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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: St. Michaelis in Hildesheim — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 34.2008

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Binding, Günther: St. Michaelis in Hildesheim - Einführung, Forschungsstand und Datierung
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https://doi.org/10.11588/diglit.51162#0051
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St. Michaelis in Hildesheim
Einführung, Forschungsstand und Datierung

3. Gebet des Bischofs pro consecratione loci um
Reinigung des Ortes, um glückliche Vollendung des
Baues und um Segen für alle, die später einmal dort
beten werden.
Die letzen Worte sic domum aedificet schließen nach
Benz konkrete Baumaßnahmen vor der Segnung des
Baugeländes und damit auch die Möglichkeit einer
Fundament- bzw. Grundsteinlegung schon zu diesem
Zeitpunkt aus. Im Pontifikale des Durandus von
Mende aus dem Ende des 13. Jahrhunderts ist noch
die Möglichkeit berücksichtigt, dass zur Feier der
Grundsteinlegung die Fundamente der zu bauenden
Kirche noch nicht ausgehoben sind: Der Bischof
sprengt Weihwasser über die Fundamente, „wenn sie
ausgehoben sind (s/ sunt aperta), andernfalls (si non
sunt aperta) besprengt er alle Stellen, die für die
Fundamente der Kirche bezeichnet sind" (Universa
loca ad fundamenta ecclesie designata).30 Da kein
anderer analoger Ritus aus dem 10./11. Jahrhundert
erhalten ist, dürfen wir annehmen, dass er im We-
sentlichen so praktiziert wurde, wie er überliefert ist.
Dafür spricht unter anderem die Tatsache, dass die
juristische Vorlage des Canon de aedificanda aecclesia
später in der 1010, jedenfalls vor 1023 entstandenen
Rechtssammlung des Burchard von Worms übernom-
men wurde.31
Eine feierliche Grundsteinlegung überliefert Thietmar
(gest. 1018) für seine Bischofskirche in Merseburg
zum Jahre 1015.32 Der Beginn der Baumaßnahme
war feierlich gestaltet durch die Anwesenheit des
Erzbischofs Gero von Magdeburg und dadurch, dass
Thietmar selbst die ersten Steine in Kreuzform ausleg-
te (cuius primos posui lapides in modum sanctae cru-
cis). Nach der im 10. Jahrhundert verfassten Lebens-
beschreibung der um 725 verstorbenen Äbtissin Berta
von Blangy erscheint ihr in einer Vision der Platz für
ihre kreuzförmige Kirche; „sie fand vier Steine in der
Art des Kreuzes gelegt und gleichsam die Fundamen-
te mit einem Stab in gewohnter Weise [im Umriss]
bezeichnet" (inveniens [...] 4 lapides in modum crucis
positos et quasi cum baculo in more designata funda-
menta).33
Die Figur des Kreuzes verherrlicht nach Hrabanus
Maurus in De laudibus sanctae crucis 813/14 Christus
creator und wird auf die Universalität der Kirche, auf
die structura coelestis aedificii übertragen.34 Die
declaratio verweist auf die Praefiguration der Kirche,
den salomonischen Tempel, dessen Fundament nach
1. Könige 5,31 aus lapides quadrati gelegt ist. Thiet-
mars Aussage erlaubt weiter die Feststellung, dass der
Baubeginn in feierlicher Form geschah und symbo-
lisch ausgedeutet wurde. Die Darstellung des Abtes
Suger von Saint-Denis enthält die gleichen Elemente
der Solemnisierung, nämlich die Einbeziehung der

anwesenden Gäste in das Geschehen, die ganz per-
sönliche Steinlegung auch des Gründers bzw. Stifters
und die symbolische Gestaltung des Vorganges.35
Diese Solemnisierung des Baubeginns hat ihre Ge-
schichte und kann bis ins 5. Jahrhundert zurückver-
folgt werden.36
Der 1908 unter dem Südwestquerschiffturm gefunde-
ne Grundstein mit den Namen des Märtyrers Ben-
jamin (gest. 30.03.424) und des Apostels Matthäus
sowie des Bauherrn Bischof Bernward mit der
Jahreszahl 1010 lässt durch seine Lage erkennen, dass
Bernward Steine bei der Grundsteinlegung wohl nicht
nur kreuzförmig angeordnet hat, sondern zumindest
zwei Kreuze mit Betonung der Querhausecken ausge-
legt haben muss, denn ebenfalls 1908 wurde in der
Nähe der südwestlichen Fundamentecke des gleichen
Südwestquerschiffs das Bruchstück eines vermutlich
weiteren Grundsteins gefunden mit den Buchstaben
MIAS, offenbar der Rest des Namens Jeremias.37 Ob
und wie durch weitere Grundsteine die in der weitver-
breiteten Vita des Papstes Silvester I. (um 460 entstan-
den) genannte Zwölfzahl der Propheten erreicht wor-
den ist,38 bleibt unbekannt, jedoch ist ein Bezug auf
die Aussage der Apokalypse 21,14 festzustellen, nach
der die Mauern der Himmelsstadt auf zwölf Grund-
steinen stehen, in welche die Namen der zwölf
Apostel eingeschrieben sind. Damit folgt Bernward
einer in seiner Zeit nicht unbekannten Interpretation,
wie sie im 9. Kapitel der zwischen 983 und 993 von
Gerhard verfassten älteren Vita des Bischofs Ulrich
von Augsburg aus dem Inhalt seiner Predigten wie-
dergegeben wird, wo es zum Schluss heißt:39
„So wie die Engel in ihrem ursprünglichen Stand
immer bleiben werden, so bleiben auch die Menschen
nach ihrer Auferstehung den Engeln gleich rein und
unverändert in der Stadt unseres Gottes, die erbaut ist
auf seinem heiligen Berg. Diese Stadt, so ist gesagt,
erstrahlt im Glanz von zwölf kostbaren Edelsteinen
und ist darauf gegründet, deren Namen und Anord-
nung der heilige Apostel und Evangelist Johannes in
der Geheimen Offenbarung aufführt. [...] Dieses
Setzen der zwölf Steine bedeuten die Festigkeit der
Apostel, die im Fundament der Kirche gesetzt sind,
wie der Welterlöser zum heiligen Petrus sagt: ,Du bist
Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche
bauen'. Indem er das zu Petrus sagte, tat er allen
Aposteln kund, dass auf sie seine Kirche gebaut wer-
den solle, auf sie, deren Stimme in alle Welt erging,
und ihr Wort bis an der Erde Grenzen. Wenn nun die
Apostel das Fundament des Hauses Gottes sind, und
wenn die ganze Christenheit der Bau dieses Tempels
sein soll - wie der Herr sagt: ,Der Tempel des Herrn ist
heilig, und der seid ihr' und: ,Gottes Bauen seid ihr'
usw. -, dann lasst uns alle mit ganzer Kraft danach
trachten, uns dem anzuschließen, der uns erbaut und

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