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Kunstgewerbliche Rundschau: Verkündigungsblatt des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine — 3.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8033#0113
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Mincken, November ^8^6.

Nr.

KerkündigmgWlatt des 8eröande§ deutsDer Kunstgeweröe-8ereine.


^(unstgewerbliche

Beiblatt zur

Bezug der „Zeitschrift" sammt der „Runstgewerblichen Rundschau": Durch den Buchhnndel, die ssost oder die verlagshandlung R. tvldenbourg in München. Mk. 1,6
p. a.; die Mitglieder des Bayer. Runstgewerbe-Vereins Oahresbeitrag Mk.) erhalten die „Zeitschrift" sammt der „Runstgewerblichen Rundschau" unentgeltlich. — Die „Zeitschrist"

erscheint jährlich in Monatsheften.

L)erausgeber: Bayer. Aunstgewerbe-Verein (ssfandhausstraße 7). — Redaktion: Prof. L. Gmelin (Luisenstraße (8).

Druck uird Verlag von R. Gldenbourg in München, Glückstraßo fz.

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Ackcl ZilßcMkcitcn.

entsxricbt:

on einein als Praktiker initten im Annsthandwcrk stehenden
Silberarbeiter erhalten wir einen Klageruf über obgenanw
ten Gegenstand, dem wir gerne lUnfnahme gewähren, da
er nicht nur der Stiininung der betreffenden Areise treffend
Ausdruck gibt, sondern anch dcn thatsächlichen Oerhältnissen
„Daß die Mode auch auf die kunstgewerblichen Silberarbeiten
ihren Linsiuß hat, ist natürlich; es soll auch nicht bestritten werden,
daß sie sogar auch schon fördernd eingewirkt hat. Daß dieselbe jedoch
so sehr wechselt, wie iin letzten Decennium, ist zwar bci dem hasteuden
Zeitalter nicht merkwürdig, doch übt dieses Lsaschen nach Neuem
keinen guten Einsiuß auf das Aunstbandwerk aus; dcnn es bringt oft
ganz merkwürdige Arbeiten zu Stande.

„von wem geht nun diese Mode aus? Früher ging dieselbe
von Aünstlern und Aunstverständigen aus, heute wird sie durch das
sogenannte kaufkräftige pnblikum gemacht.

„Welchem Aunsthandwcrker ist es nicht schon vorgekommen, daß
sein Aunde Arbciten oder Abänderungen verlangt, die ihm sozusagen
„gegen den Strich" gehen; er unternimmt aber diese Arbeiten nach
dem Sinne seines Auftraggcbers doch, iim beschäftigt zu sein, um zu
verdienen, „die Aunst geht nach Brod"!

„Durch dieses Nachgeben wird der Geschniack des Publikums ver-
bildet, und es sollte doch eigentlich durch den Verfertiger, der doch
kunstgewerbliche nnd oft sogar künstlerische Ausbildung gcnossen hat,
g e bildet werden.

„In nnserer Zeit der Iubiläen, des Sports, werden viele Ehren-
geschenke, Lhrenpreise consumirt; daß solche Geschenke, Preise meist
von den oberen Zehntausend, dem kaufkräftigen jdublikum, welches im
Aunstgewerbe eine so große Rolle zu spielen vermag, angeschafft
werden, ist selbstverständlich.

„Das Budget der Großen der lvelt, der Potentaten, weist oft
namhafte Summen dafür auf.

„Diese Sports- und Ehrenpreise werden meist mit dem Namen
des Donators ausgestellt und wirken, weil von illustren Persönlichkeiten
geschenkt, auf die Geschmacksrichtung; nun läge es eigentlich an diesen
Donatoren, nur wirklich kunstgewerbliche, schöne Geschenke zu machen,
aber darin wird viel gesündigt; denn meistens wird auf die räumliche
Ausdehnung dcr meiste Merth gelegt, es muß „Viel gleichschauen",

es muß Viel sein für das, was man dafür ausgibt. „Mie viele Ailo
wiegt's?" „wie viele Lentimeter ist's hoch?" (ich spreche natürlich
nur iinmer von Silberarbeiten) ist oft nnd oft die erste Fragel

„Besonders die Silbergegenstände, Sportspreise rc. rc., die in Nord-
deutschland fvon Berlin aus) grassiren, passen sich immer mehr
dem englischen, sogenannten praktischen Geschmacke an; wer diesen
Geschmack kennt, muß sich zwar vor dcm praktischen beugen, aber in
kuiistgewerblichem Sinne sind diese Lrzeugnisse, wenn auch nicht immer,
doch meistens ein Greuel, z. B. als Lhrenpreis eine vase, die doch
nur als Prunkgeschirr zu dienen hat, plump nnd häßlich in Form,
mit übergroßen tfenkeln, wie man sie in der kunstärmsten Zeit auf
jedem Gartenzaun fand, überschwer in Silber ausgeführt und so aus-
geführt, daß sie vielleicht als Gesellenstück eines Alempnerlehrlings
ganz gut gelten kann, aber nicht als kunstgewerbliches Erzeugniß;
oder eine dorische Säule mit Zickzackarmen als Armleuchter; das ist
jetzt die von den maaßgebenden Areisen Berlins sich weiter und weiter
verbreitende Geschmacksrichtung.

„Aaffee- und Theeservice mit großen, kantigen, breiten, recht
glänzenden Flächen, ohne jede schön geschwungene Linie, ohne jedes
erhabene oder vertiefte Grnament, ganz glatte Lßbestecke, die sich gut
putzen lassen, werden von dcn Damen verlangt; denn „man kann doch
nicht imnier hinter den Dienstboten beim Reinemachen stehen".

„Mll nun der Aunsthandwerker sein Veto einlegen, so wird höchstens
geantwortet: „Ach, lassen Sic inich doch niit den ewigen Stilarbeiten,
mit den ewigen Vrnamenten, Blumen und sonstigem Geschnörksel zu-
frieden; das englische, glatte Silber, das ist schön, das ist xraktisch und
ist schwer." Der Verfertiger bekommt den Lindruck, als sollte Silber-
geschirr nicht zum Prunke und zum Gebrauch, sondern eigentlich zum
versetzen in nothwendigen Fällen angeschafft werden; es wird nicht
auf die Schönheit der Arbeit gesehen, sondern anf die Schwere, — wie-
viel Ailo wiegt's?? —

„Wenn das so fort geht, dann können alle Aunstgewerbeschulen
ihre Schüler entlassen, alle Zeichner, Modelleure, Aunstgießer, Tiseleure
haben ihr Studium umsonst gemacht, sie köiinen zu jedem Gießkannen-
Spängler in die Lehre gehen; denn die dort erworbenen Aenntnisse
reichen sicher aus, um die jetzt verlangten Lhren- und Sxortspreise,
Theeservice rc. versertigen zu können." K. O.

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Zeitschrift des bayer. Aunstgewerbe-Vereins München.

I8Y6. Runstyewerblicbe Rundschnu Rr. 1(1(. (Bg. !(.)
 
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