DOI Artikel:
Tietze-Conrat, Erika: Georg Ehrlichs Frauenbildnisse
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.4215#0092
GEORG EHRLICHS FRAUENBILDNISSE.
Erst muß ich selbst das Bild-
nis des Künstlers zeichnen,
bevor ich von seinen Frauenbild-
nissen sprechen kann. Die Ein-
heitlichkeit des Themas sollte
gewahrt werden, sonst hätte ich
gern zu den Frauenköpfen noch
ein Selbstbildnis Ehrlichs gege-
ben, etwa die Radierung »Narr«
oder eine kleine Zeichnung, die
vor mir steht, während ich schrei-
be. Die Auswahl ist nicht groß,
wenn man an die Fülle der
Selbstbildnisse anderer denkt.
Auf der Radierung sieht Ehrlich,
halb Kind, halb Greis, einem
Menschen gleich, der einen Nar-
ren aus sich macht. Es ist die
Maske, die er am liebsten trägt,
eineSchutzmaske.Und vielleicht
darum auch ein Ziel geworden,
eine Notwendigkeit, wie er sich
haben muß; darum vielleicht
auch manches in seinem Wesen dahin erzogen, verhärtet oder gelockert, wie es die Maske ver-
langt und wie sie es ausdrückt. Die kleine Zeichnung zeigt schon mehr; sie zeigt den Künstler,
der sich ausschöpft bis aufs letzte, der sich hingibt bis aufs letzte, der alles auslöscht, Willen und
Körper, Erlebtes und Ersehntes, damit der Weg frei wird für die Empfängnis; der in der Empfäng-
nis schmerzlich leidet und dieses Leid sinnlich genießt. Dem Weibe zunächst ist der Künstler . . .
Das sagen die Selbstbildnisse. Vom Menschen, wie er nach außen gelebt hat, ist wenig zu
berichten. Er ist ja noch so jung und der Krieg hat auch ein paar Jahre weggenommen. Dazu
kommt noch, daß ihm jeder Sinn für Pragmatik fehlt; Tatsachen verschwimmen ihm sofort mit den
Empfindungen, die sie in ihm weckten, und so bleibt kaum etwas, das sich erzählen ließe. Aber ich
habe seinen Reisepaß gesehen und da weiß ich es genau, daß er 1897 in Wien geboren ist und
hier auch einen ständigen Wohnsitz hat, wenn er auch viel herumreist, sich oft und lange in
München und Berlin aufhält, dort immer wieder jene paar Menschen aufsucht, die ihm die liebsten
Modelle geworden sind. Seine Kindheit war voll Bitternis, solange er sich nicht dem Beruf, den er
81
Geoi'g Ehrlich, Elisabeth Bergner.
Radierung. (Verlag Flechtheim.)
Erst muß ich selbst das Bild-
nis des Künstlers zeichnen,
bevor ich von seinen Frauenbild-
nissen sprechen kann. Die Ein-
heitlichkeit des Themas sollte
gewahrt werden, sonst hätte ich
gern zu den Frauenköpfen noch
ein Selbstbildnis Ehrlichs gege-
ben, etwa die Radierung »Narr«
oder eine kleine Zeichnung, die
vor mir steht, während ich schrei-
be. Die Auswahl ist nicht groß,
wenn man an die Fülle der
Selbstbildnisse anderer denkt.
Auf der Radierung sieht Ehrlich,
halb Kind, halb Greis, einem
Menschen gleich, der einen Nar-
ren aus sich macht. Es ist die
Maske, die er am liebsten trägt,
eineSchutzmaske.Und vielleicht
darum auch ein Ziel geworden,
eine Notwendigkeit, wie er sich
haben muß; darum vielleicht
auch manches in seinem Wesen dahin erzogen, verhärtet oder gelockert, wie es die Maske ver-
langt und wie sie es ausdrückt. Die kleine Zeichnung zeigt schon mehr; sie zeigt den Künstler,
der sich ausschöpft bis aufs letzte, der sich hingibt bis aufs letzte, der alles auslöscht, Willen und
Körper, Erlebtes und Ersehntes, damit der Weg frei wird für die Empfängnis; der in der Empfäng-
nis schmerzlich leidet und dieses Leid sinnlich genießt. Dem Weibe zunächst ist der Künstler . . .
Das sagen die Selbstbildnisse. Vom Menschen, wie er nach außen gelebt hat, ist wenig zu
berichten. Er ist ja noch so jung und der Krieg hat auch ein paar Jahre weggenommen. Dazu
kommt noch, daß ihm jeder Sinn für Pragmatik fehlt; Tatsachen verschwimmen ihm sofort mit den
Empfindungen, die sie in ihm weckten, und so bleibt kaum etwas, das sich erzählen ließe. Aber ich
habe seinen Reisepaß gesehen und da weiß ich es genau, daß er 1897 in Wien geboren ist und
hier auch einen ständigen Wohnsitz hat, wenn er auch viel herumreist, sich oft und lange in
München und Berlin aufhält, dort immer wieder jene paar Menschen aufsucht, die ihm die liebsten
Modelle geworden sind. Seine Kindheit war voll Bitternis, solange er sich nicht dem Beruf, den er
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Geoi'g Ehrlich, Elisabeth Bergner.
Radierung. (Verlag Flechtheim.)