Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: St. Michaelis in Hildesheim — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 34.2008

DOI Heft:
Binding, Günther: St. Michaelis in Hildesheim - Einführung, Forschungsstand und Datierung
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51162#0028
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
24

Günther Binding

einem umlaufenden, etwa 10 cm vor die Mauerflucht
vorspringenden Sockel, der 45-50 cm über dem alten
Außengelände mit einer flachen Schmiege abschließt
und an den Ecken der Querschiffarme in einen 72-82
cm hohen Sockel übergeht, der aus einem 33-40 cm
hohen Kubus und einer 41-63 cm hohen, steilen
Schmiege besteht, auf der bündig ein etwa 1 cm vor
der Wandfläche vorstehender, 58-82 cm breiter
Mauerstreifen aufsitzt, der in unterschiedlicher Höhe
ausläuft.77 Die Sockelquader setzten sich seitlich und
über der Schmiege je nach Größe des zur Verfügung
stehenden Blockes in die Wandfläche ein kleines
Stück fort.78 An den zum Langhaus gerichteten Ecken
sind die vorstehenden Mauerstreifen jeweils nur auf
der Giebelseite ausgebildet. Auffällig ist die Nordost-
ecke des Ostquerschiffs, wo die Kanten auf der Ost-
seite in 1,5 m Höhe und auf der Nordseite in 8 m
Höhe enden. Wahrscheinlich wurden die Eckquader
um 1 cm vorstehend versetzt und dann am Bau auf
die anschließende Wandfläche abgearbeitet. Diese
Abarbeitungen wurden plötzlich aufgegeben, und die
folgenden Eckquader wurden bündig mit der Wand-
fläche versetzt. Das erklärt aber nicht die unterschied-
liche Höhe an der Nordostecke.
Das aufgehende Mauerwerk besteht aus sorgfältig
abgespitzten und mit der Glattfläche überarbeiteten
Quadern, im Innern Füllmaterial aus Steinabfall in
reichlich Kalkmörtel. Der Fugenschnitt ist bestimmt
durch „die sparsamste Ausnutzung des Rohmate-
rials",79 die teilweise ausgeklinkten Steine sind als
Binder und hoch gestellte Platten - häufig in abwech-
selnden Schichten - versetzt.80 Das einheitliche
Fundament und die tastenden Versuche bei der Ge-
staltung der Quaderflächen und der Ecken der Quer-
schiffarme zeigen deutlich, dass die Kirche als Ganzes
fundamentiert und hochgezogen worden ist und
nicht, wie Werner Jacobsen und Dethard von
Winterfeld neuerdings behauptet haben, abschnitts-
weise errichtet wurde.
Ganz anders stellt sich die verwandte Ecksituation an
der Damenstiftskirche Oberkaufungen dar, die die
Kaiserin Kunigunde mit Stiftungen Heinrichs II. 1017-
1025 gebaut hat.81 An den beiden westlichen Ecken
des querrechteckigen Westturmes, an den einst zwei
runde Treppentürme anschlossen, finden sich über
den Hildesheim entsprechenden Schmiegensockeln
36 cm breite und 2 cm vorstehende Eckbetonungen,
an die heute noch auf der Westseite der Putz
anschließt und damit ihre Funktion deutlich macht.
Die bis zum Dach reichenden Vorlagen werden in
einem Drittel der Höhe etwas schmaler. Einen entspre-
chenden Schmiegensockel weist auch die Nordost-
ecke des Chores auf, dort sind im Mauerwerk auch
Steine mit entsprechender Kante in Zweitverwendung
zu sehen.

Uwe Lobbedeys Hinweis82 auf die Ecksteine an den
Bauten Bischof Meinwerks in Paderborn ist nur
bedingt tragfähig, da die Sockel sehr viel niedriger
und profiliert sind und der Vorsprung als Putzkante
darüber fehlt. Auch ist zu berücksichtigen, dass der
gleich nach der Bischofswahl 1009-1015 errichtete
Dom noch keine Ecksockel hat; die „meinwerkschen
Ecksockel" verwenden erst die Bartholomäus-Kapelle,
der Palasneubau der königlichen Pfalz, der südwest-
lich gelegene Bischofspalast und die Abdinghof-
kirche.83 Diese Bauten sind in die 1020er Jahre zu
datieren, also später als St. Michaelis in Hildesheim
(Grundsteinlegung 1010) und Oberkaufungen (ab
1017). Gabriele Mietke behandelt im Zusammenhang
mit der Bartholomäus-Kapelle in Paderborn, die
Bischof Meinwerk 1023 von byzantinischen Bau-
leuten errichten ließ, ausführlich die Eckquaderung
über betonten Eckbasen, bezeichnet sie als Eckpilaster
und geht davon aus, dass Fugen und ein notwendiges
Kapitell aufgemalt gewesen sein könnten. An der
Paderborner Bartholomäus-Kapelle „bildet ein vorste-
hender Block mit abgefaster Oberkante einen Sockel.
[...] Auf dem Sockelstein steht der profilierte Eckstein
mit einem Profil aus Platte und langer flacher Schräge,
welche oben von einem Wulst auf bandartigem
Unterzug begrenzt wird. Die Basis ist nicht für sich
gearbeitet, sondern aus einem größeren Quader he-
rausgehauen, welcher sich über dem Profil und seit-
lich der Basis in der Wandebene ein Stück fort-
setzt."84 Die einzelnen Ecksockel liegen auf unter-
schiedlicher Höhe jeweils dem abfallenden Gelände
entsprechend. Die Quader der Gebäudeecken greifen
unregelmäßig in die Bruchsteinmauern ein. Es ist
anzunehmen, dass der Wandputz bis an die seitliche
Sockelkante reichte und eine gerade Linie bildete, so
dass - farbig abgesetzt - über dem Sockel eine
Eckbetonung wie zum Beispiel an der Ostfront der
salischen Klosterkirche Hersfeld, die nach dem Brand
im Jahre 1037/38 neu gebaut worden ist, errichtet
wurde, indem die in das Bruchsteinmauerwerk unre-
gelmäßig einbindenden Quader an den Ecken in gera-
der Linie unverputzt sichtbar blieben.
Mit Hildesheim verwandte Ecklisenen zeigt das karo-
lingische Querschiff von Reichenau-Mittelzell (Heito-
Bau 811-816): über einem glatten Untergeschoss „ein
etwas zurückgesetztes Obergeschoß mit breiten
äußeren und inneren Ecklisenen" aus Eckquadern
und Bruchsteinen, die die Kante des sehr knappen
Rücksprungs formen.85 Vielleicht wurde Bernward
auch von den Ecklisenen mit aufgelegten Pilastern am
Westwerk von St. Pantaleon in Köln (Ende 10. Jahr-
hundert) angeregt.
„Überlegungen zur geistlichen Konzeption der
Michaeliskirche vom 11. bis zum 13. Jahrhundert" ha-
ben Clemens Kosch und Gottfried Stracke aufgrund
 
Annotationen