Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Koepplin, Dieter; Falk, Tilman; Cranach, Lucas [Ill.]
Lukas Cranach: Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik ; Ausstellung im Kunstmuseum Basel 15. Juni bis 8. September 1974 (Band 1) — Basel, Stuttgart, 1974

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10453#0047
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4i

III. Cranachs Bildnis, seine Malerfreunde und einige Auftraggeber (K)

Von Lukas Cranach d.A. scheint kein gemaltes oder gezeichnetes autonomes
Selbstbildnis erhalten zu sein. Nur als Assistenzfigur innerhalb religiöser Szenen
hat sich Cranach seit 1509, zuerst in einem Holzschnitt, selbst dargestellt (Nr. 311,
Abb. 260). Im 1934 erschienenen Buch über «Dürers Selbstbildnisse und die Dürer-
Bildnisse» stellt Hugo Kehrer fest: «Das autonome gemalte Selbstbildnis im
Sinne des Tafelbildnisses gibt es vor Dürer noch nicht1.» Albrecht Dürer hat
sich im Spiegel 1484 als dreizehnjähriger Knabe und später mehrmals gezeichnet2.
Aus dem Jahr 1493 stammt Dürers erstes gemaltes Selbstbildnis (auf Pergament),
das möglicherweise, aber nicht sicher, als Brautwerbungsbild dienen sollte3.
Nach der Rückkehr aus Venedig malte Dürer sein Bildnis, das ihm aus dem Spiegel
entgegenblickte, in vornehmem modischem Kleid: ein neues Selbst- und Standes-
bewusstsein zum Ausdruck bringend, in zugleich unerbittlicher Objektivität und
in einer Idealisierung, die zu besagen scheint, dass Künstlertum etwas Göttliches
sei4. Der Künstler setzte auf das Bildnis die Inschrift: «Das malt ich nach meiner
gestalt/Ich war sex und zwenzig Jor alt/Albrecht Dürer ». Im Jubeljahr 15 00 folgte
das berühmte Selbstbildnis Dürers in frontaler, pyramidaler Stellung, diesmal mit
lateinischer Inschrift etwa des Sinnes: « So malte ich, Albrecht Dürer aus Nürnberg,
mich selbst mit unvergänglichen Farben im Alter von 28 Jahren»5. In einer
Widmungsepistel des Nürnbergers Christoph Scheurl (Nr. 96) an Cranach schreibt
der Humanist, der damals im Dienste des sächsischen Kurfürsten Friedrich des
Weisen stand: «So [Apelles der Germanen] pflege ich nämlich meinen Dürer zu
benennen. Als dieser, nach dem Muster der Marcia des Marcus Varro, sein Bildnis
aus dem Spiegel gemalt hatte, soll sein Haushündchen in der Meinung, dem Herrn
seine Freude zeigen zu können, das frische, in der Sonne aufgestellte Bildnis
geküsst haben, wovon eine Spur jetzt noch vorhanden ist6.» Kehrer hat die
Stelle auf das 1500 datierte Selbstbildnis Dürers im Pelzrock bezogen und bemerkt,
dass Scheurl in echter Humanistenmanier zwei Quellenberichte und die Wirklich-
keit miteinander verquickte, Stellen bei Plinius und Boccaccio". Scheurl bestätigt
mit seiner Schrift von 1509 die humanistische Geisteshaltung des sich selbst kon-
terfeienden Dürers. Von Cranach ist auch literarisch kein Selbstbildnis überliefert,
weder ein gemaltes noch bloss ein gezeichnetes etwa vom Typus der bildhaft-
finalen Dreifarbenzeichnung von Hans Baidung Grien, die entweder, wie all-
gemein angenommen, während der Gesellenzeit Baidungs in der Werkstatt
Dürers um 1504 oder etwas früher entstanden ist (Nr. 1). Auch den weniger
kühnen, autobiographisch dokumentierenden Zeichnungen, mit denen Hans
Burgkmair 1497 und 1498 seine Kostüme als Bräutigam und dann als Hochzeiter
festhielt, stellte Cranach nichts an die Seite8.

Als Cranach sein Selbstbildnis 1509 auf seinem Holzschnitt mit der «Ge-
fangennahme Christi» (Nr. 311, Abb. 260) und später einige Male in religiöse
Szenerien einfügte, war er angeregt durch Dürer, der sich wiederum auf ita-
lienische Vorgänger berufen konnte, vielleicht auch durch Baidung. Im Auftrag
des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen, dessen Hofmaler Cranach seit
1504/05 war, malte Dürer 1507/08 das grossformatige, figurenreiche und mit
 
Annotationen