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W cnn's brenu t.
ladend offen — ein sehr schmales, sehr niederes, zum — na ja,
sagen wir 'mal: zum kleinsten Raum der Etage gehörig.
»Jeff—Mar—Sepp! Da solle' m'r durchkruve!" ächzte Groß-
mutter, deren Gestalt drei aufeinandergesetzten, sich nach oben
verjüngenden Kugeln glich.
„Mach' voran!" mahnte die geängstigte Mutter, der die zum
schrillen Fortissimo gesteigerte Klage des Säuglings das kserz zerriß.
kseinz, genannt Heinzelmännchen, der älteste
Sprößling, war schon oben. Mit kühnem Klimm-
zug erreichte er von der etwas zu kurzen Leiter
die Höhe, schwamm, da das Fenster „eingebaut"
war, einen Augenblick auf dem Bauch und landete
mit einem Plumps. Alsbald aber ries er fröhlich
von innen: „vatter — votier! — vatter! — hören
S’l — vatter! — vatter."
„Ruhe!" donnerte dieser empört, „Hör' aus
mit Deinem albernen „vatter!"
Keinen Ton mehr oder Du wirst's
bereuen!"
„Geh' zum Brüderche'" —
gellte Mutter Minna, „gib ihm
schön die Flasch'!"
Heinzelmännchen verstummte
und Vater Kintgen erklomm die
Leiter, um brummend wie ein zorniger dicker
Brummer, der sich durch ein Schlüsselloch durch-
arbeiten soll, seinen stattlichen Leib durchzu-
würgen und zu zwängen, wütend zischte er jeden
„Helfer" an. Ihm folgte, quietschend — halb von
vorn gezerrt, halb von hinten geschoben, Mutter
Minna. Sie plumpste inwendig wie eine bleierne
Ente zu Boden, raffte sich aber sofort auf, um
zu dem noch immer klagenden Säugling
zu rennen. Großvater, trocken und
dürr wie ein gedörrter Kabeljau, pas-
sierte ziemlich gut die drangvoll fürchter-
liche Enge. Die Kinder stotterten wie
fröhlich gackernde Hühnchen empor,
höchlichst von der allgemeinen Kriecherei
belustigt und nur unter Androhung
fürchterlicher Vhrseigen dazu veran-
laßt, vor Großmutter zu geh'», die
sie „zu gern kruven" gesehen hätten.
Großmutter, als letzte, blieb jammer-
voll stecken,
wie ein beleib-
ter Fisch, der
in eine zu enge
Netzmasche ge-
raten ist, sampelte und ruderte sie mit
Armen und Beinen, halb innen und halb
außen — bis es. bei dem Gezerr von
innen, plötzlich einen Krach gab, Steine
und Mörtelbrocken stoben und Großmutter
unter Mitnahme des ganzen Fensterrahmens
zu Tal fuhr, in die Arme der Ihren.
Der Anblick ivar überwältigend —
aber Großmutter schoß Basiliskenblicke —
wehe dem, der lachte!! Mit Lrftickungs-
anfällen vor unterdrückter Fröhlichkeit
kämpfend, utnringten sie „alle Neune" — denn auch den unter-
dessen beruhigten Säugling hatte Mutter Minna herbeigeholt.
„Großmutter war immer e' Bildche' — sie wollt' auch als
emal eingerahmt sein!" schmunzelte Großvater.
Aber Großmutter war spinngiftig und reagierte nicht auf
„Witze". Sie zeterte und spie Gift und Galle. Zerschrammt und
zerschunden war sie und schrie jeden an, der den Rahmen von
dem „Bild" lösen wollte. „Und ein andermal", sagte sie, bäte
sie sich aus, daß man ein „anständigeres" Fenster offen ließe,
denn das könne sie verlangen, wenn man ihr schon zumute, wie
„ein Kanaljevogel in die Etasch' zu fliegen."
„Gder — gell', Großmutter — der erst', der hineinkommt,
macht den annere die Etagentür auf?" schlug Heinzel-
männchen freundlich vor. — Entgeistert starrten sich alle an. —•—
Und plötzlich holte Vater Kintgen aus und gab seinem klugen
Sprößling eine schallende Ghrfeige. „Du Lausbub'!" sagte er
drohend, „fällt Dir das erst jetzt ein?"
„Lnä!" schluchzte das tiefgekränkte Heinzelmännchen. „Ich
wollt's gleich sagen — Du hast mich doch hauen wollen, wenn
ich nicht mit mei'm albernen „vatter" aufhört' — und jetzt haust
Du mich doch! huhuhu!"
„Der arm' Jung'!" sagte Mutter Minna und wehrte der
abermals erhobenen Hand des Gatten — „da hätt'n wir selbst
d'randenken können — statt zu neun Manu durch's Fenster zu
kruve —"
„Ja — weun's brennt I" nickte Großvater, „da werden weise
narr." Und mit plötzlichem Abscheu schleuderte er das Papier-
blumengräuel von sich wie einen giftigen Skorpion.
__ E. Hefn.
Kritik.
Vater: „Nun, wie hat Dir die neue Schauspielerin im
gestrigen Stück gefallen?" — Backfisch: „Soweit ganz gut. Nur
der Ohuluachtsaufall im zweiten Akt war schlecht — das macht
Mama viel besser!" ______
W cnn's brenu t.
ladend offen — ein sehr schmales, sehr niederes, zum — na ja,
sagen wir 'mal: zum kleinsten Raum der Etage gehörig.
»Jeff—Mar—Sepp! Da solle' m'r durchkruve!" ächzte Groß-
mutter, deren Gestalt drei aufeinandergesetzten, sich nach oben
verjüngenden Kugeln glich.
„Mach' voran!" mahnte die geängstigte Mutter, der die zum
schrillen Fortissimo gesteigerte Klage des Säuglings das kserz zerriß.
kseinz, genannt Heinzelmännchen, der älteste
Sprößling, war schon oben. Mit kühnem Klimm-
zug erreichte er von der etwas zu kurzen Leiter
die Höhe, schwamm, da das Fenster „eingebaut"
war, einen Augenblick auf dem Bauch und landete
mit einem Plumps. Alsbald aber ries er fröhlich
von innen: „vatter — votier! — vatter! — hören
S’l — vatter! — vatter."
„Ruhe!" donnerte dieser empört, „Hör' aus
mit Deinem albernen „vatter!"
Keinen Ton mehr oder Du wirst's
bereuen!"
„Geh' zum Brüderche'" —
gellte Mutter Minna, „gib ihm
schön die Flasch'!"
Heinzelmännchen verstummte
und Vater Kintgen erklomm die
Leiter, um brummend wie ein zorniger dicker
Brummer, der sich durch ein Schlüsselloch durch-
arbeiten soll, seinen stattlichen Leib durchzu-
würgen und zu zwängen, wütend zischte er jeden
„Helfer" an. Ihm folgte, quietschend — halb von
vorn gezerrt, halb von hinten geschoben, Mutter
Minna. Sie plumpste inwendig wie eine bleierne
Ente zu Boden, raffte sich aber sofort auf, um
zu dem noch immer klagenden Säugling
zu rennen. Großvater, trocken und
dürr wie ein gedörrter Kabeljau, pas-
sierte ziemlich gut die drangvoll fürchter-
liche Enge. Die Kinder stotterten wie
fröhlich gackernde Hühnchen empor,
höchlichst von der allgemeinen Kriecherei
belustigt und nur unter Androhung
fürchterlicher Vhrseigen dazu veran-
laßt, vor Großmutter zu geh'», die
sie „zu gern kruven" gesehen hätten.
Großmutter, als letzte, blieb jammer-
voll stecken,
wie ein beleib-
ter Fisch, der
in eine zu enge
Netzmasche ge-
raten ist, sampelte und ruderte sie mit
Armen und Beinen, halb innen und halb
außen — bis es. bei dem Gezerr von
innen, plötzlich einen Krach gab, Steine
und Mörtelbrocken stoben und Großmutter
unter Mitnahme des ganzen Fensterrahmens
zu Tal fuhr, in die Arme der Ihren.
Der Anblick ivar überwältigend —
aber Großmutter schoß Basiliskenblicke —
wehe dem, der lachte!! Mit Lrftickungs-
anfällen vor unterdrückter Fröhlichkeit
kämpfend, utnringten sie „alle Neune" — denn auch den unter-
dessen beruhigten Säugling hatte Mutter Minna herbeigeholt.
„Großmutter war immer e' Bildche' — sie wollt' auch als
emal eingerahmt sein!" schmunzelte Großvater.
Aber Großmutter war spinngiftig und reagierte nicht auf
„Witze". Sie zeterte und spie Gift und Galle. Zerschrammt und
zerschunden war sie und schrie jeden an, der den Rahmen von
dem „Bild" lösen wollte. „Und ein andermal", sagte sie, bäte
sie sich aus, daß man ein „anständigeres" Fenster offen ließe,
denn das könne sie verlangen, wenn man ihr schon zumute, wie
„ein Kanaljevogel in die Etasch' zu fliegen."
„Gder — gell', Großmutter — der erst', der hineinkommt,
macht den annere die Etagentür auf?" schlug Heinzel-
männchen freundlich vor. — Entgeistert starrten sich alle an. —•—
Und plötzlich holte Vater Kintgen aus und gab seinem klugen
Sprößling eine schallende Ghrfeige. „Du Lausbub'!" sagte er
drohend, „fällt Dir das erst jetzt ein?"
„Lnä!" schluchzte das tiefgekränkte Heinzelmännchen. „Ich
wollt's gleich sagen — Du hast mich doch hauen wollen, wenn
ich nicht mit mei'm albernen „vatter" aufhört' — und jetzt haust
Du mich doch! huhuhu!"
„Der arm' Jung'!" sagte Mutter Minna und wehrte der
abermals erhobenen Hand des Gatten — „da hätt'n wir selbst
d'randenken können — statt zu neun Manu durch's Fenster zu
kruve —"
„Ja — weun's brennt I" nickte Großvater, „da werden weise
narr." Und mit plötzlichem Abscheu schleuderte er das Papier-
blumengräuel von sich wie einen giftigen Skorpion.
__ E. Hefn.
Kritik.
Vater: „Nun, wie hat Dir die neue Schauspielerin im
gestrigen Stück gefallen?" — Backfisch: „Soweit ganz gut. Nur
der Ohuluachtsaufall im zweiten Akt war schlecht — das macht
Mama viel besser!" ______
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wenn's brennt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1912
Entstehungsdatum (normiert)
1907 - 1917
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 137.1912, Nr. 3515, S. 272
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg