Mutter Erde.
183
Sic setzten sich mit leichtem Gruß zu dem Feldgrauen an den
Tisch, I'estellten ihren Kaffee mit kondensierter Milch und ihren
„Kricgsknchen" und nahmen willig die verschiedenen illustrierten
Zeitschriften zur khand, die ihnen ein geschäftiger Kcllnerlchrling
»nermüdlich hcrbcischleppte.
„Ach" — meinte da die eine und zeigte der andern ein
Bild — „sich' nur die Ärmsten, wie sie aus dem Schützengraben
zuruckkomme», von unten bis oben mit Lehm bedeckt, in eine
förmliche Schmutzkrustc cingehüllt — das muß doch entsetzlich sein!"
Im Fluge streifte der Blick des Feldgrauen die beiden Damen
die von oben bis unten tadellos gekleidet waren, nicht ein Stäubchen
auf den hochmodernen Kleidern.
Die andere schüttelte sich. „Unerträglich!" seufzte sie. ..Gut.
daß die Leute vollkommen dabei abgestumpft werden sie könn-
ten es sonst nicht anshalten!"
„Möglich!" sagte da der „stumpfsinnige" Feldgraue - mau
wußte eigentlich nicht recht, ob zu ihnen oder zu sich selber.
„Möglich, daß viele dabei vollkommen abgestumpft werden und
daß sie das alles leichter ertragen läßt! Manch einer aber denkt
I>ch auch wieder sogar recht viel dabei und erträgt'? gerade da
durch eher — je nachdem! Die Menschen sind verschieden!"
„lvirklich? I" riefen sic da beide interessiert wie aus einem
Wunde. „Fa, was kann man sich denn dabei auch noch Erträa
iiches denken?!"
„Man kann sich denken" entgcgnete der Feldgraue freund
lich und ruhig — „daß das dieselbe Mutter Erde ist wie im
lfeimatland, für das wir jetzt Stunde um Stunde draußen kämpfen,
jung und alt, kernig und schwächlich, ledig und verheiratet, arm
und reich! Dieselbe Mutter Erde, die jetzt zu Baus - weil mir
geduldig draußen liegen in Frost und Unwetter, im Kugelregen
und Schrapncllhagel, in der Minen- und Fliegcrgefahr — ruhig
bebaut werden kann und Frühlingstriebe zeitigt, Getreide und
Kartoffel. Brot für unsere Kinder und Frauen! Dieselbe Mutter
Erde. auf der unsere lieben Kinder gesegnet und friedlich heran
wachsen, weil wir für sie uns von der Kälte durchschüttcln, vom
Kegen dnrchnässen lassen, weil wir dabei den lfnngcr, den Durst,
das Fieber, den Rheumatismus ertragen I Dieselbe Mutter Erde,
unter der so viele unserer besten Kameraden ruhe», die ihr Leben
für das Vaterland geopfert haben I Dieselbe Mutter Erde, auf
der gerade jetzt so viele unserer besten Kameraden wund und
stöhnend harren, bis sie das Rote Kreuz anfsindct und in das
Lazarett bringt! Dieselbe Mutter Erde, unser Böchstcs und Bestes,
auf deren heimatlichen Grund mir noch einmal froh nnd siegreich
nach hart erkämpftem Frieden den Fuß zu setzen hoffen! . . . .
Das ungefähr ist es, was die gelbbraune Erdkruste, die draußen
im Schützengraben allmählich den ganzen Körper überzieht, leichter
und besseren Mutes ertragen lernt." ...
Er schwieg nnd schaute wieder ruhig nnd anscheinend qe
dankenlos vor sich hin. Still, mit einer Art Ehrfurcht betrachteten
sie ihn. „Stumpfsinnig" schien er keiner mehr. . . .
Milbelm Herbert.
(l>rin ^£>infrnfd!»;.
xr^cL Dcr traute a i i u f c r. 'SK5>~
Mch hielt cs für ein Kleinod stets
! Und glaubte ohne Wanken,
Der Goldgehalt des Schreibgeräts
verleihe Goldgedanken.
3ehl aber zeigt es Wcllingglanz,
Und ohne viel Gedenken
Wollt' ich zum Wohl des Vaterlands
Wein Iah dein Staate schenken.
Doch kläglich fiel die Prüfung aus:
„Wein Herr — nur Zinkhledi leider!“. .
Ich trug mein Tintenfass nach Haus'
Und schreibe biedrem weiter.
Krampus
i 181 i c b c r n ii f n fl 1) ni c bei her frei-
willigen 7v c li c r tu c I) r.
Ho mmnubaut lz» einem Bewerber :
"2'öao, Tn willst zur Feuerwehr? Bier trinkst
^ knn'S, .Hegelschieben lnnnst T' net, tanzen
inimft X’ net und Mädel schaust X' a' lan'c-
Geh', schäm' Ti'! Solche Leut' Iduna
H'ir in itnser'iu Verein net brauchen."
3 in wer d e r s e l b e.
„Der Professor Angst man» ist bodi ein
origineller »anz: erst gratuliert er mir zur
Verlobung meiner Tochter nnb bann hält er
iii» sie nii."
he: zn'va Marli für dos Ala scheel Medizin, und schlecht eing'schenlt iS an' no'!"
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Sic setzten sich mit leichtem Gruß zu dem Feldgrauen an den
Tisch, I'estellten ihren Kaffee mit kondensierter Milch und ihren
„Kricgsknchen" und nahmen willig die verschiedenen illustrierten
Zeitschriften zur khand, die ihnen ein geschäftiger Kcllnerlchrling
»nermüdlich hcrbcischleppte.
„Ach" — meinte da die eine und zeigte der andern ein
Bild — „sich' nur die Ärmsten, wie sie aus dem Schützengraben
zuruckkomme», von unten bis oben mit Lehm bedeckt, in eine
förmliche Schmutzkrustc cingehüllt — das muß doch entsetzlich sein!"
Im Fluge streifte der Blick des Feldgrauen die beiden Damen
die von oben bis unten tadellos gekleidet waren, nicht ein Stäubchen
auf den hochmodernen Kleidern.
Die andere schüttelte sich. „Unerträglich!" seufzte sie. ..Gut.
daß die Leute vollkommen dabei abgestumpft werden sie könn-
ten es sonst nicht anshalten!"
„Möglich!" sagte da der „stumpfsinnige" Feldgraue - mau
wußte eigentlich nicht recht, ob zu ihnen oder zu sich selber.
„Möglich, daß viele dabei vollkommen abgestumpft werden und
daß sie das alles leichter ertragen läßt! Manch einer aber denkt
I>ch auch wieder sogar recht viel dabei und erträgt'? gerade da
durch eher — je nachdem! Die Menschen sind verschieden!"
„lvirklich? I" riefen sic da beide interessiert wie aus einem
Wunde. „Fa, was kann man sich denn dabei auch noch Erträa
iiches denken?!"
„Man kann sich denken" entgcgnete der Feldgraue freund
lich und ruhig — „daß das dieselbe Mutter Erde ist wie im
lfeimatland, für das wir jetzt Stunde um Stunde draußen kämpfen,
jung und alt, kernig und schwächlich, ledig und verheiratet, arm
und reich! Dieselbe Mutter Erde, die jetzt zu Baus - weil mir
geduldig draußen liegen in Frost und Unwetter, im Kugelregen
und Schrapncllhagel, in der Minen- und Fliegcrgefahr — ruhig
bebaut werden kann und Frühlingstriebe zeitigt, Getreide und
Kartoffel. Brot für unsere Kinder und Frauen! Dieselbe Mutter
Erde. auf der unsere lieben Kinder gesegnet und friedlich heran
wachsen, weil wir für sie uns von der Kälte durchschüttcln, vom
Kegen dnrchnässen lassen, weil wir dabei den lfnngcr, den Durst,
das Fieber, den Rheumatismus ertragen I Dieselbe Mutter Erde,
unter der so viele unserer besten Kameraden ruhe», die ihr Leben
für das Vaterland geopfert haben I Dieselbe Mutter Erde, auf
der gerade jetzt so viele unserer besten Kameraden wund und
stöhnend harren, bis sie das Rote Kreuz anfsindct und in das
Lazarett bringt! Dieselbe Mutter Erde, unser Böchstcs und Bestes,
auf deren heimatlichen Grund mir noch einmal froh nnd siegreich
nach hart erkämpftem Frieden den Fuß zu setzen hoffen! . . . .
Das ungefähr ist es, was die gelbbraune Erdkruste, die draußen
im Schützengraben allmählich den ganzen Körper überzieht, leichter
und besseren Mutes ertragen lernt." ...
Er schwieg nnd schaute wieder ruhig nnd anscheinend qe
dankenlos vor sich hin. Still, mit einer Art Ehrfurcht betrachteten
sie ihn. „Stumpfsinnig" schien er keiner mehr. . . .
Milbelm Herbert.
(l>rin ^£>infrnfd!»;.
xr^cL Dcr traute a i i u f c r. 'SK5>~
Mch hielt cs für ein Kleinod stets
! Und glaubte ohne Wanken,
Der Goldgehalt des Schreibgeräts
verleihe Goldgedanken.
3ehl aber zeigt es Wcllingglanz,
Und ohne viel Gedenken
Wollt' ich zum Wohl des Vaterlands
Wein Iah dein Staate schenken.
Doch kläglich fiel die Prüfung aus:
„Wein Herr — nur Zinkhledi leider!“. .
Ich trug mein Tintenfass nach Haus'
Und schreibe biedrem weiter.
Krampus
i 181 i c b c r n ii f n fl 1) ni c bei her frei-
willigen 7v c li c r tu c I) r.
Ho mmnubaut lz» einem Bewerber :
"2'öao, Tn willst zur Feuerwehr? Bier trinkst
^ knn'S, .Hegelschieben lnnnst T' net, tanzen
inimft X’ net und Mädel schaust X' a' lan'c-
Geh', schäm' Ti'! Solche Leut' Iduna
H'ir in itnser'iu Verein net brauchen."
3 in wer d e r s e l b e.
„Der Professor Angst man» ist bodi ein
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iii» sie nii."
he: zn'va Marli für dos Ala scheel Medizin, und schlecht eing'schenlt iS an' no'!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der kranke Trinker"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1916
Entstehungsdatum (normiert)
1911 - 1921
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 144.1916, Nr. 3689, S. 183
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg