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Koepplin, Dieter; Falk, Tilman; Cranach, Lucas [Ill.]
Lukas Cranach: Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik ; Ausstellung im Kunstmuseum Basel 15. Juni bis 8. September 1974 (Band 1) — Basel, Stuttgart, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.10453#0313
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3°7

VII. Cranach-Buchgraphik der Reformationszeit (F)

i. Einleitung

Das Phänomen der künstlerischen Produktion Lukas Cranachs und seiner Werk-
statt ist ohne ein Kapitel über die Buchillustration nicht vollständig darzustellen.
Cranachische Buchgraphik gilt wegen der zahllosen kleinen, oft nur der Tages-
polemik dienenden Druckschriften aus den ersten Jahrzehnten der Reformation,
in denen sie aufzuspüren ist, als ein kaum überschaubares und schwer abzugren-
zendes Gebiet, das zudem den Ruf einer höchst unterschiedlichen, manchmal nur
mittelmässigen Qualität trägt. In der Cranach-Literatur ist sie daher, abgesehen
von thematisch begrenzten Spezialuntersuchungen, meist stiefmütterlich und
wenig systematisch behandelt worden.

Cranachs Missale-Holzschnitte der Wiener Zeit, einige Jahre später das Wit-
tenberger Heiltumbuch von 1509, dem sich das Andachtsbüchlein des Adam von
Fulda (1512) wiederum eng anschliesst, waren in der Tat - jedes Werk für sich -
gewichtige und mit ganzem Einsatz vollendete Leistungen gewesen. Nach längerer
Pause beginnt mit dem Jahr 1518 ein völlig anders gearteter Abschnitt, dem in
erster Linie die Gattung des Buchtitelschmucks, erst in zweiter Linie Bildillustra-
tion von Lutherschriften und Reformationsdrucken das Gepräge gibt. Man hat
sich daran gewöhnt, von der Qualität der frühen grossen Einblatt-Holzschnitte
Lukas Cranachs ausgehend, die gesamte cranachische Buchillustration der spä-
teren Zeit unter dem Begriff der «Werkstattarbeiten» zusammenzufassen, dem
Meister selbst, wie schon Lippmann schrieb1, spätestens ab 1522 (dem Jahr des
«Luther als Junker Jörg», Nr. 42), weitgehendes Desinteresse auf diesem Betä-
tigungsfeld vorzuwerfen, obwohl man weiss, dass er eine eigene Buchdrucker-
presse in seinem Haus im Jahr 1523 einrichtete. Die Hypothese, dass ein Grossteil
der Buchgraphik ab 1518/20 von Cranachs ältestem Sohn Hans stammen könne
(unter diesem Namen findet man solche Holzschnitte noch heute häufig ver-
zeichnet), hat ihr Initiator Flechsig später wieder zurückgenommen2. Sie ist durch
die Wahrscheinlichkeit einer viel späteren Geburt des Hans Cranach (vgl. S. 21)
wohl endgültig überholt. Die seitdem herrschende Ratlosigkeit zeigt sich am
besten in den Graphik-Verzeichnissen von Hollstein3, der die gesamte Titel-
graphik unterschiedslos in seinen Anhang, d.h. unter den Begriff «Workshop»
verbannt.

Wir sind der Meinung, dass es ebensogut cranachische Einblatt-Holz-
schnitte gibt, die nur Werkstattgut sind, wie Titelgraphik, die den Anspruch auf
Eigenhändigkeit (ein Begriff, der später noch näher zu erläutern ist) erheben kann.
Ein genereller Qualitätsunterschied zur frühen Einzelblattgraphik bei überein-
stimmendem Formenrepertoire ist deutlich; die Frage nach den Gründen und
Versuche zur Differenzierung innerhalb der Buchgraphik sind notwendig und
durch die Ausbreitung des Materials vielleicht zu erreichen.

Was die Forschung bisher mit Erfolg versucht hat, ist die Aussonderung
fremder Künstlerpersönlichkeiten innerhalb des Wittenberger Buchholzschnitts.
 
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