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vwjifiii Dichter hatte zehn Jahre darüber nachgedacht. Dann
wußte er cs: Gedanken sind Wesen wie wir. Gedanken
wandern wie wir. Gedanken, gute und schlimme, durch-
ziehen die Welt — in Heeren, in Kolonnen und einzeln. . . Wie
>vir, wie wir. —

Wieder verstrichen zehn Jahre. Dann hatte der Dichter er-
kannt: Selten kriechen Gedanken am Boden. Die stärksten und
größten, im guten und schlimmen, ziehen über unsere Köpfe hin-
weg, und über die Dächer unserer Häuser setzen sie ihren Wander-
stab weiter. —

Zehn Jahre gingen nochmals in's Land. Da hatte der Dichter
und Denker ein feines Gewerk ersonnen. Es war ein Gehäuse
mit einem rotierenden Trichter. Das setzte er fest auf den First
seines Hauses am Berge. Eine silberne Röhre ging ans dem Ge-
häuse herunter zum Schreibtisch. Am Ende der Röhre aber stand
ans dem grünen Tuche ein wunderfeines Glockenspiel. Das läutete
leise, so oft ein Gedanke auf seiner Weltwanderung über des Dichters
Haus daherkam und, von: rotierenden Trichter verleitet, das silberne
Röhrlein hernnterschlüpfte, um einen Besuch bei dem Dichter zu
machen. Und da saß dieser stille im Stuhl und, ließ die flüchtigen
Gäste andächtig vorüberziehen und gab ihnen dann höflich das
Geleite zum offenen Fenster hin.

Das beste aber an des Dichters Erfindung war ein zarter
Filter im Rohre, der derart beschaffen war, daß er nur hohe und
gute Gedanken zum Schreibtisch hinnnterpassieren ließ, die schlimmen

aber zurückwies und zwang, weiterzuwandern. Was immer von
da an der Dichter auf seinem Schreibtisch verfaßte, lasen die Leute
bewundernd und preisend.

„Es ist alles so edel", sagten sie.

„So ätherisch."

„So weltentrückt."

Sie lasen es träumend und wurden selber ätherisch dabei.
Und auch ein weniges bläßlich. —

Einmal aber läutete es stärker als sonst auf dem Schreibtisch.

„Wer da?" Der Dichter streckte behaglich die Füße.

„Eigentlich gehöre ich gar nicht hierher. Ich bin durch eine
offene Masche des Filters hernntergeschlüpft. Ich bin ein Gedanke
vom Faust und komme, Ihnen zu sagen -- zu sagen: Sie unter-
schlagen in Ihren Werken den Menschen die Hälfte der Welt."

„Die Hälfte der Welt?"

„Ja, mit Ihrer vermaledeiten Filtererfindnng. Empfehl' mich,
adieu!"

Weg war er, zum Fenster hinaus. Und hatte nicht einmal
gewartet, bis ihm der Dichter artig und höflich die Hand zum Ab-
schied gegeben.

„Gemeiner Kerl", sagte der Dichter. Aber seltsam: Die zwei
Worte allein taten ihm wohl, so wohl wie seit langem nicht mehr
die ätherischsten Dinge.

Und dann saß er und sann eine lange Weile.

Und schließlich zerriß er den Filter.

frilj Müller, Zürich.


—G a l ant. sr—

Gutsbesitzerstochter
(der ein Sommerfrischler den
Schirm angebotcn hat):

„Der Regelt war sehr
nötig — findeil Sic das
nicht auch?"

Herr:

„Freilich! . . Sonst hntll
ich Sie ja ilicht kcnilen ge-
lernt!"

]**
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Galant"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Peters, Josef
Entstehungsdatum
um 1912
Entstehungsdatum (normiert)
1907 - 1917
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Fliegende Blätter, 136.1912, Nr. 3467, S. 5

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