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Hundert Mark.
Aufmerksamkeit entgangen sein dürfte, und zeichne mit
dem Ausdruck ausgezeichneter Hochachtung
ergebenst
Ich sagte, das sei in der Tat sehr zart, ungemein zart.
Aber ob er nicht glaube, daß sich ein freundliches Rosengeranke
um den Text des Briefes noch besser mache. Worauf er sagte,
seine Firma täte das zwar nicht — mein Freund ist Korre-
spondent bei Gebrüder waltersmann Nachfolger — aber schaden
könne es nicht.
Darauf schrieb ich einen solchen Brief und zeichnete ein ge-
fälliges Blumengeranke darum herum. Darauf schrieb mir mein
Freund Rinkel, die Blumen seien ganz nett gezeichnet. Sonst
nichts. Daraus entnahm ich, daß ich es noch nicht zart genug
getroffen habe, und holte mir Rats bei meinem alten Rollegen
Pompier, der zu den Dichtern übergegangen war. Gewiß, sagte
er, man könne es gut noch um einen Grad zarter machen, und
entwarf mir folgenden Mahnbrief:
„Mit höflicher Bezugnahme auf die von Ihnen ent-
liehenen hundert Mark gestatte ich mir die ergebene An-
frage, ob ich Ihnen mit weiteren hundert Mark dienlich
sein dürfte."
Ich wendete ein, das sei doch das Gegenteil von einein
Mahnbrief. Worauf er sagte, das sei eben das Zarte daran.
Denn es sei eine versteckte Mahnung, eine sub rosa. — Und so
schickte ich den Brief ab. — Schon am nächsten Tage war die Ant-
wort da von Rinkel. Tr wolle sich die Sache einmal überlegen,
sagte er. Aha, dachte ich, jetzt reagiert er wenigstens. Und am
Nachmittage kam ein Bote von ihm und sagte, Herr Rinkel hätte
sich die Sache überlegt nnd sei bereit, weitere hundert Mark in
Empfang zu nehmen. Ich bin froh, daß ich keine gehabt habe,
sonst wären die jetzt auch futsch. Als ich aber das den, Dichter
Pompier sagte, incinte er, es sei jedenfalls ein gutes Zeichen für
das unverdorbene Gemüt meines Freundes Rinkel, daß er meine
versteckte Mahnung wörtlich genommen hätte.
Da stoß inir die Galle in die Feder und ich schrieb auf
einem vorschriftsmäßigen Ranzleibogen, 33 Zentimeter hoch und
2{ Zentimeter breit:
„Her mit den hundert Mark!
Hochachtungsvoll."
worauf Freund Rinkel selbst in meine Wohnung kam und mir
auf die Schulter klopfte und mit Anerkennung sagte: „Siehst Du,
so gefällst Du mir."
„Also willst Du den Hunderter jetzt endlich zahlen?" fragte
ich entgegen. Nein, sagte er, das siele ihm nicht ein — die hundert
Märker seien für ihn erledigt. Und auch für mich sollten sie er-
ledigt sein, denn
sollte ich froh sein, daß er mich überhaupt mit dem deli-
katen vertrauen einer Geldentnahme beehrt habe,
2. Gelder rückerstatten täte ohnehin nur kaltnasiges Rauf-
mannsgesindel,
5. er hätte mich so hoch eingeschäht, daß ich beleidigt hätte
sein müssen, wenn er auch diesen philisterhaften versuch
gemacht hätte,
4. es sei überhaupt plebejisch, von Geldsachen mehr als dring-
lich nötig zu sprechen und
5. er wolle mir aber die ganze Geschichte nicht weiter übel-
nehmen, sondern mir sein vertrauen gelegentlich, wenn
ich bei Rassa märe, auf's neue beweisen.
Daraufhin bat ich ihn um Verzeihung, und wir nahmen mit
verhaltener Rührung voneinander Abschied.
Aber als er an der Türe stand, sagte ich so nebenbei: „Hör'
mal, lieber Freund, Du könntest mir einen großen Gefallen er-
weisen: Möchtest Du mir vielleicht mit hundert Märkern unter die
Arme greifen?"
„Aber mit Vergnügen", sagte er, und gab mir mit diskreter
Handbewegung einen Hundertmarkschein.
Als ich dann den Schein ein wenig inspizierte, entdeckte ich,
daß es derselbe war, den ich ihn: damals selbst geliehen hatte.
Ich hatte mir die Nummer ausgeschrieben und die Unterschrift:
„Nr. 55789^ Lit. D. Gallenkamp'' stand darauf, und rechts oben
in der Ecke war ein Fettfleck.
Fritz Müller.
Kathederblüte.
„Wenn Kolumbus Amerika nicht entdeckt hatte, hätte
ich mich sehr gewundert."
Vor der S t e u e r v e r a n l a g « n g s k o m m i s s i o u.
„Sie geben Ihr Einkommen mit viertausend Mark an; dabei
ist cs festgestellt, daß Sie für Wohnungsmiete, Vereinsbeiträge und
Jagdpacht allein fünftausend jährlich ausgeben-" — „Ja, das
soll mir 'mal einer nachmachen, Herr Regierungsrat!"
Der fällige Wechsel oder: Unerwartete Hilfe.
2.
Hundert Mark.
Aufmerksamkeit entgangen sein dürfte, und zeichne mit
dem Ausdruck ausgezeichneter Hochachtung
ergebenst
Ich sagte, das sei in der Tat sehr zart, ungemein zart.
Aber ob er nicht glaube, daß sich ein freundliches Rosengeranke
um den Text des Briefes noch besser mache. Worauf er sagte,
seine Firma täte das zwar nicht — mein Freund ist Korre-
spondent bei Gebrüder waltersmann Nachfolger — aber schaden
könne es nicht.
Darauf schrieb ich einen solchen Brief und zeichnete ein ge-
fälliges Blumengeranke darum herum. Darauf schrieb mir mein
Freund Rinkel, die Blumen seien ganz nett gezeichnet. Sonst
nichts. Daraus entnahm ich, daß ich es noch nicht zart genug
getroffen habe, und holte mir Rats bei meinem alten Rollegen
Pompier, der zu den Dichtern übergegangen war. Gewiß, sagte
er, man könne es gut noch um einen Grad zarter machen, und
entwarf mir folgenden Mahnbrief:
„Mit höflicher Bezugnahme auf die von Ihnen ent-
liehenen hundert Mark gestatte ich mir die ergebene An-
frage, ob ich Ihnen mit weiteren hundert Mark dienlich
sein dürfte."
Ich wendete ein, das sei doch das Gegenteil von einein
Mahnbrief. Worauf er sagte, das sei eben das Zarte daran.
Denn es sei eine versteckte Mahnung, eine sub rosa. — Und so
schickte ich den Brief ab. — Schon am nächsten Tage war die Ant-
wort da von Rinkel. Tr wolle sich die Sache einmal überlegen,
sagte er. Aha, dachte ich, jetzt reagiert er wenigstens. Und am
Nachmittage kam ein Bote von ihm und sagte, Herr Rinkel hätte
sich die Sache überlegt nnd sei bereit, weitere hundert Mark in
Empfang zu nehmen. Ich bin froh, daß ich keine gehabt habe,
sonst wären die jetzt auch futsch. Als ich aber das den, Dichter
Pompier sagte, incinte er, es sei jedenfalls ein gutes Zeichen für
das unverdorbene Gemüt meines Freundes Rinkel, daß er meine
versteckte Mahnung wörtlich genommen hätte.
Da stoß inir die Galle in die Feder und ich schrieb auf
einem vorschriftsmäßigen Ranzleibogen, 33 Zentimeter hoch und
2{ Zentimeter breit:
„Her mit den hundert Mark!
Hochachtungsvoll."
worauf Freund Rinkel selbst in meine Wohnung kam und mir
auf die Schulter klopfte und mit Anerkennung sagte: „Siehst Du,
so gefällst Du mir."
„Also willst Du den Hunderter jetzt endlich zahlen?" fragte
ich entgegen. Nein, sagte er, das siele ihm nicht ein — die hundert
Märker seien für ihn erledigt. Und auch für mich sollten sie er-
ledigt sein, denn
sollte ich froh sein, daß er mich überhaupt mit dem deli-
katen vertrauen einer Geldentnahme beehrt habe,
2. Gelder rückerstatten täte ohnehin nur kaltnasiges Rauf-
mannsgesindel,
5. er hätte mich so hoch eingeschäht, daß ich beleidigt hätte
sein müssen, wenn er auch diesen philisterhaften versuch
gemacht hätte,
4. es sei überhaupt plebejisch, von Geldsachen mehr als dring-
lich nötig zu sprechen und
5. er wolle mir aber die ganze Geschichte nicht weiter übel-
nehmen, sondern mir sein vertrauen gelegentlich, wenn
ich bei Rassa märe, auf's neue beweisen.
Daraufhin bat ich ihn um Verzeihung, und wir nahmen mit
verhaltener Rührung voneinander Abschied.
Aber als er an der Türe stand, sagte ich so nebenbei: „Hör'
mal, lieber Freund, Du könntest mir einen großen Gefallen er-
weisen: Möchtest Du mir vielleicht mit hundert Märkern unter die
Arme greifen?"
„Aber mit Vergnügen", sagte er, und gab mir mit diskreter
Handbewegung einen Hundertmarkschein.
Als ich dann den Schein ein wenig inspizierte, entdeckte ich,
daß es derselbe war, den ich ihn: damals selbst geliehen hatte.
Ich hatte mir die Nummer ausgeschrieben und die Unterschrift:
„Nr. 55789^ Lit. D. Gallenkamp'' stand darauf, und rechts oben
in der Ecke war ein Fettfleck.
Fritz Müller.
Kathederblüte.
„Wenn Kolumbus Amerika nicht entdeckt hatte, hätte
ich mich sehr gewundert."
Vor der S t e u e r v e r a n l a g « n g s k o m m i s s i o u.
„Sie geben Ihr Einkommen mit viertausend Mark an; dabei
ist cs festgestellt, daß Sie für Wohnungsmiete, Vereinsbeiträge und
Jagdpacht allein fünftausend jährlich ausgeben-" — „Ja, das
soll mir 'mal einer nachmachen, Herr Regierungsrat!"
Der fällige Wechsel oder: Unerwartete Hilfe.
2.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der fällige Wechsel oder: Unerwartete Hilfe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1912
Entstehungsdatum (normiert)
1907 - 1917
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 136.1912, Nr. 3474, S. 98
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg