OSWALD WENCKEBACH.
Der germanische Norden weist dem
Holzschnitt als künstlerischem Ausdrucks-
mittel eine ungleich bedeutendere Rolle zu
als der romanische Süden und Westen; for-
male Problemstellungen bestimmen da das
künstlerische Schaffen stärker als im Nor-
den, wo Ausdrucksstärke und Charakteristik
selbst auf Kosten formalen Ebenmaßes ihren
Platz behaupten.
Handwerksmäßig gebunden setzt der
Holzschnitt um die Wende des XIV. zum
XV. Jahrhundert ein, im Zeitstil fest verankert
und ausdrucksstark findet er bald technisch
und formal gereift im Oeuvre Dürers seinen
Höhepunkt, um gegen Ende des XVI. Jahr-
hunderts ins Breite wuchernd künstlerisch zu
verflachen. Erst im XVIII. Jahrhundert wurde
der Holzschnitt, der in der Zwischenzeit nur
eine untergeordnete Rolle spielte, durch den
englischen Holzschneider Thomas Bewick
zu neuer Blüte erweckt. Im Gegensatz zur
rein linearen Wirkung der alten Schnitte ver-
suchte man dieser Technik jetzt auch tonige
Wirkungen abzugewinnen. Diese Bestrebung
fand im Kreise der Holzschneider, die in Frankreich für Dore, in Deutschland für Menzel
arbeiteten, wie Unzelmann, Vogel u. a., die die getuschten Vorzeichnungen Menzels schnittgerecht
auf den Holzstock zu übertragen verstanden, ihren Höhepunkt. Aber auch diese Entwicklungsphase
ebbte wieder ab und neue Anfänge gewähren neue Ausblicke. Die dekorative Flächenkunst der
Japaner gibt dem europäischen Schaffen den Ansporn zu ähnlichen künstlerischen Bestrebungen
und die gewollt primitive Ausdruckskunst Gauguins wirft eine vieljährige Kunsttradition und ein
virtuoses handwerkliches Können freudig über Bord, um die ursprünglichsten Triebkräfte der
Holzschnittkunst wieder aufzufinden, den großen, aus der Technik herausgewachsenen Stil der
Primitiven auch für die Gegenwart zu erobern.
Heute möchte es fast scheinen, als wenn nach all den künstlerischen Versuchen der
Expressionisten, nach Munchs monumentalen Schnitten, die Möglichkeiten, die im Holz-
schnitt schlummern, erschöpft seien, und ein junger Künstler, der seinen Ehrgeiz darein setzt,
Oswald Wenckebach, Papageien.
Nach dem Holzschnitt.
90
Der germanische Norden weist dem
Holzschnitt als künstlerischem Ausdrucks-
mittel eine ungleich bedeutendere Rolle zu
als der romanische Süden und Westen; for-
male Problemstellungen bestimmen da das
künstlerische Schaffen stärker als im Nor-
den, wo Ausdrucksstärke und Charakteristik
selbst auf Kosten formalen Ebenmaßes ihren
Platz behaupten.
Handwerksmäßig gebunden setzt der
Holzschnitt um die Wende des XIV. zum
XV. Jahrhundert ein, im Zeitstil fest verankert
und ausdrucksstark findet er bald technisch
und formal gereift im Oeuvre Dürers seinen
Höhepunkt, um gegen Ende des XVI. Jahr-
hunderts ins Breite wuchernd künstlerisch zu
verflachen. Erst im XVIII. Jahrhundert wurde
der Holzschnitt, der in der Zwischenzeit nur
eine untergeordnete Rolle spielte, durch den
englischen Holzschneider Thomas Bewick
zu neuer Blüte erweckt. Im Gegensatz zur
rein linearen Wirkung der alten Schnitte ver-
suchte man dieser Technik jetzt auch tonige
Wirkungen abzugewinnen. Diese Bestrebung
fand im Kreise der Holzschneider, die in Frankreich für Dore, in Deutschland für Menzel
arbeiteten, wie Unzelmann, Vogel u. a., die die getuschten Vorzeichnungen Menzels schnittgerecht
auf den Holzstock zu übertragen verstanden, ihren Höhepunkt. Aber auch diese Entwicklungsphase
ebbte wieder ab und neue Anfänge gewähren neue Ausblicke. Die dekorative Flächenkunst der
Japaner gibt dem europäischen Schaffen den Ansporn zu ähnlichen künstlerischen Bestrebungen
und die gewollt primitive Ausdruckskunst Gauguins wirft eine vieljährige Kunsttradition und ein
virtuoses handwerkliches Können freudig über Bord, um die ursprünglichsten Triebkräfte der
Holzschnittkunst wieder aufzufinden, den großen, aus der Technik herausgewachsenen Stil der
Primitiven auch für die Gegenwart zu erobern.
Heute möchte es fast scheinen, als wenn nach all den künstlerischen Versuchen der
Expressionisten, nach Munchs monumentalen Schnitten, die Möglichkeiten, die im Holz-
schnitt schlummern, erschöpft seien, und ein junger Künstler, der seinen Ehrgeiz darein setzt,
Oswald Wenckebach, Papageien.
Nach dem Holzschnitt.
90