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Koepplin, Dieter; Falk, Tilman; Cranach, Lucas [Ill.]
Lukas Cranach: Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik ; Ausstellung im Kunstmuseum Basel 15. Juni bis 8. September 1974 (Band 1) — Basel, Stuttgart, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.10453#0261
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VI. Bildnisse im Kräftefeld von Humanismus, Reformation und Politik

i. Cranachs Bildnisse von wittenbergischen, brandenburgischen und italienischen Humani-
sten (Werner Schade)

Wenn hinsichtlich der Beziehungen Lukas Cranachs zu den Humanisten neue
Untersuchungen angestellt worden sind1 und in diesem Katalog weitergetrieben
werden, so ist einschränkend festzustellen, dass die möglichen Quellen für Witten-
berg noch nicht annähernd erschlossen sind. Wir wüssten gern mehr über die
ursprüngliche Verankerung bestimmter Darstellungen, die offensichtlich aus
humanistischer Vorstellung stammen. Eine Schwierigkeit wird unter anderen
darin bestehen, das persönliche Anliegen des einzelnen Auftraggebers aus dem
allgemeinen Gedankengut herauszulösen. So ist zum Beispiel das Motiv der
badenden Frauen, dem Koepplin im Hinblick auf Cuspinians Bildnis (Abb. 55)
spezifische Erklärung gewidmet hat2, bereits von Alberti, «De re aedificatoria»,
IX, 4 angeregt worden als ein bloss aufheiternder Bildgegenstand3. Es wird
daher stets die Beziehung des Künstlers zu einfiussreichen Personen seines Wir-
kungskreises berücksichtigt werden müssen, um der sicheren Deutung eines
Werkes näherzukommen.

Sprechen für die Wiener Zeit Cranachs die Gemälde eine beredte Sprache, so
fehlen für die ersten Jahre in kursächsischen Diensten Tafelbilder, mit Ausnahme
des «Katharinenaltares» von 1506 (Abb. 12) und der Torgauer «Nothelfer-
tafel»4 etwa. Gegenstand der Lobreden des Celtis-Schülers Georg Sibutus
Daripinus von 1507 (Nr. 159) und des in Bologna ausgebildeten Nürnbergers
Christoph Scheurl (vgl. Nr. 164)5 sind offenbar nicht auf uns gekommene Werke.
Zusammen mit Scheurl haben noch vier Wittenberger Poeten Verse auf den
Maler drucken lassen: der spätere kursächsische Kanzler Christian Beyer (des-
sen Haus in Wittenberg erhalten ist), der Italiener Richardus Sbrulius, der
spätere Reformator Andreas Karlstadt (vgl. Nr. 351) und der Westfale Otto
Beckmann. Cranach hat nach Annahme von Gustav Bauch6 einen Holzschnitt
mit dem «Bildnis des Sibutus» geschaffen (Nr. 159), doch ist diese Anregung von
den Bearbeitern der Graphik Cranachs ausser von Dodgson und hier wieder von
Koepplin anscheinend nicht aufgegriffen worden. Das Brustbild des gekrönten
Dichters mit angehobenem rechtem Unterarm befindet sich in der seltenen Schil-
derung des Wittenberger Turniers von 1508, von der sich früher ein Exemplar in
der Staats- und Universitätsbibliothek Breslau befand". Von Chr. Scheurl, dem
anderen Lobredner des Malers, ist das prächtige gemalte Bildnis aus dem Jahre
1509 erhalten (Nr. 164), höfischer in Anlage und Ausführung als die frühen
schlichten Porträts der fürstlichen Dienstherren Cranachs8. Ausserdem hat der
Maler ihm ein Bücherzeichen mit dem elterlichen Wappenpaar im Holzschnitt
gearbeitet (Nr. 135), ebenso auch seinem Freund, dem Dichter, Geistlichen und
Arzt Dietrich Block (Truncus) aus Hildesheim (Nr. 134). Block und Scheurl waren
wohl seit der gemeinsamen Studienzeit in Bologna miteinander bekannt. Der
Mediziner liess sich im Sommer 1508 in Wittenberg immatrikulieren und folgte
 
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