82 D er schlci
hat; doch fein Plan war gut und hievon soll uns die Folge
überzeugen.
Nach einigen Tagen rief der Wirth sein Hausgesinde
zusammen, erklärte ihnen, daß er eine weite Reise nach Ame-
rika machen müsse, um eine reiche Erbschaft zu erheben und
ermahnte sie zu Fleiß und Treue, mit dem Versprechen reich-
licher Belohnung nach seiner Rückkehr; von dem Zwecke seiner
Reise sollten sie indessen Niemanden Etwas wissen lassen.
Aber am Abende schon sprachen die Mägde von dem Glücke
des Schifswirthes, die Nachbarinen wußten jede Etwas bei
der Schifswirthin zu holen und nebenbei anzufragen, ob denn
der Wirth fort nach Amerika sei. Die Bürger sprachen einer
um den andern zum Trünke zu, ja selbst die Beamten, der
Polizeidiener und Nachtwächter, kamen zum Gratuliren zu dem
unverhofften Glücke. Die Wirthin biß sich freudig in die Lip-
pen ob des zahlreichen Zuspruchs, und erkannte deutlich in
der servilen Freundlichkeit der Nachbarn, daß selbe bald einen
Göd oder Godl (Pathe, Pathiu) bedürften. Unterdessen kommt
ein Brief aus Hamburg an, worin der Wirth kund gibt, daß
er bereits unter Segel gegangen, nebenbei seine großartige
Reise schildert, und schließlich seiner Gattin Liebe und Treue
versichert, was er auch von ihr verlangt.
„Der Schisfwirth hat geschrieben!" schrie Einer dem
Andern auf der Straße zu, „da müssen wir heute schon hin-
gehen, um Etwas zu erfahren; nun der kann jetzt was sehen
und erleben!"
Lange ließ der Wirth nichts mehr von sich hören, die
Gäste begannen schon wieder, sich in den verschiedenen Gast-
häusern zu zerstreuen, da so Manche aus Geschäftsgrüudeu
nicht auf einer Bank sitzen mochten.
Um diese Zeit besuchte der fremde Rathgeber die Wir-
thin, ermunterte sie anszuharren, und übergab ihr einige
Zeitungsblätter. Die Wirthin hüllte sich in Trauerkleider,
und stellte sich untröstlich bei der Wahrscheinlichkeit, daß ihr
Mann bei den häufigen Schiffbrüchen, wovon in den Blättern
zn lesen war, verunglückt sei. Die vermeinte schöne Wittwe
fand bald Tröster in Masse, denn das Geschäft hatte sich
schon bedeutend gehoben und die Erbschaft konnte ja noch
immer cintreffen. Allseits wurde von dem tragischen Schicksal
des Schiffwirths, nicht minder aber von der schönen Hochzei-
terin gesprochen, die Zechen wurden täglich thcurer, ihre An-
beter ans Gefallsucht täglich verschwenderischer, indem sie Jene
zu begünstigen schien, die das meiste Geld bei ihr sitzen lie-
ßen. So ward ihre Trauer bald verscheucht, und erfreut
über ihr stets wachsendes Geschäft, war sie guter Laune, die
sich mancher ihrer Anbeter zu Gunsten deutete.
Unterdessen befand sich unser Wirth in Hamburg sehr
wohl, er besah sich die Schisse, fuhr auch einmal nach Hel-
goland und leistete Marqnenrs-Dienste, um möglichst in der
modernen Wirthschaft zu profitiren. Als er nun gar einige
Schiffbrüchige kennen lernte, faßte er den festen Entschluß, als
Solcher heinizukehren, ließ sich genau deren Geschichte und
Erlebnisse erzählen, ja kaufte sich sogar eine Landkarte, um
seine Rolle auch geographisch inue zu haben. Mitten nun
ne Wirth.
unter der Brauthetze kommt der Schisfwirth an, ganz im Co-
stüme und in der Verfassung eines Schiffbrüchigen. Seine
Gemahlin, wohl schwerlich angenehm überrascht, da sie in der
That nahe daran war, Bezirksgerichtsdirektorin zu werden und
schon Tag und Nacht davon träumte, wie sie es dann den
andern Frauen zeigen und fühlen lassen werde, bemerkte so-
gleich, daß er nicht allein sei, und ein üppiges Mädchen zur
Begleiterin habe. Der Wirth stellte seiner Frau in derselben
seine Leidensgenossin vor, die allein mit ihm dem Wassertode
entgangen, und die er zum Andenken an die gemeiusehaftliche
Rettung auch in sein Haus aufnehmen wolle.
Auf die Kunde von der Ankunft des Wirthes strömt
Alles in das Gasthaus zum goldenen Schiffe und während
sich die Meisten um den Wirth schaaren, muß die Frau Wirthin
zuseheu, wie die blonde Schiffbrüchige der Gegenstand der
Aufmerksamkeit und Verehrung ihrer Anbeter wurde, welche
ob der Rückkunft des Wirthes, wie begossene Pudel abziehend,
sich an der schönen Abenteuerin, die ja auch von hohem Staude
und reichem Geschlechte sein könne, zu rcvanchiren suchten.
Nun mußte der Wirth erzählen; schon lange vorbereitet,
schildert er nun die schönen Städte, die er gesehen, das Meer
und die schönen Schiffe, wohl zehnmal so groß, als die Kirche;
dann die Schrecknisse des Sturmes, die Verzweiflungs- und
Todessceueu des Schiffbrnches, und dieß Alles mit solchem
Pathos, daß seine leichenblassen Zuhörer sich nicht zu räuspern
getrauten.
„Und wie steht's mit der Erbschaft?" fragen Mehrere
unisono.
„Nachdem wir nun, ich und meine Begleiterin, ans ei-
hat; doch fein Plan war gut und hievon soll uns die Folge
überzeugen.
Nach einigen Tagen rief der Wirth sein Hausgesinde
zusammen, erklärte ihnen, daß er eine weite Reise nach Ame-
rika machen müsse, um eine reiche Erbschaft zu erheben und
ermahnte sie zu Fleiß und Treue, mit dem Versprechen reich-
licher Belohnung nach seiner Rückkehr; von dem Zwecke seiner
Reise sollten sie indessen Niemanden Etwas wissen lassen.
Aber am Abende schon sprachen die Mägde von dem Glücke
des Schifswirthes, die Nachbarinen wußten jede Etwas bei
der Schifswirthin zu holen und nebenbei anzufragen, ob denn
der Wirth fort nach Amerika sei. Die Bürger sprachen einer
um den andern zum Trünke zu, ja selbst die Beamten, der
Polizeidiener und Nachtwächter, kamen zum Gratuliren zu dem
unverhofften Glücke. Die Wirthin biß sich freudig in die Lip-
pen ob des zahlreichen Zuspruchs, und erkannte deutlich in
der servilen Freundlichkeit der Nachbarn, daß selbe bald einen
Göd oder Godl (Pathe, Pathiu) bedürften. Unterdessen kommt
ein Brief aus Hamburg an, worin der Wirth kund gibt, daß
er bereits unter Segel gegangen, nebenbei seine großartige
Reise schildert, und schließlich seiner Gattin Liebe und Treue
versichert, was er auch von ihr verlangt.
„Der Schisfwirth hat geschrieben!" schrie Einer dem
Andern auf der Straße zu, „da müssen wir heute schon hin-
gehen, um Etwas zu erfahren; nun der kann jetzt was sehen
und erleben!"
Lange ließ der Wirth nichts mehr von sich hören, die
Gäste begannen schon wieder, sich in den verschiedenen Gast-
häusern zu zerstreuen, da so Manche aus Geschäftsgrüudeu
nicht auf einer Bank sitzen mochten.
Um diese Zeit besuchte der fremde Rathgeber die Wir-
thin, ermunterte sie anszuharren, und übergab ihr einige
Zeitungsblätter. Die Wirthin hüllte sich in Trauerkleider,
und stellte sich untröstlich bei der Wahrscheinlichkeit, daß ihr
Mann bei den häufigen Schiffbrüchen, wovon in den Blättern
zn lesen war, verunglückt sei. Die vermeinte schöne Wittwe
fand bald Tröster in Masse, denn das Geschäft hatte sich
schon bedeutend gehoben und die Erbschaft konnte ja noch
immer cintreffen. Allseits wurde von dem tragischen Schicksal
des Schiffwirths, nicht minder aber von der schönen Hochzei-
terin gesprochen, die Zechen wurden täglich thcurer, ihre An-
beter ans Gefallsucht täglich verschwenderischer, indem sie Jene
zu begünstigen schien, die das meiste Geld bei ihr sitzen lie-
ßen. So ward ihre Trauer bald verscheucht, und erfreut
über ihr stets wachsendes Geschäft, war sie guter Laune, die
sich mancher ihrer Anbeter zu Gunsten deutete.
Unterdessen befand sich unser Wirth in Hamburg sehr
wohl, er besah sich die Schisse, fuhr auch einmal nach Hel-
goland und leistete Marqnenrs-Dienste, um möglichst in der
modernen Wirthschaft zu profitiren. Als er nun gar einige
Schiffbrüchige kennen lernte, faßte er den festen Entschluß, als
Solcher heinizukehren, ließ sich genau deren Geschichte und
Erlebnisse erzählen, ja kaufte sich sogar eine Landkarte, um
seine Rolle auch geographisch inue zu haben. Mitten nun
ne Wirth.
unter der Brauthetze kommt der Schisfwirth an, ganz im Co-
stüme und in der Verfassung eines Schiffbrüchigen. Seine
Gemahlin, wohl schwerlich angenehm überrascht, da sie in der
That nahe daran war, Bezirksgerichtsdirektorin zu werden und
schon Tag und Nacht davon träumte, wie sie es dann den
andern Frauen zeigen und fühlen lassen werde, bemerkte so-
gleich, daß er nicht allein sei, und ein üppiges Mädchen zur
Begleiterin habe. Der Wirth stellte seiner Frau in derselben
seine Leidensgenossin vor, die allein mit ihm dem Wassertode
entgangen, und die er zum Andenken an die gemeiusehaftliche
Rettung auch in sein Haus aufnehmen wolle.
Auf die Kunde von der Ankunft des Wirthes strömt
Alles in das Gasthaus zum goldenen Schiffe und während
sich die Meisten um den Wirth schaaren, muß die Frau Wirthin
zuseheu, wie die blonde Schiffbrüchige der Gegenstand der
Aufmerksamkeit und Verehrung ihrer Anbeter wurde, welche
ob der Rückkunft des Wirthes, wie begossene Pudel abziehend,
sich an der schönen Abenteuerin, die ja auch von hohem Staude
und reichem Geschlechte sein könne, zu rcvanchiren suchten.
Nun mußte der Wirth erzählen; schon lange vorbereitet,
schildert er nun die schönen Städte, die er gesehen, das Meer
und die schönen Schiffe, wohl zehnmal so groß, als die Kirche;
dann die Schrecknisse des Sturmes, die Verzweiflungs- und
Todessceueu des Schiffbrnches, und dieß Alles mit solchem
Pathos, daß seine leichenblassen Zuhörer sich nicht zu räuspern
getrauten.
„Und wie steht's mit der Erbschaft?" fragen Mehrere
unisono.
„Nachdem wir nun, ich und meine Begleiterin, ans ei-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der schlaue Wirth"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 36.1862, Nr. 871, S. 82
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg