Reichsabschied von RegenSburg 1507.
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Von einer Nnmittelbarkeit der Verhandlungen vor dem erkennenden
Gerichte, wie sie dem altdeutschen Processe als etwas selbstverständliches
galt, konnte nicht mehr die Rede sein. — Jn den förmlichen Audienzen des
Kammergerichts ließ sich die Menge der Geschäste nicht mehr bewältigen,
es war nur ein Schritt weiter auf dem eingeschlngenen Wege, wenn man
jetzt, offenbar in der guten Absicht, die Erledigung der Sachen zu forderu,
anfing, das Verfahren ganz zu zerstückeln. Die anscheinend unwichtigeren
Theile der Proceßverhandlung sollten sich nicht mehr vor der Audienz ab-
spielen, wurden vor hierzu speciell delegirte Assessoren in der Kanzlei ge-
wiesen. Dort waren zu erledigen die Exculpationen wegen Termin-
versüumung, die Anträge auf Bestellung von Beweiskommissaren, die
Prüfung der eingereichten Originaldocumente, Besichtigung der Siegel,
Zeichen der Notare u. s. w. (I. III. IV.)
Jmmerhin weist auch die Negensburger Proceßnovelle, die doch im
allgemeinen einen Zustand arger Rath- und Hilflosigkeit kennzeichnet,
wenigstens einen selbständigen VesserungSversuch auf. Sic enthält nämlich
zum ersteu Wlale die späterhin stets wiederholte Bestimmung:
„Und mag ein jede Parthey, so nichts Neues fürbracht wird, oder
fürbringen will, mündlich beschliessen, und Oantzi'nlin eoutru sagen, und
soll alsdann der Gegentheil von Stund auch mündlich beschliessen und
handeln, ohn weiter Vormiii. Es wäre dann etwas Neues, so er mit
seinem Eyd betheuren möcht, fürgefallenN (VI. 2.)
Es ist klar, daß diese Vorschrift der unnützen oder dolosen Prozeß-
verzögerung durch Schriftenhäusung wirksam entgegentritt. Jede Partei
mußte fürchten, mit etwa zurückgehaltenen Einwendungen hurch den
gegnerischen Verzicht auf weiteres Verfahren ausgeschlossen zu werden.
Es handelt sich also um den gesunden Gedanken, möglichster Eoncentrirung
der Proceßverhandlungen. Doch allein für sich, beim Mangel sonstiger
Ordnung des Proceßganges, konnte die Maßregel freilich nicht durchgreifen.
Umsoweniger, als die Parteivertreter wohl auch damals aus Collegialitäts-
rücksichten und um nicht selbst gelegentlich in gleicher Weise geschädigt zu
werden, die Ausnutzung dieses Rechtsbehelfs vermeiden mochten.
Bemerkenswerth aber ist, daß obige reichsgesetzliche Vorschrift im
fremden Rechte keine Grundlage findet, dem römischen Rechte vielmehr
zuwiderläuft. Denn Justinian hatte für den Fall des Verzichts einer
Partei auf weitere Allegationen verordnet, daß der Richter der Gegen-
partei dreimal Monatssrist ertheile, itu tuuckom ut, «i intim ckieto8 ti'68
M6U868, YU08 1iti^atoril)U8 MOI'UM Iuei6utiliu8 60U6688imU8, ull6-
AUtioi168 8UU8 uou yropouut, tum jnckox uou UMyliU8 oppormtur, 86ck
omuimocko 86ut6utium l6ssil)U8 60U86UtUU6UM l6rut. (l^lov. 115 Oup. 2.)
Der canonische Proceß aber scheint diese Verordnung überhaupt nicht an-
79
Von einer Nnmittelbarkeit der Verhandlungen vor dem erkennenden
Gerichte, wie sie dem altdeutschen Processe als etwas selbstverständliches
galt, konnte nicht mehr die Rede sein. — Jn den förmlichen Audienzen des
Kammergerichts ließ sich die Menge der Geschäste nicht mehr bewältigen,
es war nur ein Schritt weiter auf dem eingeschlngenen Wege, wenn man
jetzt, offenbar in der guten Absicht, die Erledigung der Sachen zu forderu,
anfing, das Verfahren ganz zu zerstückeln. Die anscheinend unwichtigeren
Theile der Proceßverhandlung sollten sich nicht mehr vor der Audienz ab-
spielen, wurden vor hierzu speciell delegirte Assessoren in der Kanzlei ge-
wiesen. Dort waren zu erledigen die Exculpationen wegen Termin-
versüumung, die Anträge auf Bestellung von Beweiskommissaren, die
Prüfung der eingereichten Originaldocumente, Besichtigung der Siegel,
Zeichen der Notare u. s. w. (I. III. IV.)
Jmmerhin weist auch die Negensburger Proceßnovelle, die doch im
allgemeinen einen Zustand arger Rath- und Hilflosigkeit kennzeichnet,
wenigstens einen selbständigen VesserungSversuch auf. Sic enthält nämlich
zum ersteu Wlale die späterhin stets wiederholte Bestimmung:
„Und mag ein jede Parthey, so nichts Neues fürbracht wird, oder
fürbringen will, mündlich beschliessen, und Oantzi'nlin eoutru sagen, und
soll alsdann der Gegentheil von Stund auch mündlich beschliessen und
handeln, ohn weiter Vormiii. Es wäre dann etwas Neues, so er mit
seinem Eyd betheuren möcht, fürgefallenN (VI. 2.)
Es ist klar, daß diese Vorschrift der unnützen oder dolosen Prozeß-
verzögerung durch Schriftenhäusung wirksam entgegentritt. Jede Partei
mußte fürchten, mit etwa zurückgehaltenen Einwendungen hurch den
gegnerischen Verzicht auf weiteres Verfahren ausgeschlossen zu werden.
Es handelt sich also um den gesunden Gedanken, möglichster Eoncentrirung
der Proceßverhandlungen. Doch allein für sich, beim Mangel sonstiger
Ordnung des Proceßganges, konnte die Maßregel freilich nicht durchgreifen.
Umsoweniger, als die Parteivertreter wohl auch damals aus Collegialitäts-
rücksichten und um nicht selbst gelegentlich in gleicher Weise geschädigt zu
werden, die Ausnutzung dieses Rechtsbehelfs vermeiden mochten.
Bemerkenswerth aber ist, daß obige reichsgesetzliche Vorschrift im
fremden Rechte keine Grundlage findet, dem römischen Rechte vielmehr
zuwiderläuft. Denn Justinian hatte für den Fall des Verzichts einer
Partei auf weitere Allegationen verordnet, daß der Richter der Gegen-
partei dreimal Monatssrist ertheile, itu tuuckom ut, «i intim ckieto8 ti'68
M6U868, YU08 1iti^atoril)U8 MOI'UM Iuei6utiliu8 60U6688imU8, ull6-
AUtioi168 8UU8 uou yropouut, tum jnckox uou UMyliU8 oppormtur, 86ck
omuimocko 86ut6utium l6ssil)U8 60U86UtUU6UM l6rut. (l^lov. 115 Oup. 2.)
Der canonische Proceß aber scheint diese Verordnung überhaupt nicht an-