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Das Meisterstück.
„Was denn?" — „Ich will dem Nuckelbauern ein kferz in die
Brust zaubern!" antwortete Mucki entschlossen und couragiert.
„Ja so!" meinte der Zauberer mit einem ver-
ständnisvollen Lächeln. „Armer Mucki I Laß die
Finger davon und misch' Dich nicht in solche Sachen
— es wird Dir nicht gelingen l So 'was geht immer
schief aus!"
„Ach fjcrr, ich bitt' Luch, ich fleh' Luch anl"
bettelte der Bursche. „Laßt es mich wenigstens ver-
suchen — an dem bißchen Material liegt ja nichts —
und vielleicht gelingt es doch!"
Grammaxandi schmunzelte. „Also probier' es!"
sagte er freundlich. „Ich will Dir Deinen Wunsch
nicht abschlagenl Probier' es in Gottes Namen!"
Tag und Nacht schweißte, glühte, goß und hämmerte der
Junge in der Werkstätte und sein Herr störte ihn nicht. Wie er
damit fertig war, nahm er das weiche, seltsame, klopfende Ding,
das er geschaffen, schlich nachts in den lhof und brachte es unbe-
merkt dem Bauern bei.
Glückstrahlend und voll süßester Hoffnung saß er
am anderen Morgen ganz erschöpft wieder aus der
Bank vor dem Zauberschloß, als Grammaxandi zu
ihm trat und ihn fragte: „Nun? Was hast Du
ausgerichtet?"
„Lr hat's! Lr hat's! Lr hat ein £jel'3
in der Brust, wie es kein besseres gibt!" jauchzte
der Lehrling.
„Wirklich?" antwortete der Zauberer. „Wirk-
lich ? Nun, wir wollen sehen I"
Da kam es vom Dorf herüber mit Singen, Musi-
zieren und Iuhuschrei'n. Daraus zogen die Siedler und Flauten-
bläser. Dann einer, der war mit Bändern reich geschmückt und
trug in den ksänden einen Stab, ganz mit Rosmarin umwunden.
Diele Leute in festlicher Kleidung folgten und am Ende schritt
Loni einher in bräutlicher Zier, wonnevoll anzuschauen wie der
junge Frühlingsmorgen. Denn der reiche Nuckelbauer hatte über
Nacht seinen Sinn gewendet und ihr den schönen Taubachhof ge-
schenkt mit zwei Dutzend Rindern und drei Tagwerk Grund.
„Wahrhaftig!" sagte der Zauberer. „Wahrhaftig! Ls ist
Dir gelungen I Du hast ihm ein warmes fühlendes lferz in die
Brust gesetzt! Ich seh's . . . wahrhaftig . . ."
Mucki aber hatte sich erhoben und schaute mit großen Augen
und schaute und schaute und seine Augen wurden
immer größer und größer. Denn an ihrer Seile
schritt kreuzvergnügt und lachend und jubelnd und
jauchzend der Windbach-Blasi, der schmuckste Bursch'
im Dorf und der ärmste Teufel auch. — „Ja," stammelte der
Lehrling, „ja, was tut denn der Blasi dabei — der Blasi?"
„Der Blasi?" sagte der Zauberer. „Der Blasi? Siehst Du
denn nicht, daß das der Bräutigam ist?"
„Der Blasi der Bräutigam?" murmelte der arme Bub' und
setzte sich schwer auf die Bank. „Und ich? Und ich?"
„Armer Mucki!" antwortete der Zauberer und legte ihm
tröstend die lhand auf den blonden Scheitel. „Armer Mucki! De!n
Bauern hast Du ja wohl ein lherz >n die Brust gezaubert — aber
wie's in ihren: Uerzl drinn' ausschauen tat’, das zu erforschen,
hast Du darüber halt leider ganz vergessen l Tröst'
Dich nur, tröst' Dich! Mancher bringt's eben eimnal
nie über den Lehrling hinaus — im Zaubern und
im Leben auch!"
Wilhelm Herbert.
Das Meisterstück.
„Was denn?" — „Ich will dem Nuckelbauern ein kferz in die
Brust zaubern!" antwortete Mucki entschlossen und couragiert.
„Ja so!" meinte der Zauberer mit einem ver-
ständnisvollen Lächeln. „Armer Mucki I Laß die
Finger davon und misch' Dich nicht in solche Sachen
— es wird Dir nicht gelingen l So 'was geht immer
schief aus!"
„Ach fjcrr, ich bitt' Luch, ich fleh' Luch anl"
bettelte der Bursche. „Laßt es mich wenigstens ver-
suchen — an dem bißchen Material liegt ja nichts —
und vielleicht gelingt es doch!"
Grammaxandi schmunzelte. „Also probier' es!"
sagte er freundlich. „Ich will Dir Deinen Wunsch
nicht abschlagenl Probier' es in Gottes Namen!"
Tag und Nacht schweißte, glühte, goß und hämmerte der
Junge in der Werkstätte und sein Herr störte ihn nicht. Wie er
damit fertig war, nahm er das weiche, seltsame, klopfende Ding,
das er geschaffen, schlich nachts in den lhof und brachte es unbe-
merkt dem Bauern bei.
Glückstrahlend und voll süßester Hoffnung saß er
am anderen Morgen ganz erschöpft wieder aus der
Bank vor dem Zauberschloß, als Grammaxandi zu
ihm trat und ihn fragte: „Nun? Was hast Du
ausgerichtet?"
„Lr hat's! Lr hat's! Lr hat ein £jel'3
in der Brust, wie es kein besseres gibt!" jauchzte
der Lehrling.
„Wirklich?" antwortete der Zauberer. „Wirk-
lich ? Nun, wir wollen sehen I"
Da kam es vom Dorf herüber mit Singen, Musi-
zieren und Iuhuschrei'n. Daraus zogen die Siedler und Flauten-
bläser. Dann einer, der war mit Bändern reich geschmückt und
trug in den ksänden einen Stab, ganz mit Rosmarin umwunden.
Diele Leute in festlicher Kleidung folgten und am Ende schritt
Loni einher in bräutlicher Zier, wonnevoll anzuschauen wie der
junge Frühlingsmorgen. Denn der reiche Nuckelbauer hatte über
Nacht seinen Sinn gewendet und ihr den schönen Taubachhof ge-
schenkt mit zwei Dutzend Rindern und drei Tagwerk Grund.
„Wahrhaftig!" sagte der Zauberer. „Wahrhaftig! Ls ist
Dir gelungen I Du hast ihm ein warmes fühlendes lferz in die
Brust gesetzt! Ich seh's . . . wahrhaftig . . ."
Mucki aber hatte sich erhoben und schaute mit großen Augen
und schaute und schaute und seine Augen wurden
immer größer und größer. Denn an ihrer Seile
schritt kreuzvergnügt und lachend und jubelnd und
jauchzend der Windbach-Blasi, der schmuckste Bursch'
im Dorf und der ärmste Teufel auch. — „Ja," stammelte der
Lehrling, „ja, was tut denn der Blasi dabei — der Blasi?"
„Der Blasi?" sagte der Zauberer. „Der Blasi? Siehst Du
denn nicht, daß das der Bräutigam ist?"
„Der Blasi der Bräutigam?" murmelte der arme Bub' und
setzte sich schwer auf die Bank. „Und ich? Und ich?"
„Armer Mucki!" antwortete der Zauberer und legte ihm
tröstend die lhand auf den blonden Scheitel. „Armer Mucki! De!n
Bauern hast Du ja wohl ein lherz >n die Brust gezaubert — aber
wie's in ihren: Uerzl drinn' ausschauen tat’, das zu erforschen,
hast Du darüber halt leider ganz vergessen l Tröst'
Dich nur, tröst' Dich! Mancher bringt's eben eimnal
nie über den Lehrling hinaus — im Zaubern und
im Leben auch!"
Wilhelm Herbert.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das Meisterstück"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1912 - 1912
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 136.1912, Nr. 3478, S. 140
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg