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Akademie der Künste [Editor]; Österreichisch-Deutscher Volksbund [Editor]
Ausstellung österreichischer Kunst 1700-1928: Zeichnungen, Aquarelle, Graphik : Januar/Februar 1928 — Berlin: Verlag der Preußischen Akademie der Künste zu Berlin, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.48639#0013
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mußte die Kunst ihren Weg zum Naturalismus der modernen Zeit
finden. Der Übergang geschah in mehreren Stilwellen. Die erste
derselben war der Klassizismus. Es ist überaus bezeichnend für die
Tendenzen der Aufklärungszeit, daß die Überwindung der Barock-
kunst nicht durch künstlerische Taten, sondern durch wissenschaft-
liche Thesen versucht wurde, durch die Lehre von der Notwendig-
keit der Nachahmung der Antike und der großen Renaissance-
meister. Sobald aber solche ästhetische Theorien nicht nur von außen
her in die Kunst hineingetragen werden, sondern wie damals den
Künstler bei seinem Schaffensprozeß bewußt leiten, geht der feinste
Reiz des Kunstwerkes verloren. Am erfreulichsten wirkt daher die
klassizistische Kunst dort, wo sie sich dem neuen Drang der Zeit
unbeeinflußt von allen Theorien hingeben konnte, vor allem also
im Porträt und in der Zeichnung. Auch Füger hat auf diesem Gebiete
das Bedeutendste geleistet, vor allem auf einem damals sehr beliebten
Zweige, dem Miniaturporträt. Er war unbestritten damals der beste
deutsche Miniaturmaler und vermag den Vergleich mit seinen
berühmtesten Zeitgenossen in England und Frankreich ruhig auf-
zunehmen.
Auf dem speziellen Gebiet der Zeichnung war es ganz besonders
wichtig, daß unter seiner Ägide das Aktzeichnen einen großen Auf-
schwung nahm. Unter allen österreichischen Barockzeichnungen
kenne ich nur eine einzige Aktstudie von Schmidt; nun wurde das
Zeichnen nach dem lebenden Modell ein ebenso regelmäßig wie
eifrig betriebener Teil des akademischen Unterrichts. Wenn auch
diese akademischen Akte bald zu Formeln erstarrten, so war doch
die Tatsache, daß die Kunstjünger immer wieder dazu verhalten
wurden, von besonderer Bedeutung für die Ausbreitung und Festi-
gung der naturalistischen Tendenzen.
Fügers Genosse auf der Akademie war der Landschafter
Johann Christian Brand, der während eines langen Lebens die Ent-
wicklung dieses Kunstzweiges von der komponierten Landschaft
bis hart an die Stufe führte, auf der Waldmüller begann. In Zeich-
nungen nicht so sehr als in Bildern gelang es ihm manchmal in
seinen späten Werken, die momentane auch atmosphärische Stim-
mung eines Naturausschnittes so überzeugend einzufangen, daß
man darin kaum ein Werk des 18. Jahrhunderts vermuten würde.
Die ebenfalls am Ende des 18. Jahrhunderts aufkommende und zu-
nächst mehr antiquarische Freude am deutschen Mittelalter hat
in Wien sehr bald einen künstlerischen Niederschlag gefunden. Die

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