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Moderner Briefsteller.

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3. Muster.

Beglückwünschungsschreiben bei Niederkunft einer Freundin!

Bocksfelderi, den 23. Nov. d. I.

Meine liebe Cousine!

Unentlich hat es Uns gefreut, als wir die brifliche Bod-
schaft von deiner glücklich bestandtnen Entbindung erhielten.
Tres bien ma obere cousine! aber ich vergehe, das du zu
kurz verheirathet bist, um von deinem Mann schon französisch
lernen zu kennen, denn nne foits pour toutes, das gehört
jetzt zum Thon! Wenn sich der noblere Bürger etwas
über die Race emporheben will, muß er französisch
sprechen. Und ihr seid euch als »ermögliche Fabrikandcn diese
Selbststachtung schuldig! Doch, ich komme ganz von eurem
kleinen Adolph ab, um dessendwillen ich ja eigentlich schrieb,
denn ich will euch über dessen erste Erziehung einige woll-
meinende Radschläge geben, die ich euch tringend anempfehle.

Tn ris, ma belle? Nur Geduld, und du wirst mir Recht
lassen. Bor allem muß eur Kind französisch lehren, denn
das ist für einen Deutschen das wichdigste, und bildet erst.
Dein Mann spricht es ja ganz gut, und so ist das Ding leicht,
denn während du mit dem Kind Deutsch redest, muß es
Robert französisch thun. Du sagst zum exemple: sei still,
kleiner Balk, nettes Herzchen! oder: mein süßer Schatz! und
dein Mann muß dann anfangen: tu e8 ma telicite! petit,
sois tranguille! oder: ne crie pas tank, mon seul plaisir!

Auf diese Weise lernt Adolphchcn schon in der Wiege
prächdig Französisch, und wenn ihr eine etwas gebildete Köchin
habt, kennt ihr dem Jungen auf ehnliche Art auch das Ita-
lienische und Englische leucht beibringen. Ein weiterer
Rad ist der, ja ums Himmels willen mit der jetzt grassirenden
Hidropatie nichts anzufangen! die Alles mit Wasser curiren
will. Fi donc! Haltet den Buben nur hübsch warm, daß ihm
weder Luft noch Wasser schade. Wenn diese Hidropatie gegen
Alles hülfe, warum ertrinken dann Leute, die in's kalte
Wasser, zum exemple in die Isar fallen? Lion dien! Ta
habt ihr den Widerspruch von dieser reviluzionären Kurart.

Roch mus ich euch raden, demAdolphchen Brivatlehrer
oder wo möglich einen geistlichen Hofmeister zu halten,
den in den Schulen lehren die Kinder nichts mehr, und
dann ist man für einen noblen Bürger zu sehr mit den nie-
deren Schichten vermengt. Dafür sind ein paar adelige
Kameraten schon beßer, wenn sie uns gleich brav schuldig bleiben,
aber man lernt doch Thon von ihnen. Du wirst doch das
Kind nicht selbst stillen, liebste Cousine? Es schadet dieß der
ganzen tonrnure und ist nicht nobel. Also sieh dich nach einer
nonrrice um! beherziget ja alle meine wollmeinenden Radschläge
certainement, damit, wenn ich bald zu euch komme, der kleine
Adolph als tichtiger Junge mir entgegenleift. Kisse ihn ftir
mich. Grüße an deinen lieben Mann und dich von Uns allen.
Bergeß die französische Medode nicht. Ich bin

Deine aufrichtige Cousine

Lnlalia Nadrlbiichsl,

rmlleuis Wittwe et rentiere.


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4. Muster.

Empfehlungsbrief an einen hohen Herrn!

Lchürzendorf am 8. Juni, Abends 8 Uhr.

Excellenz!

In welch' andrer Weise als früher muß ich heute einem
Manne nahen, der mir vor kurzem so theuer gewesen, und
den auch ich, selbst im jetzigen Augenblicke noch nicht gleich-
gültig zu sein glauben darf. Tie Feder zittert in meiner
Hand, doch zur Sache.

Wie Excellenz bekannt, haben schon früher mancherlei Um-
stände mich genöthigt Jeanette, meine Kammerzofe in
alle meine Geheimnisse einzuweihen. Bor kurzem
nun drohte mir selbe in Folge einen Vorwurfs, Alles, was
sie Ivisse, meinem Manne zu verrathen, und stellte mir vor
einer Stunde, meines Dienstes plötzlich überdrüßig, die uner-
hörte Bedingung, mit meinem ihr wohlbekannten Einfluß
auf Ew. Excellenz ihrem Liebhaber, einem rohen, un-
geschliffenen, unwissenden Schreiber, die in Ihrem
Bureaux erledigte Sekretärsstelle zu verschaffen.

Dies, und nichts anderes, sollte der Lohn ihres ewi-
gen Stilschweigens werden! Denken sich Excellenz das
Schreckliche meiner Lage einem solchem Individuum gegenüber.
Kaum wagte ich daran zu denken, daß Excellenz hierauf ein-
gehen würden ; wenn ich aber die Sache näher in's Auge faffe,
und den benannten Burschen mit so manchem Ihrer Kan-
didaten vergleiche, so wächst mein Vertrauen wieder. Ihre
Energie wird den Tölpel zuletzt schon noch der Stelle anzu-
passen wissen. Retten Sie mich, Excellenz! um meinet-, um
Jhret- und meines Mannes willen! Sie kennen das Unge-
thüm. Antworten Sie umgehend. Ich warte voll Angst,
denn Jeanettens Drohungen werden immer heftiger.

Vernichten Sie diese Zeilen von
praes. 8/e 1850 genehmigt. Zda Gräti« 00N IlnttkU.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Moderner Briefsteller. Eine Mustersammlung der wichtigsten Aufsätze für Jung und Alt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Brief <Motiv>
Gräfin
Karikatur
Schreiben <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Zofe <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 12.1850, Nr. 270, S. 43

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