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35 if verunglückte

Da der erste und Hauptzweck meines Besuches war, j
Marie» kennen zu lernen, so hatte ich sie bald in ein Ge-
spräch verwickelt, in welchem sie nicht nur eine ganz anständige
Dosis von Geist, sondern auch jene Unbefangenheit zeigte,
welche gewöhnlich i» kleineren Städten nicht zu finden ist,
obwohl sie zu einer irgend wie anregenden Unterhaltung nicht
entbehrt werden kann.

Nach einem nicht zu langen Verweilen, während dessen
mein Gcheimrath ein lustiges Evoi'^a nach dem ander» ge-
rufen hatte, entfernte ich mich mit der festen Ucbcrzcugung,
daß ich mich nie in diese gemüthlichc Brünette werde verlie-
ben können, aber auch mit dem unverbrüchlichen Vorjatz, sic
durch eine eheliche Verbindung zu beehren und zu beglücken.

Eine Fortsetzung der eben in Scene geletzten Visitation
war somit unnöthig geworden, und ich war wirklich darüber
keineswegs erzürnt. Dafür aber wurden allmählig nach einem,
wie ich glaubte, nicht zu crrathcndcn Plane meine Visiten bei
Zahlmanns immer häufiger und in demselben Vcrhältniß auch
länger. Zch hatte nämlich die gewiß gute Abpcht, meine Er-
lesene solle sich zuerst ein wenig verlieben, und dann würde
es nicht schwer sein, etwaige Hindernisse, die sich da entgegen-
zustcmmen vielleicht so kühn wäre», mit ihrer und des kleinen
blinden Gottes Hilfe zu überwinden. Indessen: der Schwieger-
sohn in sxs denkt, und der Schwiegervater in spe lenkt.

Es war wieder ei» Sonntagsmorgcn und eine eisige durch-
sichtige Kälte hatte alles Leben erstarrt. Ich war eben aufge-
standcn, und saß bei dem selbst bereiteten Milchkaffee, indem
ich denkwürdige und jedenfalls höchst philosophische Betrach-
tungen über die Schlechtigkeit desselben, sowie über fehlende
Hcmdknöpse, mit sich selbst zerfallene Strümpfe und dergl.
und die sohinnigc Nothwcndigkeit einer Hausfrau anstellte. !
Daß sich hieran durch unvermeidliche Zdeenassoziation stille
Gratulationen über meine Erfolge in Mariens Herzen knüpften,

Brautwerbung. 139

Erfolge, welche unläugbar in ihren feurigen braunen Aeuglcin
zu lesen waren, wird jeder von Euch bereits crrathcn haben.
Zch baute also die schönsten Luftschlösser und ergab mich meiner
Euch wohl noch erinnerlichen Gewohnheit zu träumen, als
ich plötzlich durch ein: „Ach, Sie sind doch wach!" geweckt wurde
und Herr Zahlmann vor mir stand, der mit der freundlichsten
Miene von der Welt sagte: „Zch bitte tausend Mal um Ent-
schuldigung, daß ich sic störe, aber man hatte mir gesagt, daß
Sie zu Hause und bereits ausgestandcn seien, und da ich auf
dreimaliges Klopfen keine Antwort erhielt, so habe ich mir
die Freiheit genommen, einzutrctcn. Zch war Anfangs so über-
rascht, daß ich der festen Ueberzcugung war, ich müsse meine
eben gehabten Gedanken laut ausgesprochen und Herr Zahl- j
mann mich gehört haben, er komme daher jetzt, um mir ähn- j
lichc Gedanken und sein Haus für immer zu verbieten. Bald
jedoch war ich so glücklich, die lächerliche Statur dieser Ucber-
zeugung zu erkennen, ich faßte mich also und erwiderte: „O,
ich bitte ..., keine Entschuldigung, cs ist mir eine unschätz-
bare Ehre, ich bin ungeheuer erfreut re."

Meine Physiognomie mußte indessen während aller dieser
stillen Betrachtungen einen so dummen und: „welcher Teufel
führt denn Dich daher?" fragenden Ausdruck angenommen ha-
ben, daß mein Besuch, gleichsam als Antwort auf diese aller-
dings unhöfliche Frage, sogleich bemerkte: „Wenn dem so ist,
so werde ich Sic mit der Absicht bekannt machen, welche mich
hieher führt. Ich bin weder Diplomat noch Zurist, habe auch
kein Talent zu diesen beiden höchst chrcnwcrthen Ständen,
sondern ich bin ein simpler Kaufmann, und daher gewöhnt,
gerade aus auf ein vorgcstccktes Ziel loszugehcn. Dieß zur
Entschuldigung, wenn ich Sic vor Allem bitte, jedes Wort,
das ich sagen werde, als wahr hinzunehmen, und mir durch-
aus keine andere als die offenste und ehrlichste Absicht untcr-
zulcgen und ebenso mir zu versprechen, daß auch Sic für den
Augenblick die von ihrem Berufe sonst etwa geforderte Feind-
schaft mit der Wahrheit bei Seite setzen, und mir vollkommen
reinen Wein einschenken."

Meine Verlegenheit war wieder zurückgekehrt, größer als
je, ich stammelte also: „O, mein Herr, rücksichtlich des ersten
Punktes bi» ich von Ihrer Wahrhaftigkeit so überzeugt, als
möglich, und was mich betrifft, so war ich nie ei» Freund
der Lüge, und bin es auch jetzt »och nicht, obschon das Vor-
urtheil gegen unser» Stand ein sehr verbreitetes ist."

„Nun, so bitte ich, mir zu antworten. Zch habe Zhrc
Absicht rücksichtlich meiner Marie schon seit längerer Zeit er-
rathen, und frage Sie daher auf Zhr Gewissen: Haben Sie
den ernstlichen Willen, meine Tochter zu heirathen." Meine
leicht begreifliche Verlegenheit war fortwährend gewachsen, und
hatte bereits riesige Dimensionen angenommen; doch diese
Frage brachte mich auf die ganze Höhe meines Sclbftbcwußt-
seins zurück, so daß ich mit einem herzhaften „Ja" antwortete.

(Schluß folgt.)

18*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die verunglückte Brautwerbung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Tochter <Motiv>
Brautwerbung
Herr <Motiv>
Laube
Karikatur
Vater <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 29.1858, Nr. 696, S. 139

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