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Palme verborgen, lauschte er dem wunderbaren Gesänge. Als
dieser verstummte und auch der Lichtschein hinter den zarten
rosenfarbigcn Seidengeweben der Fenster verschwand, begab er
sich seufzend in sein Schlafgemach. Seine Augen aber schlossen
sich in jener Nacht zu keinem Schlummer. Die wundersame
Melodie tönte in seinem verzen noch fort, als bereits der
Morgentau auf die Blumenhaine des fürstlichen Gartens siel,
wie daher die Sklaven Rajaina anzukleidcn kamen, hätte er
gewünscht, der Fürst möchte die Probe für eine spätere Zeit
verschieben; denn er wußte, daß, wenn er nicht bestehen würde,
hier seines Bleibens nicht länger sein könnte, und er hätte gar
zu gern nur noch einmal dem süßen Gesänge gelauscht — —
doch da kam bereits der Bote des Fürsten, der ihn zur Eile
antrieb.

Wohlwollend empfing ihn der Herrscher und bedeutete ihm,
daß er heute vorerst seinen Mut, ain nächstfolgenden Tage seine
Klugheit erproben wolle. Sodann geleitete er seinen Gast in
den Garten. Wie erstaunt war aber Rajaina, als ihn der Fürst
in den kleinen Wunderpalast führte, vor dem er am Abend, dem
Gesänge lauschend, gestanden. Noch erstaunter indessen mar
er, als der Fürst mit ihm ein prächtiges Gemach betrat,
aus dessen Ecke sich beim Eintreten der beiden eine junge,
schöne Mädchengestalt von einem Ruhebette erhob, erfreut dem
Fürsten entgegenging und ihn mit einem Russe umarmte.

„Dies ist Liana, die liebste meiner Töchter", sprach der
Fürst bedeutungsvoll; „sie ist mir so teuer, daß ich sie keinem
Manne, und besäße er zwölf Königreiche, zum Weibe geben
möchte; sie ist mir so heilig, daß ich keinem Manne die Gunst
gönne, jemals Lianas Lippen zu berühren, und furchtbar würde
mein Zorn den verwegenen treffen, der es wagen sollte, meinen

wundersüße, von Saitcnspiel begleitete Frauenstimme hörte, deren
melodischer Klang ihn förmlich bezauberte. Im Schatten einer

Wünschen zuwider zu handeln I . . . Harre meiner weiteren Be-
fehle!", sprach der Fürst und verließ dann das Gemach.

Rajama und Liana waren allein. Ehrfurchtsvoll blieb der
Jüngling bei der Türe stehen und wagte kaum, den Blick zu
ihr zu erheben. Doch sie ließ ihn näher treten und frug ihn,
ob er der Nachtwandler sei, der gestern abend, als sie ge-
sungen, vor ihrem Fenster gestanden.

Rajama bejahte und bat für seine Kühnheit um Verzeihung,
mit dem Bemerken, daß er sich genügend unter den Palnien
verborgen glaubte. Doch als ihn Liana schelmisch anlächelte und
ihm errötend gestand, ihr wäre gestern seine Bewunderung,
über die sie erfreut gewesen, nicht entgangen, da beugte Rajama
sein Knie vor Liana und berührte mit einem ehrfurchtsvollen
Kusse das zarte seidene Gewand der Prinzessin. Als er aber
merkte, daß ihr seine demütige Huldigung zu gefallen schien,
erhob er sich rasch und drückte einige sehnsuchtsvolle heiße Küsse
auf die warmen und durchaus nicht widerstrebenden Lippen
Lianas, worauf er jedoch, über seine Kühnheit erschrocken, sich
sofort auf seinen Platz zur Türe begab.

Wenige Augenblicke später wurde der schwere Vorhang der
Türe hastig beiseite geschoben. Der Fürst war eingctrcten, und

drohend sprach er zu Rajama: „Frevler, Du hast Liana geküßt!"
— Doch ruhig blickte Rajama dem Fürsten ins Antlitz und
erwiderte: „Mein Fürst, ich habe diesen Platz nicht verlassen
und gehorsam Deiner Befehle geharrt." — Da sprach der Fürst
und ein verachtender Blick traf den Jüngling: „Du bist entlassen!
Ich hatte Dich beiden Proben zugleich unterziehen wollen, ohne
cs Dir zu sagen — doch Du hast nicht bestanden, Wenn Du nicht
einmal den Mut hattest, Liana zu küssen, dann bist Du ein
Feigling und zugleich ein Dummkopf; denn eine solche
Gelegenheit bietet sich Dir nur einmal!"

Lächelnd antivortete Rajaina: „Du irrst, mein Gebieter! Ich
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Die Probe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Birch, Reginald Bathurst
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Fliegende Blätter, 123.1905, Nr. 3144, S. 202

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