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II. Kapitel

Die frühen Arbeiten

Der Weingartener Altar

Die vier Szenen des sogenannten Weingartener Altars
sind diejenigen Bilderfindungen Holbeins, die die For-
schung bisher am meisten beachtet hat. Grund dafür
ist der Umstand, daß die Bilder, mit geringen Abände-
rungen, in der zwölfteiligen Kupferstichfolge des Is-
rael van Meckenem zum Marienleben wiederholt
sind. Selbstverständlich muß im Verlauf des Kapitels
die Frage, ob Holbein Meckenem oder Meckenem
Holbein kopierte, behandelt werden. Die Weingarte-
ner Tafeln sollen aber zunächst als sicher datierte und
in ihrem Entstehungsort - Ulm - sicher lokalisierte
Arbeiten Holbeins analysiert werden. Zusammen mit
anderen Bildern vom Beginn der 1490er Jahre kann
die eingehende Beschreibung von Bildaufbau, Figu-
renkomposition und Farbigkeit verdeutlichen, worin
im Spektrum der schlecht überlieferten Augsburger
und der etwas besser erhaltenen Ulmer Malerei Hol-
beins künstlerische Leistungen bestanden. Mangels
anderer Nachrichten und größerer Arbeiten müssen
wir auf der Grundlage dieser Tafeln nach den Leistun-
gen fragen, die am Ende des Jahrzehnts Holbein - als
nicht ortsansässigen Maler - in den Augen der Frank-
furter Dominikaner für den Auftrag zum großen
Hochaltarretabel ihrer Kirche empfahlen.

Der Weingartener Altar, der 1493 in Ulm von
Michel Erhart und Hans Holbein geschaffen wurde,
besteht heute aus vier gespaltenen Tafelbildern, die
Altäre im Langhaus des Augsburger Doms schmük-
ken. Die Bezeichnung der Tafeln beruht auf der zuerst
von Woltmann überlieferten Angabe, die Bilder
stammten aus Kloster Weingarten. Tatsächlich paßt
das Weihedatum des Marienaltars auf der Chorempo-
re - 1491 - in der neu erbauten Klosterkirche einiger-
maßen zu den Daten auf den Bildern im Augsburger
Dom, und die Familie von Wocher, in deren Besitz

sich die Bilder 1786 befanden, könnte sie aus dem seit
1715 vollständig neu erbauten Kloster erworben
haben, doch läßt sich ein Beweis nicht mehr führen.'
Genauso unsicher wie die Provenienz ist das ur-
sprüngliche Aussehen des Retabels, zu dessen Flügeln
die Bilder gehörten. Zweifellos handelte es sich um
einen Marienaltar. Sicher ist aber nur, daß die Tafeln
gespalten sind und daß sich die Szenen mit dem Opfer
Joachims im Tempel und mit der Geburt Mariens
(Taf. II/ III) auf der Außenseite der Flügel befanden,
denn hier ist, im Unterschied zu den Szenen des Tem-
pelgangs und der Beschneidung (Abb. 4/5), kein
Goldgrund verwendet. Während die Außenseiten alle
wichtigen Ereignisse aus der Geschichte von Joachim
und Anna zeigen - neben den schon genannten im
Hintergrund auch die Verkündigung des Engels an
Joachim und die Begegnung Joachims und Annas an
der Goldenen Pforte -, während die Außenseite des
Retabels also vollständig erscheint, ist das Programm
der Flügelinnenseiten merkwürdig. Hier ist auf dem
rechten Flügel nicht nur eine sehr selten dargestellte
Szene aus dem Marienleben zu sehen: Maria übergibt
ihr Kind dem Priester zur Beschneidung. Auch wenn
man die Szenen im Hintergrund - die Begegnung
Marias mit Elisabeth und die Marienkrönung - mit-
einbezieht: Die Auswahl der Szenen, die das ganze
Leben der Muttergottes bis zu ihrer Aufnahme in den
Himmel in Ausschnitten präsentieren sollten, läßt im
heute vorhandenen Bestand Wichtiges aus. Es fehlen
insbesondere die Verkündigung und die Geburt Jesu.
Das Format der Tafeln, das innerhalb der gleichzeiti-
gen Malerei nur selten überschritten wird, läßt mit ca.
210 cm Höhe und ca. 127 cm Breite die Rekonstruk-
tion des Schreins (Breite ca. 254 cm) sowohl mit drei
Standfiguren als auch mit einem mehrfigurigen Relief
 
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