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Die Nachtmütze.
und schlafen, denn bei so 'nein Wetter jagt man ja keinen
Hund aus dem Stalle."
„O ja, o ja," lispelt Bröderl seelenvergnügt, „das lhne
ich sehr gern, sehr gern; wenn Sie so freundlich sein wollen."
„Bleibe Er nur hier," erwidert die Wirthin, indem sie
wieder an ihre Arbeit geht.
Kein Mensch kümmert sich nun weiter um den Allen,
bis das Abendessen fertig ist, und die ganze Bewohnerschaft
zusammengerufen wird.
„Aber, mein Gott! Wo ist denn der Bröderl?" ruft die
Wirthin aus, als sie den für ihn bestimmten Platz noch un-
besetzt findet.
Es wird überall nach ihm gerufen, Bröderl hört aber
nicht. Jetzt werden die Leute ängstlich, da sie fürchten, daß
dem alten Manne etwas zugestoßen sein könnte, durchsuchen
Alles, Haus, Garten — Bröderl ist und bleibt verschwunden.
Da mit einem Male, als die Leute noch aufgeregt hin
und her bcrathschlagen, was nun zu thun sei, erscheint
Bröderl oben am Eingänge des Gartens, triefend wie eine
getaufte Maus, im hastigsten Tempo dahertrippelnd.
„Aber, um Alles in der Welt, Bröderl, wo hat Er
denn gesteckt?" tönt es ihm aus Aller Munde entgegen.
„Ach," keucht dieser in seiner gewohnten Freundlichkeit,
„ich habe nur daheim — meine Nachtmütze geholt — meine
Nachtmütze geholt!"
Alles kehrt w iedcr.
Vor Jahren waren wir Beide allein,
Mein Weib und ich waren noch zu Zwei'n,
Da sahen hinaus wir freudigen Blicks
Und dachten der Zukunft, des werdenden Glücks.
Doch bald ward es lebhaft am stillen Heerd,
Uns wurde der Segen des Himmels bescheert;
Da gab's keine einsamen Stunden mehr,
Der Mutter ward Arm und Wiege nicht leer.
Die Kinder hingen bei Tag und Nacht
An ihr, die sie sorgsam überwacht;
Doch wurden sie groß, sie wurden flügg',
Da ließen sie Vater und Mutter zurück.
Sie zogen hinaus, und — wieder allein
Sind jetzt, so wie ehedem, wir zu Zwei'n:
Wir schauen, wie früher, hinaus in die Zeit,
Nur geht unser Blick nicht mehr so weit. L. Mütter.
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Die Nachtmütze.
und schlafen, denn bei so 'nein Wetter jagt man ja keinen
Hund aus dem Stalle."
„O ja, o ja," lispelt Bröderl seelenvergnügt, „das lhne
ich sehr gern, sehr gern; wenn Sie so freundlich sein wollen."
„Bleibe Er nur hier," erwidert die Wirthin, indem sie
wieder an ihre Arbeit geht.
Kein Mensch kümmert sich nun weiter um den Allen,
bis das Abendessen fertig ist, und die ganze Bewohnerschaft
zusammengerufen wird.
„Aber, mein Gott! Wo ist denn der Bröderl?" ruft die
Wirthin aus, als sie den für ihn bestimmten Platz noch un-
besetzt findet.
Es wird überall nach ihm gerufen, Bröderl hört aber
nicht. Jetzt werden die Leute ängstlich, da sie fürchten, daß
dem alten Manne etwas zugestoßen sein könnte, durchsuchen
Alles, Haus, Garten — Bröderl ist und bleibt verschwunden.
Da mit einem Male, als die Leute noch aufgeregt hin
und her bcrathschlagen, was nun zu thun sei, erscheint
Bröderl oben am Eingänge des Gartens, triefend wie eine
getaufte Maus, im hastigsten Tempo dahertrippelnd.
„Aber, um Alles in der Welt, Bröderl, wo hat Er
denn gesteckt?" tönt es ihm aus Aller Munde entgegen.
„Ach," keucht dieser in seiner gewohnten Freundlichkeit,
„ich habe nur daheim — meine Nachtmütze geholt — meine
Nachtmütze geholt!"
Alles kehrt w iedcr.
Vor Jahren waren wir Beide allein,
Mein Weib und ich waren noch zu Zwei'n,
Da sahen hinaus wir freudigen Blicks
Und dachten der Zukunft, des werdenden Glücks.
Doch bald ward es lebhaft am stillen Heerd,
Uns wurde der Segen des Himmels bescheert;
Da gab's keine einsamen Stunden mehr,
Der Mutter ward Arm und Wiege nicht leer.
Die Kinder hingen bei Tag und Nacht
An ihr, die sie sorgsam überwacht;
Doch wurden sie groß, sie wurden flügg',
Da ließen sie Vater und Mutter zurück.
Sie zogen hinaus, und — wieder allein
Sind jetzt, so wie ehedem, wir zu Zwei'n:
Wir schauen, wie früher, hinaus in die Zeit,
Nur geht unser Blick nicht mehr so weit. L. Mütter.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Nachtmütze" "Alles kehrt wieder"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Schlafmütze <Motiv>
Zweisamkeit <Motiv>
Verliebtheit <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 49.1868, Nr. 1224, S. 203
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg