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ILO

T> i c teueren Nüsse.

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Handwerk!" Den nächsten Tag schon
fuhr am frühen Morgen Herr Apo-
theker Steigenberger in die Kreis-
stadt. um sich beim Büchsenmacher
eine Schießwaffe zu kaufen. Der ge-
wandte Verkäufer riet ihm zu einem
guten Flobert, da er sic nach seiner
Erzählung doch hauptsächlich als
Gartenwaffe benützen wollte, und
schließlich stand der gute Apotheker
mit einem funkelnagelneuen Schieß-
gewehr auf den Straße» der Kreis-
stadt, aber um sechzig Mark leichter. Als er gegen Abend am
Bahnhof zu Aichingeu ankam, frag ihn gleich alles, ob er denn
in seinen alten Tagen noch das Jagen anfangen wollte; die
Frau Verwalter telephonierte gleich an die Frau Rentamtmann:
„Denken Sie sich, der Herr Apotheker kam eben init einem Ge-
wehr an, mit einem Gewehr!" Bis er heimkam, wußte cs schon
das ganze Nest, ja sogar schon seine Haushälterin,
die Viktor!, und als sie ihm öffnete, rief sie: „Icffas,

Maria und Joseph, i' hab's scho' g'hört, daß S' a'

Schiaßg'wehr hab'n! Sie wer'» do' ueamand nir
toan!" . . .

Der folgende Abend sah schon den Alten im
Garten auf der Lauer; die Schatten wurden immer
länger und länger, und rotgolden bestrahlte nur
mehr die Sonne den Turm der Pfarrkirche. auf
deren hohem Giebeldach das Storcheupaar sich be-
reits im blauen Schatten zur Ruhe setzte; nur
die Turmschwalben kreisten noch mit lautem Ge-
kreische um die Türme am Tore des alten Städtchens und
schließlich waren auch sie verstummt. Still . . . ganz still wurde
es im (Drte, nur draußen im Garten des Apothekers war noch
Bewegung »ud deutlich hörte man den Alten murmeln: „Jetzt
könnt' das Mistviech aber komma, jetzt
pirsch' i' scho' zwei Stund' in mein' Ge-
biet »Mailänder und schließlich dawisch'
i' nir als wia an' Mordsschnupfen!"
Manchmal fiel ein Apfel vom Baum,
da schreckte der 2tltc jedesmal zusammen
und jetzt . . . jetzt . . . kliacktcu Aste, cs
raschelte tu den Stauden, vor Aufregung
fiel dem gewaltigen Nimrod die Brille
von der Nase, er zielte mitten in den Busch, von dem das Ge

ränsch kam, drückte los.und ein fürchterliches Gebrüll

erfolgte auf den Knall.

Der erste Gedanke des Apothekers war: „Dös is koa' Eich-
katz! I" Sofort ertönte auch eine Stimme aus dem Nachbars-
garten: „Höllensareu noch amal, da hat oana mei' Kuah 'nauf-
g'schoss'n, bring' a' Latcril'. Alte ... a' Latern' her. sag' i'!"
Die Kuh brüllte zwar noch immer, stand aber ruhig auf allen
Vieren und kaute die abgerissenen Haselnußzwcige. Als die La-
terne kam, sah man, daß das Tier am Kopse etwas verletzt
war und ein schmales Bächlein Blutes rann ihm über das glän-
zende Maul. Als die Nachbarn den Apotheker mit der Flinte
sahen, ging ein Geschrei und Geschimpfe los; der Bauer hielt
ihm die Laterne iu's Gesicht und schrie ans Leibeskräften: „Da
muaß Schaden 'zahlt wer'n, dös wär' no' schöna, da bei der
Nacht die Küah' 'naufschiaß'n!"

Der Apotheker stand
wie versteinert im Lichte
der Laterne, er konnte
doch nicht sagen, daß er
die Kuh für ein Eichkatz!
gehalten, und so sagte er
nur: „So sind S' doch
still, zahl' ja den Scha-
den!" -Der Bauer schrie:

„Achtzig Mark, dös is as
wenigst'!" — „Jawoi, achtzig Mark", pflichtete kreischend die
Bäuerin bei. Die Kuh fraß inzwischen ruhig weiter, der Schmerz
muß nicht besonders groß gewesen sein. „Nun, so seid doch um
Hiinmels willen still, i' zahl' f . . . achtzig Mark zahl' ich . . . aber
gebt doch Frieden I" begütigte der Apotheker, dcnli schon überall
gingen an der Stadtmauer die Türen zu den Gärten; es kamen
die neugierigen Aichinger. „Morgen abend bring' ich f Euch l" --
„Eigentlich möcht' i’ so 'was schriftlich hab'n," erwähnte mit
Baucrnschläne der Nachbar, „aber Jhua, verr Apo-
theker. Jhna glaub' i' scho' . . . also achtzig Mark . . -
o mei' . . . o mei', mei' arme Kuah!" Damit schob
er die Blessierte zuin Stall hinein. Der Apotheker
aber lauerte nicht mehr auf das uüsseraubcnde Ge-
tier und ging verärgert und mißmutig nach seiner
Behausung.

„No . . ." sagte die Viktor!, sein Faktotum, „no,
Herr Apotheker, haben Sie's fd>o’, dös Ranbcrsvicch,
i' freit’ mi’ scho', wenn mer's ausstopfcn!" . . . Der
Alte gab ihr keine Antwort, hing den Flobcrt an
die wand; kleinlaut trank er seinen Abendschoppen
und verschwand nach einiger Zeit brummend in seinem Schlaf-
gemach.

Einige Tage später stand bei der alten Hökerin am obcrn
Tore ein Korb schönster Haselnüsse, fast alle noch in ihren grün-
lichgrauen Barthüllen, nur einzelne, überreife, lagen ausgefallen
lose umher. Der weg führte just den alten Stcigenbergcr vorüber
und vergleichend mit seinem Gartcubcstaude betrachtete er die
verkäuflichen Dbstsorten. Da . . . „ja. was is denn da" . . . Hasel-
nüsse . . . und was für schöne, gerade solche, wie sic in seinem
Garten ivachsen. „Nun," sagte er zu der Frau, die ihm gleich
mit: ,was geht Eahna ab, Herr Apotheker?' iu's Wort fiel,
„was kostet ein Pfund?" Et-
was ungläubig schaute die Alte,
daun sagte sie . . . „Fünfund-
zwanzig Pfennig, Herr Apothe-
ker." — „Wieviel Pfund sind im
Körbchen?" forschte Steigcnbcr-
ger weiter. - „werden guat drei-
ßig Pfund sei'", erwiderte die
Mbstlerin. — „Gut," warf der
Alte ein, „ich kauf' sic" ... zog
seinen perlgestickten Zugbeutel
und zahlte ruhig seine sieben
Mark und fünfzig Pfennig mit
dem Bemerken, daß er sic holen
Lasse. „Ja . . . aber . . ." sagte
die erstaunte Verkäuferin und
machte ein noch nnglänbigeres
Gesicht als vorher .ja vcr-

L
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die teueren Nüsse"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Verschlagwortung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stockmann, Hermann
Entstehungsdatum
um 1916
Entstehungsdatum (normiert)
1911 - 1921
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Weltkrieg <1914-1918>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Fliegende Blätter, 144.1916, Nr. 3683, S. 110

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