Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II.

Das architektonische Ornament am Strassburger Münster.

J. Knauth, Münsterbaumeister.

I. Teil.

Nach dem Zusammenbruch des ge-
waltigen römischen Reiches musste auch
auf dem Gebiete der Baukunst in den nun-
mehr germanischen Ländern die Einwirkung
germanischen Geistes eine allmählige Um-
bildung der alten Formensprache hervor-
bringen. Besonders gegen Ende des ersten
Jahrtausends unserer Zeitrechnung hatte der
als Fortbildung der altchristlichen-römischen
Bauweise sich entwickelnde neue Baustil
eine besonders kraftvolle Selbständigkeit
erlangt. In den allmählig zu grosser Blüte
herangewachsenen betriebsamen Städten am
Rhein wuchsen mächtige Domkirchen aus
dem Boden. Mainz, Worms und Speyer
sind heute noch bezeichnende Marksteine
für die Geschichte des ersten selbständigen
germanischen Monumentalstils, den die
Kunstgeschichte merkwürdiger Weise mit
dem wenig passenden Namen „Romanischer

Stil“ bedacht hat. In den ersten Jahr-
hunderten nachrömischer Geschichte war
diesseits der Alpen für die Baukunst wenig
Gelegenheit gewesen, grosse Triumphe zu
feiern. Was insbesondere die Kirche an
Kultusbauten benötigte, wird, wenn man
sich nicht mit der notdürftig instand ge-
setzten Ruine einer der vielen Römerbauten
bediente, in der Regel wohl nur einfacher
Holzbau primitivster Art gewesen sein.
Aber auch die in massiver Bauart aus-
geführten Kirchen waren wohl lange Zeit
hindurch in der Mehrheit schmucklose, nur
den rein praktischen Zwecken angepasste
Bauwerke; von einem charakteristischen
Ornament von der Hand des Steinmetzen,
des Bildhauers konnte dabei nicht die Rede
sein. Gegen Ende des ersten Jahrtausends
wurde dies anders. Die gesteigerte Bau-
tätigkeit war die Veranlassung zur Bildung
 
Annotationen