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Günther Binding
hatte, beschäftigte (Totum autem aestivum tempus in
exstructione murorum civitatis, quam Hildenesheim
inchoaverait, institit), zwischendurch machte ihm
auch ein Magenleiden zu schaffen."8 Wann allerdings
Bernward mit dem Bau der Stadtmauer begonnen
hat, ist nicht überliefert und auch nicht zu erschlie-
ßen, jedenfalls war sie 1001 im Bau. Wenn Thangmar
sagt inchoaverat, so ist damit ausgedrückt, dass Bern-
ward den Mauerbau begonnen, aber zur Zeit der Nie-
derschrift des Berichtes nicht fertiggestellt hat. Daraus
ist eine genauere Datierung des Thangmar-Textes
nicht zu gewinnen. Jedenfalls ist er sehr wahrschein-
lich vor 1000/1001 abgefasst und erwähnt weder St.
Michaelis noch den verheerenden Dombrand am 21.
Januar 1013, bei dem das Archiv mit allen Urkunden
verbrannt ist. Auch werden unter den von Bernward
geschaffenen oder gestifteten Kunstwerken weder
die Bronzetür für den Dom von 10159 noch die Bron-
zesäule aus St. Michaelis10 genannt, auch fehlt der
Ringelheimer Holzkruzifixus, aus dem ein Reliquien-
zettel mit einer wohl eigenhändigen (Schuffels) Notiz
Bernwards stammt.11 Da die 996 geweihte Hl. Kreuz-
Kapelle erwähnt ist, ist die Abfassungszeit der ersten
zehn Kapitel auf 996/1000 zu bestimmen.
Für die Gründung bzw. den Baubeginn von St. Micha-
elis wird in der Literatur immer wieder das Datum 1001
genannt. Das bei Werner Ueffing 197412 wieder auf-
tauchende Datum für den Baubeginn 1001 ist bei Jo-
hann Michael Kratz 184013 „nach der Überlieferung"
ohne sichere Quelle mitgeteilt und dürfte nicht zutref-
fend sein, worauf schon Beseler/Roggenkamp 195414
hingewiesen haben, dennoch schreibt Konrad Alger-
missen 196015 wieder, dass Bernward nach Rückkehr
aus Rom 1001 den Neubau begann; ebenso Karl
Sievert 196016 und Viktor H. Eibern 198017. Das
Datum 1001 taucht erstmals in der um 1600 verfass-
ten Chronik von St. Michaelis auf und ist vermutlich
ein Schreibfehler: statt 1010 nun 1001,18 Darauf habe
ich bereits 1984 hingewiesen, dennoch bringt Werner
Jacobsen im Nachtragsband zum Katalog „Vorroma-
nische Kirchenbauten" 1991 erneut dieses Datum.19
Für die Datierung des Baubeginns der Kirche des
Klosters St. Michaelis dient allgemein in der Literatur
der am 4. Juni 1908 im Fundament der Südostecke
des 1662 abgebrochenen südwestlichen Querschiff-
turmes von St. Michaelis gefundene, 100 x 74 cm
große Grundstein mit der Inschrift „S. BENIAMIN / S.
MATHEVS A/B+EP/MX" (sanctus Beniamin, sanctus
Matheus apostolus, Bernwardus episcopus millesimo
decimo [1010])20(vgl. Abbildung 3).
1991 hat Werner Jacobsen die Auffassung vertreten,
dass das Datum nur für „den Baubeginn des Turmes,
nicht der Kirche" gilt: „Der Kirchenbau dürfte wohl
vielmehr schon bald nach 996 in Angriff genommen
worden sein."21 Und im Bernward-Katalog heißt es:
Die vier Türme können „mit fortschreitendem Baube-
trieb einzeln zu unterschiedlichen Zeiten gegründet
worden sein. Der unter dem Südwestturm gefundene
Grundstein gibt mithin nur den Beweis, daß die Bau-
arbeiten im Jahre 1010 an besagtem südwestlichen
Treppenturm angelangt waren."22 Dethard von Win-
terfeld wiederholt diese Auffassung 2001: „Der selte-
ne Fall des unter dem Südquerarm aufgefundenen
Grundsteins von 1010 darf für diesen Bauteil, kaum
aber für den Baubeginn insgesamt als verbindlich be-
trachtet werden."23
Dass der Grundstein nur diesen Bauteil datiert, ist eine
aus heutiger Sicht gewonnene falsche Interpretation,
denn die uns zur Verfügung stehenden Quellen aus
dem Mittelalter machen deutlich, dass in feierlicher
und bedeutungsvoller Weise (titulato in Bernwards 2.
Testament) Grundsteine für den ganzen Kirchenbau
gelegt worden sind. Auf die Grundsteine nimmt der
Kirchweihritus Bezug, wenn beim Umschreiten der
Kirche und Besprengen mit Weihwasser das
Antiphonar gesungen wird: Haec est domus domini,
firmiter aedificata; bene fundata est supra firmam
petram.24 1980 hat sich der Kirchenhistoriker Karl
Josef Benz in vorzüglicher Weise „zur Geschichte und
Deutung des Ritus der Grundsteinlegung im Hohen
Mittelalter" geäußert;25 von ihm wurde jedoch das
Hildesheimer Beispiel nicht berücksichtigt. Ausgehend
von einem verhältnismäßig ausführlichen Bericht des
Abtes Suger über die Grundsteinlegung zum neuen
Chor der Kirche Saint-Denis 1140 stellt Benz fest, dass
es offensichtlich noch keinen klaren Ritus der
Grundsteinlegung gab, dass aber „die Elemente, die
wir in der Gründungsfeierlichkeit in Saint-Denis fin-
den, schon in der 1. Hälfte des 11. Jahrhundert und
früher vorhanden sind."26 Zwischen 950 und 963/64
war in der Mainzer Abtei St. Alban eine Kompilation
liturgischer Texte entstanden, die als römisch-deut-
sches Pontifikale bezeichnet wird.27 Durch die zentra-
le Bedeutung des Mainzer Erzstuhles, an dem
Bernward bis 977 mehrere Jahre weilte und dessen
Erzbischof Willigis ihn zum Priester und 993 zum
Bischof von Hildesheim konsekrierte, war für eine
rasche Verbreitung im ganzen ottonischen Reich
gesorgt. „Es wurde gleichsam zum Reichspontifikale,
dessen effektive Verwendung für die Zeit Heinrichs II.
nachgewiesen werden konnte" (für die Kirchenweihe
von Gandersheim 1007).28 Benz legt dar, dass der Teil
de aedificanda aecclesia folgende Teile umfasste:29
1. Die öffentliche Aufrichtung eines Kreuzes auf dem
Baugelände an der Stelle des späteren Altares nach
vorausgegangener Dotierung durch den Stifter.
2. Lustration des Baugeländes mit Weihwasser unter
Gesang von Antiphon Signum salutis pone und Psalm
83 Quam dilecta tabernacula tua Domine exercituum
desiderat.
Günther Binding
hatte, beschäftigte (Totum autem aestivum tempus in
exstructione murorum civitatis, quam Hildenesheim
inchoaverait, institit), zwischendurch machte ihm
auch ein Magenleiden zu schaffen."8 Wann allerdings
Bernward mit dem Bau der Stadtmauer begonnen
hat, ist nicht überliefert und auch nicht zu erschlie-
ßen, jedenfalls war sie 1001 im Bau. Wenn Thangmar
sagt inchoaverat, so ist damit ausgedrückt, dass Bern-
ward den Mauerbau begonnen, aber zur Zeit der Nie-
derschrift des Berichtes nicht fertiggestellt hat. Daraus
ist eine genauere Datierung des Thangmar-Textes
nicht zu gewinnen. Jedenfalls ist er sehr wahrschein-
lich vor 1000/1001 abgefasst und erwähnt weder St.
Michaelis noch den verheerenden Dombrand am 21.
Januar 1013, bei dem das Archiv mit allen Urkunden
verbrannt ist. Auch werden unter den von Bernward
geschaffenen oder gestifteten Kunstwerken weder
die Bronzetür für den Dom von 10159 noch die Bron-
zesäule aus St. Michaelis10 genannt, auch fehlt der
Ringelheimer Holzkruzifixus, aus dem ein Reliquien-
zettel mit einer wohl eigenhändigen (Schuffels) Notiz
Bernwards stammt.11 Da die 996 geweihte Hl. Kreuz-
Kapelle erwähnt ist, ist die Abfassungszeit der ersten
zehn Kapitel auf 996/1000 zu bestimmen.
Für die Gründung bzw. den Baubeginn von St. Micha-
elis wird in der Literatur immer wieder das Datum 1001
genannt. Das bei Werner Ueffing 197412 wieder auf-
tauchende Datum für den Baubeginn 1001 ist bei Jo-
hann Michael Kratz 184013 „nach der Überlieferung"
ohne sichere Quelle mitgeteilt und dürfte nicht zutref-
fend sein, worauf schon Beseler/Roggenkamp 195414
hingewiesen haben, dennoch schreibt Konrad Alger-
missen 196015 wieder, dass Bernward nach Rückkehr
aus Rom 1001 den Neubau begann; ebenso Karl
Sievert 196016 und Viktor H. Eibern 198017. Das
Datum 1001 taucht erstmals in der um 1600 verfass-
ten Chronik von St. Michaelis auf und ist vermutlich
ein Schreibfehler: statt 1010 nun 1001,18 Darauf habe
ich bereits 1984 hingewiesen, dennoch bringt Werner
Jacobsen im Nachtragsband zum Katalog „Vorroma-
nische Kirchenbauten" 1991 erneut dieses Datum.19
Für die Datierung des Baubeginns der Kirche des
Klosters St. Michaelis dient allgemein in der Literatur
der am 4. Juni 1908 im Fundament der Südostecke
des 1662 abgebrochenen südwestlichen Querschiff-
turmes von St. Michaelis gefundene, 100 x 74 cm
große Grundstein mit der Inschrift „S. BENIAMIN / S.
MATHEVS A/B+EP/MX" (sanctus Beniamin, sanctus
Matheus apostolus, Bernwardus episcopus millesimo
decimo [1010])20(vgl. Abbildung 3).
1991 hat Werner Jacobsen die Auffassung vertreten,
dass das Datum nur für „den Baubeginn des Turmes,
nicht der Kirche" gilt: „Der Kirchenbau dürfte wohl
vielmehr schon bald nach 996 in Angriff genommen
worden sein."21 Und im Bernward-Katalog heißt es:
Die vier Türme können „mit fortschreitendem Baube-
trieb einzeln zu unterschiedlichen Zeiten gegründet
worden sein. Der unter dem Südwestturm gefundene
Grundstein gibt mithin nur den Beweis, daß die Bau-
arbeiten im Jahre 1010 an besagtem südwestlichen
Treppenturm angelangt waren."22 Dethard von Win-
terfeld wiederholt diese Auffassung 2001: „Der selte-
ne Fall des unter dem Südquerarm aufgefundenen
Grundsteins von 1010 darf für diesen Bauteil, kaum
aber für den Baubeginn insgesamt als verbindlich be-
trachtet werden."23
Dass der Grundstein nur diesen Bauteil datiert, ist eine
aus heutiger Sicht gewonnene falsche Interpretation,
denn die uns zur Verfügung stehenden Quellen aus
dem Mittelalter machen deutlich, dass in feierlicher
und bedeutungsvoller Weise (titulato in Bernwards 2.
Testament) Grundsteine für den ganzen Kirchenbau
gelegt worden sind. Auf die Grundsteine nimmt der
Kirchweihritus Bezug, wenn beim Umschreiten der
Kirche und Besprengen mit Weihwasser das
Antiphonar gesungen wird: Haec est domus domini,
firmiter aedificata; bene fundata est supra firmam
petram.24 1980 hat sich der Kirchenhistoriker Karl
Josef Benz in vorzüglicher Weise „zur Geschichte und
Deutung des Ritus der Grundsteinlegung im Hohen
Mittelalter" geäußert;25 von ihm wurde jedoch das
Hildesheimer Beispiel nicht berücksichtigt. Ausgehend
von einem verhältnismäßig ausführlichen Bericht des
Abtes Suger über die Grundsteinlegung zum neuen
Chor der Kirche Saint-Denis 1140 stellt Benz fest, dass
es offensichtlich noch keinen klaren Ritus der
Grundsteinlegung gab, dass aber „die Elemente, die
wir in der Gründungsfeierlichkeit in Saint-Denis fin-
den, schon in der 1. Hälfte des 11. Jahrhundert und
früher vorhanden sind."26 Zwischen 950 und 963/64
war in der Mainzer Abtei St. Alban eine Kompilation
liturgischer Texte entstanden, die als römisch-deut-
sches Pontifikale bezeichnet wird.27 Durch die zentra-
le Bedeutung des Mainzer Erzstuhles, an dem
Bernward bis 977 mehrere Jahre weilte und dessen
Erzbischof Willigis ihn zum Priester und 993 zum
Bischof von Hildesheim konsekrierte, war für eine
rasche Verbreitung im ganzen ottonischen Reich
gesorgt. „Es wurde gleichsam zum Reichspontifikale,
dessen effektive Verwendung für die Zeit Heinrichs II.
nachgewiesen werden konnte" (für die Kirchenweihe
von Gandersheim 1007).28 Benz legt dar, dass der Teil
de aedificanda aecclesia folgende Teile umfasste:29
1. Die öffentliche Aufrichtung eines Kreuzes auf dem
Baugelände an der Stelle des späteren Altares nach
vorausgegangener Dotierung durch den Stifter.
2. Lustration des Baugeländes mit Weihwasser unter
Gesang von Antiphon Signum salutis pone und Psalm
83 Quam dilecta tabernacula tua Domine exercituum
desiderat.