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Koepplin, Dieter; Falk, Tilman; Cranach, Lucas [Ill.]
Lukas Cranach: Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik ; Ausstellung im Kunstmuseum Basel 15. Juni bis 8. September 1974 (Band 1) — Basel, Stuttgart, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.10453#0107
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UND EINIGE AUFTRAGGEBER

IOI

FR. 157. — Flechsig, Cranachstudien, S. 263 f. — P. Redlich, Cardinal Albrecht von
Brandenburg und das Neue Stift zu Halle, 1520—1541, Mainz 1900, S. 196t". — Glaser
1921, S. 136. - W. A. Luz, in: Repert. f. Kunstwiss., XLV, 1925, S. 62. - E. Wind,
Studies in Allegorical Portraiture, in: Journal of the Warburg Inst., I, 1937/38, S. 150-153.
- Erasmus-Kat. Rotterdam 1969, Nr. 210 u. Farbtaf. VIII. - Dürer-Kat. Nürnberg 1971,
Nr. 274.

Die Bildniszüge des Heiligen gemäss Cranachs Kupferstich von 1520 (Nr. 34). Cranach
hatte mit diesem Bildtypus Erfolg und musste ihn (wohl zu Geschenkzwecken) für
Kardinal Albrecht wiederholen. Auch das Darmstädter Bild besitzt, trotz seiner Pracht,
serienmässige Qualität. Von ähnlicher Anlage, im Detail etwas weniger ausgeglichen,
gibt es eine 15 26 datierte, gleichgrosse Variante im Ringling Museum of Art in Sarasota,
Florida (FR. 158; Ch. L. Kuhn, A Catalogue of German Paintings... in American Col-
lections, Cambridge, Mass., 1936, Nr. 95; farbige Abb. in: Art News, LX, Nr. 2, April
1961, S. 31). Bei beiden Darstellungen war Cranach vermutlich durch den Auftraggeber
dazu gehalten, Dürers berühmten Kupferstich des «Hl. Hieronymus im Gehäuse» zum
Vorbild zu nehmen (Nr. 46). Glaser beschreibt die charakteristischen Abweichungen:
Lichtführung, räumliche Anlage (Aufsicht, Fluchtpunkt links ausserhalb des Bild-
feldes), auf die Bildfläche bezogene Ordnung der Dinge, einfache Farbkontraste. Dürer
hat den hl. Hieronymus, in den sich der Kardinal Albrecht als Einzelgestalt versetzt (nicht
Porträt innerhalb einer vielfigurigen sakralen Szene, wie es seit etwa 1500 häufig in der
deutschen Malerei vorkam: Abb. 3, 11, 12, 13, 23, 24), als Inbegriff der kontemplativen,
konzentrierten Geistestätigkeit herausgestellt. Die christlichen Humanisten haben diesen
Heiligen besonders hoch geschätzt (Strümpell, zit. bei Nr. 46, S. 178; Koepplin,
Cuspinian, S. 158, Anm. 447). Der Verehrung des Philologen-Heiligen durch Celtis,
Erasmus u.a. wollte sich Albrecht von Brandenburg demonstrativ und — man könnte
vielleicht sagen: in experimenteller Weise ohne Scheu (was an Schamlosigkeit grenzt) -
anschliessen. Demonstriert wird aber auch wohl bewusst die Parteinahme für die Gei-
steshaltung eines Erasmus und gegen jene Luthers. Luther schrieb 1516 an Spalatin,
Erasmus richte sich übermässig am hl. Hieronymus aus und sollte lieber den hl. Augustin,
den er wenig beachte, höher einschätzen lernen (I. Höss, Georg Spalatin, Weimar 1956,
S. 98 ; zu Augustin s. Nr. 7—9). Luther bat Spalatin, damit zusammenhängende Gedanken
Erasmus vorzutragen. An die Namen der beiden Kirchenväter knüpfte sich die gegen-
sätzliche Geisteshaltung des Erasmus (zu seinen Anhängern gehörte entschieden auch
Melanchthon) und des Reformators Luther.

In Dürers Stich wird der Totenschädel auf dem Fenstersims scharf angeleuchtet; in
Cranachs Gemälde lenkt ein Früchtestilleben, das man in Kontrast zum hinten an-
gebrachten Christuskopf auf dem Schweisstuch der Veronika und zu der rechts an der
Wand hängenden Sanduhr sehen mag, den Blick zuerst auf sich. Der Kardinal liest
nicht, sondern legt nur die Hände auf das geöffnete Buch: er stellt sich zur Schau — und
ist zugleich raffiniert-bescheiden versteckt (unkenntlich für Uneingeweihte) in der
Gestalt des hl. Hieronymus. Das Sich-Zurücksetzen sollte mindestens so sehr zählen
wie das Sich-Zeigen. — Die Tiere neben dem legendären Löwen haben gewiss symboli-
sche Bedeutung: der Hund ist der traditionelle Begleiter der Gelehrten, die gleich
Jagdhunden der Wahrheit nachspüren (und ausserdem treu sind), die Fasanen könnten
Stärke und Weisheit symbolisieren (W. Beeh).

Verwandte räumliche Disposition in den « Melancholie »-Bildern von 1528 und 1532
(Farbtafel 13) und auf den Evangelisten-Holzschnitten der Cranach-Werkstatt von 1529
(Ho. H. 45 ff.).

Der Kardinal vor dem Krrzifix: Abb. 53. Kardinal Albrecht als hl. Hieronymus:
auch Nr. 47.
 
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