78 Moderner Briefsteller.
(Fortsetzung.)
H. Muster.
Beileidsbezeigung bei dem Tode eines Gönners.
Schwarzundankcn, den 30. Sept. 1850.
Ho chw ohlgeborne, gnädige Frau!
Ter so unerwartete Tod Ihres seligen Gatten, des Regie-
rungsdirektors von Streusand, den Sie mir in einem Schreiben
vom 18. d. M. mitzutheilen die Güte hatten, bethätigte auf
mich den empfindlichsten Eindruck, und ich finde inmitten
meines Schmerzes kaum Worte des Trostes, um den Ihri-
gen lindern zu helfen. In der That, meine Gnädigste! lassen
Sie Ihren Thränen immerhin freien Lauf, denn die Ernährung
und Heranbildung von acht unversorgten Waisen ist
keine geringe Aufgabe! Aber auch meine Lage, o beklagens-
w erthe W ittwe mein es nun leider u n b r a n ch b a r g e wordenen
Gönners! ist durch diesen Todfall eine peinliche geworden,
denn der mächtige Einfluß unseres thenren Verstorbenen, der
so viel Güte auf mich gehäuft, und mir zu meiner
Stellung, sowie zur Gunst meines Büreauchefs
verholfen, hätte mich bei längerer Fortdauer leicht noch
zum Rathe gebracht, hätte mir irgend ein Ordensband
oder gar noch den Kammerherrnschlüssel verschafft!
All' diese schönen Hoffnungen sind jetzt mit zu Grabe gegangen,
und ich bin untröstlich Madame, da Männer wie von Streu-
sand nicht alle Tage geboren werden.
Ich erinnere mich hiebei dunkel, daß der Brief Ihres Sohnes
meinen Einfluß für Ihre Familie bezüglich einer heson-
dern Unterstützung seitens des Staates in Anspruch zu nehmen
wagte. —Madame! ich bedaure, hierin für Sie nichts
thun zu können, da ich, wie Sie wohl einsehen werden,
die Gunst meines Chefs für mich flüssig erhalten muß, zu-
mal ich mich ehestens zu vermählen gedenke. Es hat mich
außerdem sehr befremdet, bei Ihnen von „zerrütteten Ver-
hältnissen" zu hören! Da hätten Sie oder Ihr Gemahl
selig, bessere Fürsorge treffen sollen, denn ewig kann man
ja doch nicht leben. Meine Stellung gestattet es durchaus
nicht, gegen Jemanden dienstgefällig zu sein, was ich übrigens
Jhnengegennüber sehr bedaure, und nur die weitere Bitte !
anfüge, mich deßhalb fürderhin mit allen Bitten verschonen
zu wollen. Hat mich dieser Todfall doch selbst so unange-
nehm aus meinen Träumen aufgerüttelt! Unter nochmaligen
Beileidsbezeigungen empfiehlt sich mit der Versicherung fort-
dauernder Hochachtung dero ergebenster
Hugo von Lahrnbuckel,
Regierungssecretär.
8. Muster.
Einladung zu einem Familien-Feste.
Nothnagel», am 2. März.
Liebste Eleonore!
Im Aufträge meiner Eltern lade ich Dich sammt Deiner
lieben Familie zu der heute Abends bei uns stattfindenden
Soiröe ein, und rechne sicher darauf, daß ihr kommt, zumal
Mama, die unser Silberzeug in's Leihhaus geschickt hat,
sonst nicht genug Löffel hat. Wir bitten euch, die eurigen mit-
zubringen. Es kostet uns dieser Abend freilich viel Geld, aber
Mama will uns Mädchen auf solche Art, wie sie sagt, an
den Mann bringen, und Papa hat nichts dagegen, weil
er erst heute seinen Gehalt bekam, der trotz des Ab-
zugs doch 50 fl. beträgt. Freilich wird der Rest davon nicht
die Hälfte März ausreichen, aber darum scheert sich, wie Du
weißt, Mama nicht viel, wenn ihr gleich heute unser Metzger,
dem wir 19 fl. schulden, nicht auf's artigste aufgekündet hat.
Also vergeht eure Löffel nicht! Auch Servietten sind Mama will-
kommen, dennnnser gesammtes Weißzeug ruhtgleich-
falls beim Vetter aus. Hast'Du Deine blauen Ohrringe
(Fortsetzung.)
H. Muster.
Beileidsbezeigung bei dem Tode eines Gönners.
Schwarzundankcn, den 30. Sept. 1850.
Ho chw ohlgeborne, gnädige Frau!
Ter so unerwartete Tod Ihres seligen Gatten, des Regie-
rungsdirektors von Streusand, den Sie mir in einem Schreiben
vom 18. d. M. mitzutheilen die Güte hatten, bethätigte auf
mich den empfindlichsten Eindruck, und ich finde inmitten
meines Schmerzes kaum Worte des Trostes, um den Ihri-
gen lindern zu helfen. In der That, meine Gnädigste! lassen
Sie Ihren Thränen immerhin freien Lauf, denn die Ernährung
und Heranbildung von acht unversorgten Waisen ist
keine geringe Aufgabe! Aber auch meine Lage, o beklagens-
w erthe W ittwe mein es nun leider u n b r a n ch b a r g e wordenen
Gönners! ist durch diesen Todfall eine peinliche geworden,
denn der mächtige Einfluß unseres thenren Verstorbenen, der
so viel Güte auf mich gehäuft, und mir zu meiner
Stellung, sowie zur Gunst meines Büreauchefs
verholfen, hätte mich bei längerer Fortdauer leicht noch
zum Rathe gebracht, hätte mir irgend ein Ordensband
oder gar noch den Kammerherrnschlüssel verschafft!
All' diese schönen Hoffnungen sind jetzt mit zu Grabe gegangen,
und ich bin untröstlich Madame, da Männer wie von Streu-
sand nicht alle Tage geboren werden.
Ich erinnere mich hiebei dunkel, daß der Brief Ihres Sohnes
meinen Einfluß für Ihre Familie bezüglich einer heson-
dern Unterstützung seitens des Staates in Anspruch zu nehmen
wagte. —Madame! ich bedaure, hierin für Sie nichts
thun zu können, da ich, wie Sie wohl einsehen werden,
die Gunst meines Chefs für mich flüssig erhalten muß, zu-
mal ich mich ehestens zu vermählen gedenke. Es hat mich
außerdem sehr befremdet, bei Ihnen von „zerrütteten Ver-
hältnissen" zu hören! Da hätten Sie oder Ihr Gemahl
selig, bessere Fürsorge treffen sollen, denn ewig kann man
ja doch nicht leben. Meine Stellung gestattet es durchaus
nicht, gegen Jemanden dienstgefällig zu sein, was ich übrigens
Jhnengegennüber sehr bedaure, und nur die weitere Bitte !
anfüge, mich deßhalb fürderhin mit allen Bitten verschonen
zu wollen. Hat mich dieser Todfall doch selbst so unange-
nehm aus meinen Träumen aufgerüttelt! Unter nochmaligen
Beileidsbezeigungen empfiehlt sich mit der Versicherung fort-
dauernder Hochachtung dero ergebenster
Hugo von Lahrnbuckel,
Regierungssecretär.
8. Muster.
Einladung zu einem Familien-Feste.
Nothnagel», am 2. März.
Liebste Eleonore!
Im Aufträge meiner Eltern lade ich Dich sammt Deiner
lieben Familie zu der heute Abends bei uns stattfindenden
Soiröe ein, und rechne sicher darauf, daß ihr kommt, zumal
Mama, die unser Silberzeug in's Leihhaus geschickt hat,
sonst nicht genug Löffel hat. Wir bitten euch, die eurigen mit-
zubringen. Es kostet uns dieser Abend freilich viel Geld, aber
Mama will uns Mädchen auf solche Art, wie sie sagt, an
den Mann bringen, und Papa hat nichts dagegen, weil
er erst heute seinen Gehalt bekam, der trotz des Ab-
zugs doch 50 fl. beträgt. Freilich wird der Rest davon nicht
die Hälfte März ausreichen, aber darum scheert sich, wie Du
weißt, Mama nicht viel, wenn ihr gleich heute unser Metzger,
dem wir 19 fl. schulden, nicht auf's artigste aufgekündet hat.
Also vergeht eure Löffel nicht! Auch Servietten sind Mama will-
kommen, dennnnser gesammtes Weißzeug ruhtgleich-
falls beim Vetter aus. Hast'Du Deine blauen Ohrringe
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Moderner Briefsteller. Eine Mustersammlung der wichtigsten Aufsätze für Jung und Alt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 12.1850, Nr. 274, S. 78
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg