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Sonntag, den 29. September 1850.

HI. Jahrgang.


Wochenkalender.

Montag, den 30. Scplember.
Jft heul -nilb fort der leßlc Drrirr,
Morgen kommt die neue Einkommen-
steuer.
Dienstag, den I. Oktober.
Heul sotten wir zahlen die erste Raic —
Heil dem hochedlcn Magistrate!
Mittwoch, den 2. Oclobcr.
.tkreuzdonuerwetlerclement!
Das ist verflucht viel, zwei Procent


Wochenkalender.

Donnerstag, den 3. Oclobcr.
Wie glücklich ist in unsrer Stadt,
Wer keine dreihundert Thalcr hat!
Freitag, den -1. Octoder.
Ein alles deutsches Sprüchworl spricht:
Furcht' dich »or'm Erecutor nicht.

Sonnabend, den 5. Oclober.
Und merke, willst du 'raus ihn werfen,
Daß Zeugen nicht dabei sein derfen.

Humoristisch-satyrisches Wochenblatt.

Dieses Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme der Wochentage. — Man abonnirt mit I?!^Sgr. vierteljährlich bei allen Buchhand-
lungen sowie bei den König!. Lostaustallen deS In- und Auslandes. Jede einzelne Nummer kostet I X Sgr. Die Redaktion.

Der erste Oetover,
das Jubel-Ernte-Fest für die glücklich situirte Minorität schuldenfreier Hausbesitzer, der Schrcckcnstag für die unermeß-
liche Majorität mietheschuldigcr Einwohner, ist nahe herbcigckvinmen.
Vorsorglich packt der kluge Hausvater seine Habe, um heimlich mit derselben auszurückcn; und mit doppelt hold-
seligem Blicke, mit zwiefach süßem Kusse sucht die dienende Jungfrau ihren Bruder im Heere zum unentgeltlichen
Transport ihres Koffers zu bestechen. Blutlechzend wetzt der Erecutor seinen sonst ungeschliffenen Stock, mit doppelter
Eisrinde panzert der Schutzmann sein um die Leiden der Menschheit blutendes Herz, und vergebens harrt am Mittage
des Polizeirichters Weib auf die Rückkehr des ebenso heiß geliebten als hungrigen Gatten.
Ein neues Vierteljahr bricht herein,
und mit ihm alle die Schrecken, Gemeinderath, Einkommensteuer, Miethe, Mouatsbeiträge für Schles-
wig-Holstein, Oberbürgermeister, Beiträge für das erste^Preußische Kriegsschiff und Abonnement
für die Russische Zeitung.
Mit düstren, Blicke schaut der Menschenfreund in die purpurne Finsterniß einer uueuthüllten Zukunft, und mit
bangem Auge sucht er den Stern, der mit dem belebenden Strahl der Hoffnung das schwere Gewölk des überall um-
dunkelten Horizontes durchbrechen soll. Ein Trost nur ist ihm geblieben:
rr- ' Kladderadatsch
wird auch im nächsten Vierteljahre erscheinen, und wird sein Licht leuchten und Hiebe regnen lassen über Gute und
Böse, über Gerechte und Ungerechte. Unbeirrt von dem wilden Toben einer grauenvollen Ruhe und Sicherheit, wird
er da stehen, ein fester Thurm gesitteter Anarchie, an dem die Wogen der Ordnung und Gesetzlichkeit machtlos sich
brechen werden. Und die glückliche Entbindung des Herrn von Schleinitz wird ihm ein Sporn mehr sein,
zu beweisen, daß man selbst unter einem Ministerium Radowitz durch seltene Beispiele einer
häufigen Bürgertugend dem starken Glauben des Herrn von Beckerath an eine große Zukunft
Preußens und Deutschlands ungestraft unter die Arme greifen darf.
Kladderadatsch.
 
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