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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

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Über altes und neues Zinngerät
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0190
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Zinngefäße, Deutschland, IG. Jahrhundert. Nach Photographieen aus dem Bayer. Nationalmuseum, München.

ÜBER ALTES UND NEUES ZINNGERÄT.

IE Zeit ist heute unwiederbringlich dahin,
in der das Zinn das herrschende Material
für das Tafelgeschirr und Wirtschafts-
gerät im deutschen Bürgerhause war.
Denn die Gegenwart besitzt eine kera-
mische und Glasindustrie, die an tech-
nischer Leistungsfähigkeit diejenige der früheren Jahr-
hunderte weit übertrifft und die insbesondere auch den
bescheidensten Ansprüchen durch praktisch brauchbare,
wenn auch künstlerisch nicht immer beachtenswerte Er-
zeugnisse entgegenkommt.

Diese für den breitesten Bedarf arbeitende Glas-
industrie und Keramik mussten notwendig das Zinngerät
trotz seiner äußeren Vorzüge verdrängen. Denn die
größte Masse der alten Zinngeschirre war eine reine
Gebrauchsware, die nur so lange lebensfähig blieb, als
die Industrie nicht gleich brauchbare Erzeugnisse zu
niedrigerem Preise an ihre Stelle setzen konnte. Das
Zinn hat zwar mancherlei Eigenschaften, die seine Be-
liebtheit als Tafelgeschirr erklärlich machen; neben
seinem schönen Silberglanz bei mäßigem Materialwert
ist es hauptsächlich der Umstand, dass es bei vorschrifts-
mäßiger Legirung gegen die Oxydirung sich sehr wider-
standsfähig erweist und dadurch außer dem Edelmetall
Kunstgewerbeblatt. N. F. VII. H. 11.

das gesündeste Metall für den praktischen Gebrauch als
Teller, Trinkgefäß u. s. w. ist Aus diesem Grunde durfte
das Zinn nach Ansicht zahlreicher liturgischer Schrift-
steller des Mittelalters zu Messkelchen und Patenen
verwendet werden, während Bronze und Kupfer in un-
vergoldetem Zustand untersagt waren, weil sie durch
Oxydation den Wein verändern. (G. Bapst, L'etain,
S. 93.) Es ist auch bezeichnend, dass gerade im
Lande der praktischen Hygiene, in England, noch
heute der Zinnkrug das häufigste Trinkgefäß für Bier
geblieben ist.

Dazu kam seine Dauerhaftigkeit und Solidität, die
uns bei dem beträchtlichen Bruchschaden eines modernen
Haushaltes gelegentlich nicht ohne Bedauern an die Zeit
der Zinnherrschaft zurückdenken lässt.

In diesen Vorzügen wurde es aber vom Glas, Por-
zellan und Steingut teils erreicht, teils übertroffen, und
wo das nicht der Fall war, wie in der Dauerhaftigkeit,
wurde der Nachteil durch die größere Billigkeit der neuen
Produkte aufgewogen.

So wurde die alte und einst so blühende Zinn-
gießerei seit dem Anfang unseres Jahrhunderts auf den
Aussterbeetat gesetzt. Das schöne und wohlfeile Metall
wurde zwar im kunstgewerblichen Betrieb noch weiter

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