Einführung
Holzsichtig - nicht polychromiert - teilgefaßt. Eine Betrachtung
Peter Königfeld
Zum Forschungsstand
Fassungen hölzerner Bildwerke stellen trotz intensiver Unter-
suchungen in den letzten Jahrzehnten ein Forschungsgebiet dar,
das immer noch überraschende Ergebnisse erbringt. Zweifellos
bestimmen in den verschiedenen Epochen der Kunstgeschichte
Holzskulpturen mit komplizierten Polychromien, bemalt, vergol-
det, versilbert, gelüstert, mit kontrastierend matt und glänzend
behandelten Oberflächen, graviert und mit Applikationen ver-
sehen, das gewohnte Bild. „Bunte Bemalung und reiche Ausstaf-
fierung der Altäre scheint unabdingbar mit den Vorstellungen
der Auftraggeber und der Künstler vom ,opus completum' ver-
bunden gewesen zu sein".1
Daneben gibt es aber - verstärkt um 1500 - „nicht polychro-
mierte", „halbgefaßte", „holzfarbige" Altarwerke und Skulpturen,
die auf diese aufwendigen Fassungen verzichten.2 Eine Möglichkeit
besteht darin, in der Preisgabe „wirklichkeitsechter" Farbfassun-
gen eine Reaktion auf die Bilderfeindlichkeit der Reformationszeit
zu sehen, einen relativ kurzfristigen und letztlich erfolglosen
Reformationsversuch, dem ehedem sakrosankten Heiligenbild
durch eine spiritualisierte Erscheinungsform einen ideellen und
funktionellen Wert zu erhalten.3
Vielleicht ist dieses Phänomen aber auch vor dem Hinter-
grund einer gesteigerten Materialästhetik anzusiedeln und als
Anzeichen eines Geschmackswandels zur Renaissance zu deuten.
1 Walsrode-Steilichte, Ldkr. Soltau-Fallingbostel, ev. Gutskapelle. Blick auf die
Westempore mit Orgelprospekt (Aufnahme 1984).
Willemsen sieht denn auch die schnitztechnische Vervollkomm-
nung der Oberflächenstruktur an spätgotischen Skulpturen als
Voraussetzung für die Entstehung solcher Bildwerke, deren Holz-
oberfläche schließlich aber doch durch Fassungen mit pigmen-
tierten Leimlösungen „veredelt" und ihres natürlichen Material-
charakters entkleidet wurden.4
Nachmittelalterliche Fassungen in „Holz-Art"
Während die Forschung ihr Interesse bisher vor allem der spät-
gotischen Monochromie gewidmet hat, blieb eher unbeachtet,
daß auch in der weiteren Entwicklung neben aufwendig gefaßten
Skulpturen offenkundig nicht- bzw. teilpolychromierte Bildwerke
eine eigene Spezies darstellten. In Niedersachsen sind - um nur
einige Beispiele zu nennen - der teilgefaßte Lettner der Braun-
schweiger Brüdernkirche (1592/94) 5, der Orgelprospekt der Guts-
kapelle in Stellichte (um 1610) mit seinen transparent holzmase-
rierten Flügeln 6 (Abb.1, 2), eine Reihe von Kirchenausstattungen
des späten 17. Jahrhunderts aus dem Umkreis der Lessen-Werk-
statt (Altäre in der Marktkirche und der Jakobikirche in Goslar7
(Abb. 3) sowie in der ev.-luth. Kirche zu Jerstedt) sowie die
„holzmaserierten" Altäre der Schloßkapelle auf dem Wohlden-
berg (nach 1731)8 (Abb. 4) zu nennen, mit Oberflächengestal-
tungen, die auf Dauer konzipiert sind. Zu erwähnen ist auch die
1738 datierte, ursprünglich lediglich mit einem pigmentierten
Überzug versehene Kanzel in der ref. Kirche in Eilsum, Ldkr.
Aurich/Ostfriesland, die mit ihrer Groninger Provenienz auf die
in den Niederlanden im 17. und 18. Jahrhundert üblichen holz-
sichtigen Kirchenausstattungen verweist.9
In diesem Zusammenhang dürfen auch Orgelprospekte nicht
vergessen werden, die in ihren Oberflächen ebenfalls holzfarbig
bzw. holzveredelt gestaltet wurden. Exemplarisch sei hier auf die
Prospekte in St. Cosmae in Stade (Berendt Huß mit Arp Schnitger,
1668 ff.) (Abb. 5) und der ev. Kirche in Dedesdorf, Ldkr. Cuxhaven,
2 Walsrode-Steilichte, Ldkr. Soltau-Fallingbostel, ev. Gutskapelle, Orgel.
Detail des linken Klappflügels während der Freilegung 1984. Die Mitwirkung
des hölzernen Trägers an der Wirkung der sehr dünnen, transparenten Holz-
maserierung ist augenfällig.
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Holzsichtig - nicht polychromiert - teilgefaßt. Eine Betrachtung
Peter Königfeld
Zum Forschungsstand
Fassungen hölzerner Bildwerke stellen trotz intensiver Unter-
suchungen in den letzten Jahrzehnten ein Forschungsgebiet dar,
das immer noch überraschende Ergebnisse erbringt. Zweifellos
bestimmen in den verschiedenen Epochen der Kunstgeschichte
Holzskulpturen mit komplizierten Polychromien, bemalt, vergol-
det, versilbert, gelüstert, mit kontrastierend matt und glänzend
behandelten Oberflächen, graviert und mit Applikationen ver-
sehen, das gewohnte Bild. „Bunte Bemalung und reiche Ausstaf-
fierung der Altäre scheint unabdingbar mit den Vorstellungen
der Auftraggeber und der Künstler vom ,opus completum' ver-
bunden gewesen zu sein".1
Daneben gibt es aber - verstärkt um 1500 - „nicht polychro-
mierte", „halbgefaßte", „holzfarbige" Altarwerke und Skulpturen,
die auf diese aufwendigen Fassungen verzichten.2 Eine Möglichkeit
besteht darin, in der Preisgabe „wirklichkeitsechter" Farbfassun-
gen eine Reaktion auf die Bilderfeindlichkeit der Reformationszeit
zu sehen, einen relativ kurzfristigen und letztlich erfolglosen
Reformationsversuch, dem ehedem sakrosankten Heiligenbild
durch eine spiritualisierte Erscheinungsform einen ideellen und
funktionellen Wert zu erhalten.3
Vielleicht ist dieses Phänomen aber auch vor dem Hinter-
grund einer gesteigerten Materialästhetik anzusiedeln und als
Anzeichen eines Geschmackswandels zur Renaissance zu deuten.
1 Walsrode-Steilichte, Ldkr. Soltau-Fallingbostel, ev. Gutskapelle. Blick auf die
Westempore mit Orgelprospekt (Aufnahme 1984).
Willemsen sieht denn auch die schnitztechnische Vervollkomm-
nung der Oberflächenstruktur an spätgotischen Skulpturen als
Voraussetzung für die Entstehung solcher Bildwerke, deren Holz-
oberfläche schließlich aber doch durch Fassungen mit pigmen-
tierten Leimlösungen „veredelt" und ihres natürlichen Material-
charakters entkleidet wurden.4
Nachmittelalterliche Fassungen in „Holz-Art"
Während die Forschung ihr Interesse bisher vor allem der spät-
gotischen Monochromie gewidmet hat, blieb eher unbeachtet,
daß auch in der weiteren Entwicklung neben aufwendig gefaßten
Skulpturen offenkundig nicht- bzw. teilpolychromierte Bildwerke
eine eigene Spezies darstellten. In Niedersachsen sind - um nur
einige Beispiele zu nennen - der teilgefaßte Lettner der Braun-
schweiger Brüdernkirche (1592/94) 5, der Orgelprospekt der Guts-
kapelle in Stellichte (um 1610) mit seinen transparent holzmase-
rierten Flügeln 6 (Abb.1, 2), eine Reihe von Kirchenausstattungen
des späten 17. Jahrhunderts aus dem Umkreis der Lessen-Werk-
statt (Altäre in der Marktkirche und der Jakobikirche in Goslar7
(Abb. 3) sowie in der ev.-luth. Kirche zu Jerstedt) sowie die
„holzmaserierten" Altäre der Schloßkapelle auf dem Wohlden-
berg (nach 1731)8 (Abb. 4) zu nennen, mit Oberflächengestal-
tungen, die auf Dauer konzipiert sind. Zu erwähnen ist auch die
1738 datierte, ursprünglich lediglich mit einem pigmentierten
Überzug versehene Kanzel in der ref. Kirche in Eilsum, Ldkr.
Aurich/Ostfriesland, die mit ihrer Groninger Provenienz auf die
in den Niederlanden im 17. und 18. Jahrhundert üblichen holz-
sichtigen Kirchenausstattungen verweist.9
In diesem Zusammenhang dürfen auch Orgelprospekte nicht
vergessen werden, die in ihren Oberflächen ebenfalls holzfarbig
bzw. holzveredelt gestaltet wurden. Exemplarisch sei hier auf die
Prospekte in St. Cosmae in Stade (Berendt Huß mit Arp Schnitger,
1668 ff.) (Abb. 5) und der ev. Kirche in Dedesdorf, Ldkr. Cuxhaven,
2 Walsrode-Steilichte, Ldkr. Soltau-Fallingbostel, ev. Gutskapelle, Orgel.
Detail des linken Klappflügels während der Freilegung 1984. Die Mitwirkung
des hölzernen Trägers an der Wirkung der sehr dünnen, transparenten Holz-
maserierung ist augenfällig.
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