Fragment aus einer schwäbischen Herbstprcdigt. 147
ist net wohr, denn wie mancher mueß die ewig Rueh dem
Apotheker oft um's theuer Geld ahkause und so z'saget 's
Schlofgeld zum Voraus zahln, als wie e' reisender Handwerks-
bursch. —
Heut könnt' ih aber au e Theil von euch e' Schlofgeld
anrechne', und ih thues au, und der Opserstock vor der Kirche-
thüre soll's einnehme. Vcrgcßt's fein net, hcnt ihr's g'hört?
— Ja, der arm Stock ist so vcrlaffe von euch, daß schon
weiß net wie lang e' Spinne drinn haust, und des sein Netz
grad 'über das Loch wo mer's Opfergeld nein thun sollt, g'sponne
hat, so daß der Stock gleichsam sein Kunkel ischt, wo sich's
sein Brod mit Muckegarnspinne selber dran verdient.
Dui Mahning geht aber net blos die andächtige Schlof-
haubc an, sondern älle die gc'kömmct; denn des ischt der wahre
Dank, den mer für den Seege von obe bringe kann, daß mer
de Bedürftige, dene der Hunger im Bauch drinn sitzt, als wie
dui Spinne im Opferstock, dervon zuekomme läßt.
Ih muß euch aber doch z'erscht frage, als wie am Neu-
jahr beim Grueß, was der Dank eigentlich ist? und ih denk,
ihr werdet mich am beste versteh', wenn ih euch sag', was
Undank ischt. Und des ist c schwarzer, alter, kalter, rauchi-
ger, rueßiger, schlechter, eiserner Ose, der trotz ällem Schüre'
net warm zeit.
Loider bschämt oft e' Thier manche' Mensche' im Danke,
denn bei wie viel wurd d'Wohlthat in Sand g'schriebe? Aber
wenn vim ebbes Bös vom andern widerfahrt, des grabt sich
in d'Gedächtnuß-Tafel ein, als wie so en' Name, den mer do
und dort im Wald in d'Bomrinde unnöthiger Weis ncin-
g'schnitte findet, und wo dernoch der Einschnitt mit dem Bom
I fortwachst.
Ih bitt euch, machet mir keine so Kerbhölzer aus eure
Herze, und säet Liebe in den alte' Sorgenacker, d'Welt! Dui
allein macht gleich und reich. — Der Reich soll freigebig und
der Arm' dienstfertig sein; denn reich könnet amol net all
z'mol sein; ja, g'setzt de' Fall — e« wäret in dem Auge'blick
wo ich des sag, die irdische Güetcr unter die viele Millione'
Mensche gleich vcrthailt, daß älle gleich vcrmöglich wäret, reich
will ih net sage, denn reich ischt doch nur der, der z'friedc ischt,
ob er noh sein Durst mit der hohle Hand aus cm Bach stillt,
oder Burgunder aus cme goldene Becher schlurft. „Denn
Mancher ist arm bei großem Guet, und Mancher ist reich bei
seiner Armuth."
Also sag ih nur noh des, daß, wenn jetzt Aelles gleich
»erthailt wär', so wär's doch bis uf de Obed schon wieder un-
gleich, denn der Wirth hält' z. B. bis umc Sicbene oder
Achte schon wieder mehr Vermöge, als Mancher von euch,
»erstände? — Und im e' Johr ging durch G'wohnet, Leibe-
schaft, Fleiß, Faulheit, Verstand und Unverstand, Bosheit und
Herzensgüete, Leichtsinn und Sorge, Geschick, Glück und Unglück
alles wieder im alte Lois.
Und >8. zum Wohlthun braucht mer net ällemol Reich-
tum, denn mer kann oft mit eine Trunk Wasser, jo, mit cme
Wvrtle und oft sogar mit Stillschwcige' Werk' der Barmher-
stgkeit übe. Und do will ih jetzt glei mit guetem Beispiel
fürgehn, denn Reden ist Silber, aber zu rechter Zeit schweige»
ist lauteres Gold! Amen.
Und jetzt zum Beschluß könnet ihr das Versle singe:
„Wenn alle Leute wären gleich,
Und wären alle sämmtlich reich,
Und wären all zu Tisch gesessen,
Wer wollte auftragen Trinken und Esse»."
Die Menagerie.
Frau (zornig beim Fenster hinaus aus ihre» vorbei-
gehendcn Mann rufend.) „Was? Tu besoffener Schlingel,
hast g'sagt Tu gingest bloß in d'Menageric? Statt dem kommt
das Rabenaas wieder aus'n Wirthshaus!"
Mann. „Ganz richtig, Schätzer!, in d'Mcnagcrie.
Sichst, z'erst bin i zum Schwan gangen, da war der Wein
so passabel, aber's Bier sauer, so geh' ich d'rauf zum Lamm,
wo's Bier sich trinken laßt, aber der Wein sauer ist. Das
G'söff hat mi so stark in der Gurgel kratzt, daß ich, um net
heiser z'wcr'n, beim Hirschen a bisserl neing'schaut Hab';
weil aber das lange Herumgch'n Appetit macht, dacht' ich mer:
mußt do 'n Ochsen heimsuchen, da bringcns mer unglücklicher-
weis so zähe Cotelettcr, daß mer d'Gall' aufg'stiegen is, die i
beim Elephanten 'nuntergschwemmt Hab'; damit sich aber
die G'schicht' im Magen gehörig setzt, war glücklicherweis der
Bock glei in der Näh'; jetzt is aber d'Müdigkcit über mi
kommen, drum Hab' i mi beim Löwen a bisserl ausg'rast,
aber erst beim Pfau so weit restaurirt, daß ich mich bei der
Enten Hab' entschließen können, den Affen unterwegs noch
mitz'nehmen, und jctz' wollt' i just zu der Katz', um z'sch'n,
wie's mit mein Nachtmahl heut' ausschau'n wird!"
Scenen vor dem Glückshafen zu München,
oder die Laune» des Glücks.
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ist net wohr, denn wie mancher mueß die ewig Rueh dem
Apotheker oft um's theuer Geld ahkause und so z'saget 's
Schlofgeld zum Voraus zahln, als wie e' reisender Handwerks-
bursch. —
Heut könnt' ih aber au e Theil von euch e' Schlofgeld
anrechne', und ih thues au, und der Opserstock vor der Kirche-
thüre soll's einnehme. Vcrgcßt's fein net, hcnt ihr's g'hört?
— Ja, der arm Stock ist so vcrlaffe von euch, daß schon
weiß net wie lang e' Spinne drinn haust, und des sein Netz
grad 'über das Loch wo mer's Opfergeld nein thun sollt, g'sponne
hat, so daß der Stock gleichsam sein Kunkel ischt, wo sich's
sein Brod mit Muckegarnspinne selber dran verdient.
Dui Mahning geht aber net blos die andächtige Schlof-
haubc an, sondern älle die gc'kömmct; denn des ischt der wahre
Dank, den mer für den Seege von obe bringe kann, daß mer
de Bedürftige, dene der Hunger im Bauch drinn sitzt, als wie
dui Spinne im Opferstock, dervon zuekomme läßt.
Ih muß euch aber doch z'erscht frage, als wie am Neu-
jahr beim Grueß, was der Dank eigentlich ist? und ih denk,
ihr werdet mich am beste versteh', wenn ih euch sag', was
Undank ischt. Und des ist c schwarzer, alter, kalter, rauchi-
ger, rueßiger, schlechter, eiserner Ose, der trotz ällem Schüre'
net warm zeit.
Loider bschämt oft e' Thier manche' Mensche' im Danke,
denn bei wie viel wurd d'Wohlthat in Sand g'schriebe? Aber
wenn vim ebbes Bös vom andern widerfahrt, des grabt sich
in d'Gedächtnuß-Tafel ein, als wie so en' Name, den mer do
und dort im Wald in d'Bomrinde unnöthiger Weis ncin-
g'schnitte findet, und wo dernoch der Einschnitt mit dem Bom
I fortwachst.
Ih bitt euch, machet mir keine so Kerbhölzer aus eure
Herze, und säet Liebe in den alte' Sorgenacker, d'Welt! Dui
allein macht gleich und reich. — Der Reich soll freigebig und
der Arm' dienstfertig sein; denn reich könnet amol net all
z'mol sein; ja, g'setzt de' Fall — e« wäret in dem Auge'blick
wo ich des sag, die irdische Güetcr unter die viele Millione'
Mensche gleich vcrthailt, daß älle gleich vcrmöglich wäret, reich
will ih net sage, denn reich ischt doch nur der, der z'friedc ischt,
ob er noh sein Durst mit der hohle Hand aus cm Bach stillt,
oder Burgunder aus cme goldene Becher schlurft. „Denn
Mancher ist arm bei großem Guet, und Mancher ist reich bei
seiner Armuth."
Also sag ih nur noh des, daß, wenn jetzt Aelles gleich
»erthailt wär', so wär's doch bis uf de Obed schon wieder un-
gleich, denn der Wirth hält' z. B. bis umc Sicbene oder
Achte schon wieder mehr Vermöge, als Mancher von euch,
»erstände? — Und im e' Johr ging durch G'wohnet, Leibe-
schaft, Fleiß, Faulheit, Verstand und Unverstand, Bosheit und
Herzensgüete, Leichtsinn und Sorge, Geschick, Glück und Unglück
alles wieder im alte Lois.
Und >8. zum Wohlthun braucht mer net ällemol Reich-
tum, denn mer kann oft mit eine Trunk Wasser, jo, mit cme
Wvrtle und oft sogar mit Stillschwcige' Werk' der Barmher-
stgkeit übe. Und do will ih jetzt glei mit guetem Beispiel
fürgehn, denn Reden ist Silber, aber zu rechter Zeit schweige»
ist lauteres Gold! Amen.
Und jetzt zum Beschluß könnet ihr das Versle singe:
„Wenn alle Leute wären gleich,
Und wären alle sämmtlich reich,
Und wären all zu Tisch gesessen,
Wer wollte auftragen Trinken und Esse»."
Die Menagerie.
Frau (zornig beim Fenster hinaus aus ihre» vorbei-
gehendcn Mann rufend.) „Was? Tu besoffener Schlingel,
hast g'sagt Tu gingest bloß in d'Menageric? Statt dem kommt
das Rabenaas wieder aus'n Wirthshaus!"
Mann. „Ganz richtig, Schätzer!, in d'Mcnagcrie.
Sichst, z'erst bin i zum Schwan gangen, da war der Wein
so passabel, aber's Bier sauer, so geh' ich d'rauf zum Lamm,
wo's Bier sich trinken laßt, aber der Wein sauer ist. Das
G'söff hat mi so stark in der Gurgel kratzt, daß ich, um net
heiser z'wcr'n, beim Hirschen a bisserl neing'schaut Hab';
weil aber das lange Herumgch'n Appetit macht, dacht' ich mer:
mußt do 'n Ochsen heimsuchen, da bringcns mer unglücklicher-
weis so zähe Cotelettcr, daß mer d'Gall' aufg'stiegen is, die i
beim Elephanten 'nuntergschwemmt Hab'; damit sich aber
die G'schicht' im Magen gehörig setzt, war glücklicherweis der
Bock glei in der Näh'; jetzt is aber d'Müdigkcit über mi
kommen, drum Hab' i mi beim Löwen a bisserl ausg'rast,
aber erst beim Pfau so weit restaurirt, daß ich mich bei der
Enten Hab' entschließen können, den Affen unterwegs noch
mitz'nehmen, und jctz' wollt' i just zu der Katz', um z'sch'n,
wie's mit mein Nachtmahl heut' ausschau'n wird!"
Scenen vor dem Glückshafen zu München,
oder die Laune» des Glücks.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Scenen vor dem Glückshafen zu München, oder die Launen des Glücks"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Glückshafen <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 20.1854, Nr. 475, S. 147
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg