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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

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Die Organisation des französischen Kunstunterrichts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0080
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Aus dem Werke: „Moderne farbige Flach
Ornamente.

Von Richard Godron in München.

DIE ORGANISATION DES FRANZÖSISCHEN KUNSTUNTERRICHTS.

EE Anspruch, welchen die Franzosen auf
die führende Stellung in Kunstsachen
erheben, wird ihnen kaum ernstlich be-
stritten werden. Die Gunst der geo-
graphischen Lage ihres Landes vereinigt
sich mit der geschichtlichen Vergangen-
heit des Volkes, um diese hervorragende Beanlagung für die
Auffassungund Darstellung des Schönenzu erklären. Etwas
von dem ästhetischen Sinn des griechisch-römischen Alter-
tums ist in die französische Volksseele gedrungen und
hat sie mit Begeisterung für die Kunst und einer unbe-
irrbaren feinen Urteilskraft auf diesem Gebiet erfüllt.
Indes würde die französische Kunst nicht ihren Kang
behauptet und sich so folgerichtig entwickelt haben, wenn
ihr die breiten und soliden Grundlagen eines wolil-
organisirten Unterrichtssystems gemangelt hätten. Von
jeher haben die wechselnden französischen Regierungen
und ihre Minister es als eine ihrer Hauptpflichten be-
trachtet , für die Gründung und Ausstattung einer ge-
nügenden Anzahl Kunstschulen zu sorgen. Die Iniative
zu diesen Organisationen ist in Frankreich regelmäßig
vom Staate ausgegangen, und in einem so centralisirten
Lande konnte es auch nicht anders sein. Die indivi-
duelle Kraft und Geltendmachung findet in England und
Amerika weit größeren Spielraum; die Wichtigkeit, mit
der dort genossenschaftliche Verbände und private Kunst-
schulen entstehen, hängt aber mit dem sonstigen poli-
tischen Zustand dieser Länder zusammen. In Frankreich
konzentriren sich auch diese ästhetischen Bestrebungen

Kunstgewerbeblatt. NF. VII. H. 5.

Nachdruck verboten.

in der Hauptstadt und werden durch Staatsmittel ge-
nährt. Einige städtische Verwaltungen ahmten das Bei-
spiel von Paris nach, aber beschränkten den Unterricht
in den von ihnen begründeten Kunst- und Gewerbe-
schulen mehr auf verschiedene Handwerke und die
Technik; so geschah es in Nantes, Hävre, Bordeaux und
Lyon. Die eigentliche höhere Kunstschule ist die bereits
von Colbert begründete, aber nach der Revolution und
zuletzt 1863 vollständig reformirte Ecole des beaux-
arts. Bei dieser letzten Umgestaltung wurde sie gänz-
lich von der Academie des beaux-arts losgelöst und
einfach der Centralverwaltung unterstellt. Der Vorwurf,
den man diesem vom Staate geleiteten Unterricht auch
jetzt noch gewöhnlich macht, dass er nämlich eine
Staatskunst groß ziehe, kann seit dieser administrativen
Maßregel nicht mehr zutreffend genannt werden. Die
Freiheit hat jedenfalls durch die Trennung der Ecole
von der Academie gewonnen und damit ist die zuver-
lässigste Voraussetzung des Fortschritts geschaffen. Die
Lehrer an der Ecole des beaux-arts üben dabei auch
zugleich ihre Kunst aus; die Schüler erhalten also Ge-
legenheit, ihre Werke zu sehen und ihre Handgriffe zu
beobachten. Außerdem erweitern die Salons und Museen
den Kreis ihrer Anschauungen, vor Einseitigkeit bewahrt
sie die Berührung mit ihren Kameraden, die Möglichkeit,
zwischen der Methode ihrer Lehrer und derjenigen
anderer Meister Vergleiche zu ziehen. Die Hauptsache
ist, dass die Schüler in einer künstlerischen Atmosphäre
leben und während sie sich die Technik aneignen, zu-
 
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