Fliegende Blätter (86.1887 (Nr. 2162-2187))

1.02

Geringes Selbstvertrauen.

Gefängnißdirector: „Nun, ich Hüffe, daß wir uns
hier nicht mehr Wiedersehen werden!" — Sträfling: „Kommen
Sie denn fort von hier, Herr Dircctor?"

Der geprellte Ha ns meist er.

Studiosus Rempel, seit Jahren auf der Wiener Universität,
hat seit 3 Wochen eine neue Wohnung bezogen. Bei'm Nach-
hansegehen ist er immer einer der Letzten, und so kam es auch, daß
er den Hausmeister jede Nacht zum Thoraufsperren Herausplagen
mußte, ohne jedoch demselben auch nur einmal das usuelle Sperr-
sechserl zu geben. Der Hausmeister hatte sich, da alle seine Mahn-
ungen zur Bezahlung der rückständigen Sechserln nutzlos lvaren,
für die kommende Nacht fest vorgenommen, Monsieur Rempel gar
nicht zum Thor herein zu lassen, wenn er nicht vorher seine Schuld
bezahle.

Richtig — Punkt 1 Uhr wird unser alter Hausmeister durch
die Hausglocke aus dem Schlafe geweckt. Er kleidet sich oberflächlich
an,.um bei der enormen Kälte, die in dieser Nacht herrschte, möglichst
bald tvieder im warmen Nest zu sein. Hausmeister: „Wer ist

draußen?" — Student: „Rempel!" — Hausmeister: „Euer
Gnaden, heut' ist g'rad die 21. Nacht, daß Sie mich aus'm besten

Der geprellte Hausmeister.

Schlaf 'raussprengen und no' net Einmal haben S' mir mein Sperr-
sechserl 'geb'n!" — Student: „Machen S' nur auf, morgen bezahl'
ich Sie schon!" — Hausmeister: „Dös haben S' jetzt schon vier-
mal g'sagt und ich Hab' heut' noch nichts!" — Student: „Donner-
wetter, machen Sie auf, ich will mir bei der Hundskälte nicht auch
noch einen Katarrh zuziehen!"— Hausmeister: „Wissen S' was,
Euer Gnaden, zahlen S' mer wenigstens die Hälfte — schieben S'
mer an' Guldenzcttel als Abschlagszahlung unter'm Thor herein,
dann mach' ich auf!" — Student: „Nun ja, in Teufels Namen!"

Der Hausmeister betrachtet den Gnldenzettel bei dem Schein
seiner Handlaterne, ob er auch acht ist, und als er dies wahrge-
nommen, öffnet er, pfiffig schmunzelnd, das Hansthor und grunzt
möglichst freundlich: „Wünsch' guten Abend, Euer Gnaden!" Rempel
hält die Brieftasche noch in der Hand, und, indem er in dieselbe
hineinsieht, sagt er: „Himmel! Granaten! Donnerwetter! — jetzt
ist mir beim Herausnehmen des Guldenzettels ein Fünfer 'nunter-
g'fallen; da sind blos Sie schuld, Sic alter, mißtrauischer SchafS-
kopf! Leuchten Sie jetzt nur schnell 'raus, damit wir nachsuchcn
können!"

Ahnungslos geht der Hausmeister mit seiner Laterne vor's Thor
hinaus, sich bückend und nach dem Fünfer suchend. Diesen Moment

benützt Rempel; er tritt schnell in's Haus, schlägt das Thor zu, und
nun ist der arme Hausmeister draußen in der barbarischen Kälte.
Hausmeister (sofort seine Situation erkennend): „Herr von Rempel,
machen S' keine Dummheiten, lassen S' mich hinein!" — Student:
„Da wird nichts d'raus — wie du mir, so ich dir — nach dem
Fünfer brauchen S' nicht zu suchen, ich Hab' gar kein' verloren —
Gute Nacht!" (Er entfernt sich scheinbar.) — Hausmeister (vor
Külte schnatternd, brüllt und klopft an das Thor) : „Lieber, guter
Herr von Rempel, bedenken S' mein Alter, mein Zipperl, und