besiegt!"
„Na!" lächelte er triumphirend. „M ehrere Dutzend v
einem Leutnant auf einmal selbstbezahltc Re
nungenI . . Nie dagewesen — was?!" w. tzcrl-ort.