Die Sankt Markus-Nacht.
79
Md werde mich ändern!" Mit diesen Worten streckte er der
genaschten Gattin die Hand entgegen, welche diese hastig cr-
9eisf und mit Thrünen benetzte. Harry drückte die Weinende
sein Herz und küßte ihr die Thrünen von den Wangen.
Darüber war beinahe der Kaffee kalt geworden. Ans dem
s°hm war eine prächtige Haut; — Harry war bisher gewohnt,
j!e sofort für sich zu beanspruchen. Heute bot er sie seiner
Göttin an, die jedoch sofort protestirte und ihren Gemahl zu
gthigen suchte, dieselbe zu nehmen. Wie sonst um das Nehmen,
'° wurde nun um großmüthiges Lassen gestritten — endlich
gffzte Betty nachgeben. — Innerlich aber staunte Eins das
"vdere an ob so wunderlicher Veränderung.
Der Mittag war gekommen. Was erblickte Cooper aus
fetm
fett.
etn Teller? Ein fein gebratenes Rebhuhn, weit zarter und
er> als das gestrige gewesen. Vor Betty stand ein Stückchen
^bräuntes Rindfleisch mit Kartoffeln.
»Was soll das heißen?" fragte er ganz betroffen, „für mich
" ein — dieses Huhn? Rede offen, willst Du mich strafen
Md beschämen?"
. "Weil ich mein Betragen bereue", antwortete Betty, „will
^ Visagen, statt zu genießen, bis Du mir völlig verziehen hast!"
^ »Ach, Betty — ich verzeihe Dir ja Alles!" rief Harry, in-
eitt er aufsprang und sie in seine Arme schloß. „Nein! nein!
enn Du das Huhn nicht mit mir theilst, schmeckt's mir nicht!"
»Das wäre mir leid", erklärte Betty mit Bestimmtheit,
"n er'_ was ich gelobt habe, muß ich halten, wenn ich mich
M selbst verachten soll — deßhalb, geliebter Mann, kann
ich Deine Bitte nicht erfüllen." — So mußte, wohl oder übel,
Cooper das kleine Opfer annehmen.
Von diesem Tage an war bei den Ehegatten eine völlige
Veränderung eingetreten. Harry's Wohnung, sonst der Schau-
platz häufiger Verstimmung, kindischen Neides und lauter Streitig-
keiten, war zum Sitze der größten gegenseitigen Aufmerksamkeit
und Fürsorge, der aufrichtigsten Dankbarkeit und des schönsten
Friedens geworden — die Dämonen schienen entflohen, gute
Engel dagegen eingezogen zu sein!
Sa verflossen elf Monate. Mit jedem Tage schien die
Hingebung auf beiden Seiten zu wachsen. Ein nie zuvor ge-
kanntes Glücksgcsühl war zeitweise über ihre Herzen gekommen
— und doch — warum wechselten so oft Gefühle des Kummers
mit diesen erhabenen Stimmungen? Schien nicht eine zarte
Wehmuth, eine unsagbare Rührung ihr Gemüth zu umschweben?
Bei Harry, den der Gedanke an den baldigen Tod seiner
Gattin verfolgte, war diese Gemüthsverfafsung wohl begreiflich —
ward Betty doch von Tag zu Tage blässer und magerer, verlor
sie doch völlig den früheren, kräftigen Appetit; ihre raschen,
elastischen Bewegungen verschwanden, sie schleppte sich oft nur
mühsam fort. Sie hustete viel, zeigte sich ungemein schreckhaft
und nervös, und vor Allem hatte sich eine krankhafte Aengstlich-
keit ausgebildet, die auf's Höchste stieg, sobald ihr Gatte das
Haus verließ. In fieberhafter Erregung harrte sie seiner Wieder-
kehr. und auch dann noch ruhte ihr Auge gespannt auf Harry's
Angesicht, das allerdings den Ausdruck einer tiefen Melancholie
an sich trug und an Farbe und Rundung bedeutend verloren hatte.
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Md werde mich ändern!" Mit diesen Worten streckte er der
genaschten Gattin die Hand entgegen, welche diese hastig cr-
9eisf und mit Thrünen benetzte. Harry drückte die Weinende
sein Herz und küßte ihr die Thrünen von den Wangen.
Darüber war beinahe der Kaffee kalt geworden. Ans dem
s°hm war eine prächtige Haut; — Harry war bisher gewohnt,
j!e sofort für sich zu beanspruchen. Heute bot er sie seiner
Göttin an, die jedoch sofort protestirte und ihren Gemahl zu
gthigen suchte, dieselbe zu nehmen. Wie sonst um das Nehmen,
'° wurde nun um großmüthiges Lassen gestritten — endlich
gffzte Betty nachgeben. — Innerlich aber staunte Eins das
"vdere an ob so wunderlicher Veränderung.
Der Mittag war gekommen. Was erblickte Cooper aus
fetm
fett.
etn Teller? Ein fein gebratenes Rebhuhn, weit zarter und
er> als das gestrige gewesen. Vor Betty stand ein Stückchen
^bräuntes Rindfleisch mit Kartoffeln.
»Was soll das heißen?" fragte er ganz betroffen, „für mich
" ein — dieses Huhn? Rede offen, willst Du mich strafen
Md beschämen?"
. "Weil ich mein Betragen bereue", antwortete Betty, „will
^ Visagen, statt zu genießen, bis Du mir völlig verziehen hast!"
^ »Ach, Betty — ich verzeihe Dir ja Alles!" rief Harry, in-
eitt er aufsprang und sie in seine Arme schloß. „Nein! nein!
enn Du das Huhn nicht mit mir theilst, schmeckt's mir nicht!"
»Das wäre mir leid", erklärte Betty mit Bestimmtheit,
"n er'_ was ich gelobt habe, muß ich halten, wenn ich mich
M selbst verachten soll — deßhalb, geliebter Mann, kann
ich Deine Bitte nicht erfüllen." — So mußte, wohl oder übel,
Cooper das kleine Opfer annehmen.
Von diesem Tage an war bei den Ehegatten eine völlige
Veränderung eingetreten. Harry's Wohnung, sonst der Schau-
platz häufiger Verstimmung, kindischen Neides und lauter Streitig-
keiten, war zum Sitze der größten gegenseitigen Aufmerksamkeit
und Fürsorge, der aufrichtigsten Dankbarkeit und des schönsten
Friedens geworden — die Dämonen schienen entflohen, gute
Engel dagegen eingezogen zu sein!
Sa verflossen elf Monate. Mit jedem Tage schien die
Hingebung auf beiden Seiten zu wachsen. Ein nie zuvor ge-
kanntes Glücksgcsühl war zeitweise über ihre Herzen gekommen
— und doch — warum wechselten so oft Gefühle des Kummers
mit diesen erhabenen Stimmungen? Schien nicht eine zarte
Wehmuth, eine unsagbare Rührung ihr Gemüth zu umschweben?
Bei Harry, den der Gedanke an den baldigen Tod seiner
Gattin verfolgte, war diese Gemüthsverfafsung wohl begreiflich —
ward Betty doch von Tag zu Tage blässer und magerer, verlor
sie doch völlig den früheren, kräftigen Appetit; ihre raschen,
elastischen Bewegungen verschwanden, sie schleppte sich oft nur
mühsam fort. Sie hustete viel, zeigte sich ungemein schreckhaft
und nervös, und vor Allem hatte sich eine krankhafte Aengstlich-
keit ausgebildet, die auf's Höchste stieg, sobald ihr Gatte das
Haus verließ. In fieberhafter Erregung harrte sie seiner Wieder-
kehr. und auch dann noch ruhte ihr Auge gespannt auf Harry's
Angesicht, das allerdings den Ausdruck einer tiefen Melancholie
an sich trug und an Farbe und Rundung bedeutend verloren hatte.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Sankt Markus-Nacht"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 86.1887, Nr. 2171, S. 79
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg