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Günther Binding
ciis, quae pompatico decore composuit, post quoque
claruit. In negociis vero domesticis et ad usum rei
familiaris pertinentibus vivacissimus executor
Bei dieser Beschreibung fühlt man sich an den
Werkmeister Beselehel vom Stamm Juda erinnert, den
Gott für den Bau der Stiftshütte berufen hat (Buch
Exodus 35, 30-33 und 36, 1-2):10 „Ich habe ihn erfüllt
mit dem Geist (spiritus) Gottes, Weisheit (sapientia),
Verstand (intellegentia) und Wissen (scientia), um mit
jeder Lehre (doctrina) ein Werk in Gold, Silber und
Bronze auszudenken und auszuführen, und er kann
im Steineschlagen und im Zimmererwerk jedwedes
geschickt planen (adinveniri).“ Der Herr hat ihm und
anderen sapientia und intellectus gegeben, „damit sie
wissen, meisterlich werktätig zu sein (fahre operari),
was für den Gebrauch des Heiligtums notwendig ist."
Zudem werden für Bernward Hauswirtschaft und
Güterverwaltung erwähnt; das verweist auf die antike
Ökonomik, die Haus- und Landwirtschaft umfasst.11
Auch für Benno von Osnabrück werden entsprechen-
de Fähigkeiten gepriesen, (s. u.)
Die Ausbildung in den artes mechanicae'2 muss
Bernward besonders interessiert haben, denn später
als Bischof von Hildesheim hat er sich intensiv um die
Werkstätten gekümmert, wie Thangmar bei der
Beschreibung des Tagesablaufs schildert. Nach der
Frühmesse hat sich Bernward zunächst Verwaltungs-
aufgaben gewidmet. „Dann unternahm er einen
Rundgang durch die Werkstätten, wo Metallge-
genstände verschiedenen Gebrauchs gefertigt wur-
den, und überprüfte die Werke der einzelnen" (Inde
officinas ubi diversi usus metalla fiebant circuiens, sin-
gulorum opera librabat).'2 Anschließend gibt Thang-
mar eine allgemeine Würdigung der Fähigkeiten sei-
nes Schülers und Bischofs:14
„[...], auch gibt es keine Kunstfertigkeit, die er nicht
versucht hätte, auch wenn er es nicht bis zur letzten
Vollendung bringen konnte. So betrieb er Schreib-
stuben nicht allein im Dom, sondern auch an verschie-
denen anderen Stellen, und erwarb sich hierdurch
eine reichhaltige Bibliothek religiöser und philosophi-
scher Schriften. Nie duldete er, dass die Malerei, die
Bildhauerei, das Goldschmiede-Handwerk sowie die
Fertigkeit, [Metall]fassungen herzustellen, und das,
was er sonst an Geschmackvollem in solcher Kunst-
fertigkeit ausdenken konnte, vernachlässigt würden,
[...]. Er hatte, wenn er an den Hof oder auf längere
Reisen ging, stets talentierte und überdurchschnittlich
begabte junge Männer15 in seiner Begleitung, die
alles, was im Bereich irgendeiner Kunst an Wertvollem
auffiel, genau studieren mussten. Außerdem beschäf-
tigte er sich mit dem Mosaik für den Schmuck von
Fußböden, und insbesondere hat er mit dem ihm
eigenen beharrlichen Fleiß, ohne dass es ihm jemand
gezeigt hat, Backsteine zu einem Ziegel zusammenge-
fügt."
nec aliquid artis erat, quod non attemptaret,
etiam si ad unguem pertingere non valeret. Scriptoria
namque non in monasterio tantum, sed in diversis
locis studebat, unde et copiosam bibliothecam tarn
divinorum quam philosophicorum codicum compara-
vit. Picturam vero et sculpturam et fabrilem atque clu-
soriam artem, et quicquid elegantius in huiusmodi
arte excogitare poterat, numquam neglectum patie-
batur, [...]. Ingeniosos namque pueros et eximiae
indolis secum vel ad curtem ducebat vel quocumque
longius commeabat, quos, quicquid dignius in ulla
arte occurrebat, ad exercitium impellebat. Musivum
praeterea in pavimentis ornandis Studium, necnon
lateres ad tegulam propria industria nullo monstrante
composuit."
Im Zusammenhang mit Wunderberichten übermittelt
die Wta Bernwardi auch die angeblich eigenhändige
Herstellung einer Kapsel16 für die Kreuzpartikel, die
Otto III. Bernward geschenkt hat; der Bericht gehört
zu den später eingefügten, unrealistischen Wunder-
geschichten (Hinweis H. J. Schuffels).17
Bernwards „eigenhändige" künstlerische Tätigkeit ist
nicht nur auf der Grundlage der Charakterisierung
durch Thangmar, sondern auch anhand der
Inschriften auf zwei Silberleuchtern, einer Patene und
in zwei Codices zu beurteilen.
Die beiden angeblich 1194, wie 1540 behauptet wird,
aus dem Grab Bernwards entnommenen, teilweise
vergoldeten Silberleuchter mit Eisenkern wurden ver-
mutlich im zweiten Jahrzehnt des 11. Jahrhunderts
(vor 1022) für St. Michaelis geschaffen (seit der
Säkularisation im Kirchenschatz von St. Magdalenen,
heute als Leihgabe im Dom- und Diözesanmuseum).
Die ausführliche Inschrift, die auf beiden Leuchtern
gleichlautend Lichtteller und Sockel umzieht, gibt
Auskunft über Bernwards Anteil;18
„Bischof Bernward befahl seinem Diener, diesen
Leuchter in der ersten Blüte dieser Kunst nicht aus
Gold, nicht aus Silber und doch, wie du siehst, zu gie-
ßen."
„Bernwardus presul candelabrum hoc puerum suum
primo huius artis flore non auro non argento et tarnen
ut cernis conflare iubebat."
Die Inschriften nennen ausdrücklich Bernward als
Auftraggeber (iubebat); die Ausführung lag in den
Händen eines Dieners bzw. Gesellen (puer); solche
pueri (junge Männer), die „talentiert und überdurch-
schnittlich begabt" waren, haben Bernward auf sei-
nen Reisen begleitet.
Günther Binding
ciis, quae pompatico decore composuit, post quoque
claruit. In negociis vero domesticis et ad usum rei
familiaris pertinentibus vivacissimus executor
Bei dieser Beschreibung fühlt man sich an den
Werkmeister Beselehel vom Stamm Juda erinnert, den
Gott für den Bau der Stiftshütte berufen hat (Buch
Exodus 35, 30-33 und 36, 1-2):10 „Ich habe ihn erfüllt
mit dem Geist (spiritus) Gottes, Weisheit (sapientia),
Verstand (intellegentia) und Wissen (scientia), um mit
jeder Lehre (doctrina) ein Werk in Gold, Silber und
Bronze auszudenken und auszuführen, und er kann
im Steineschlagen und im Zimmererwerk jedwedes
geschickt planen (adinveniri).“ Der Herr hat ihm und
anderen sapientia und intellectus gegeben, „damit sie
wissen, meisterlich werktätig zu sein (fahre operari),
was für den Gebrauch des Heiligtums notwendig ist."
Zudem werden für Bernward Hauswirtschaft und
Güterverwaltung erwähnt; das verweist auf die antike
Ökonomik, die Haus- und Landwirtschaft umfasst.11
Auch für Benno von Osnabrück werden entsprechen-
de Fähigkeiten gepriesen, (s. u.)
Die Ausbildung in den artes mechanicae'2 muss
Bernward besonders interessiert haben, denn später
als Bischof von Hildesheim hat er sich intensiv um die
Werkstätten gekümmert, wie Thangmar bei der
Beschreibung des Tagesablaufs schildert. Nach der
Frühmesse hat sich Bernward zunächst Verwaltungs-
aufgaben gewidmet. „Dann unternahm er einen
Rundgang durch die Werkstätten, wo Metallge-
genstände verschiedenen Gebrauchs gefertigt wur-
den, und überprüfte die Werke der einzelnen" (Inde
officinas ubi diversi usus metalla fiebant circuiens, sin-
gulorum opera librabat).'2 Anschließend gibt Thang-
mar eine allgemeine Würdigung der Fähigkeiten sei-
nes Schülers und Bischofs:14
„[...], auch gibt es keine Kunstfertigkeit, die er nicht
versucht hätte, auch wenn er es nicht bis zur letzten
Vollendung bringen konnte. So betrieb er Schreib-
stuben nicht allein im Dom, sondern auch an verschie-
denen anderen Stellen, und erwarb sich hierdurch
eine reichhaltige Bibliothek religiöser und philosophi-
scher Schriften. Nie duldete er, dass die Malerei, die
Bildhauerei, das Goldschmiede-Handwerk sowie die
Fertigkeit, [Metall]fassungen herzustellen, und das,
was er sonst an Geschmackvollem in solcher Kunst-
fertigkeit ausdenken konnte, vernachlässigt würden,
[...]. Er hatte, wenn er an den Hof oder auf längere
Reisen ging, stets talentierte und überdurchschnittlich
begabte junge Männer15 in seiner Begleitung, die
alles, was im Bereich irgendeiner Kunst an Wertvollem
auffiel, genau studieren mussten. Außerdem beschäf-
tigte er sich mit dem Mosaik für den Schmuck von
Fußböden, und insbesondere hat er mit dem ihm
eigenen beharrlichen Fleiß, ohne dass es ihm jemand
gezeigt hat, Backsteine zu einem Ziegel zusammenge-
fügt."
nec aliquid artis erat, quod non attemptaret,
etiam si ad unguem pertingere non valeret. Scriptoria
namque non in monasterio tantum, sed in diversis
locis studebat, unde et copiosam bibliothecam tarn
divinorum quam philosophicorum codicum compara-
vit. Picturam vero et sculpturam et fabrilem atque clu-
soriam artem, et quicquid elegantius in huiusmodi
arte excogitare poterat, numquam neglectum patie-
batur, [...]. Ingeniosos namque pueros et eximiae
indolis secum vel ad curtem ducebat vel quocumque
longius commeabat, quos, quicquid dignius in ulla
arte occurrebat, ad exercitium impellebat. Musivum
praeterea in pavimentis ornandis Studium, necnon
lateres ad tegulam propria industria nullo monstrante
composuit."
Im Zusammenhang mit Wunderberichten übermittelt
die Wta Bernwardi auch die angeblich eigenhändige
Herstellung einer Kapsel16 für die Kreuzpartikel, die
Otto III. Bernward geschenkt hat; der Bericht gehört
zu den später eingefügten, unrealistischen Wunder-
geschichten (Hinweis H. J. Schuffels).17
Bernwards „eigenhändige" künstlerische Tätigkeit ist
nicht nur auf der Grundlage der Charakterisierung
durch Thangmar, sondern auch anhand der
Inschriften auf zwei Silberleuchtern, einer Patene und
in zwei Codices zu beurteilen.
Die beiden angeblich 1194, wie 1540 behauptet wird,
aus dem Grab Bernwards entnommenen, teilweise
vergoldeten Silberleuchter mit Eisenkern wurden ver-
mutlich im zweiten Jahrzehnt des 11. Jahrhunderts
(vor 1022) für St. Michaelis geschaffen (seit der
Säkularisation im Kirchenschatz von St. Magdalenen,
heute als Leihgabe im Dom- und Diözesanmuseum).
Die ausführliche Inschrift, die auf beiden Leuchtern
gleichlautend Lichtteller und Sockel umzieht, gibt
Auskunft über Bernwards Anteil;18
„Bischof Bernward befahl seinem Diener, diesen
Leuchter in der ersten Blüte dieser Kunst nicht aus
Gold, nicht aus Silber und doch, wie du siehst, zu gie-
ßen."
„Bernwardus presul candelabrum hoc puerum suum
primo huius artis flore non auro non argento et tarnen
ut cernis conflare iubebat."
Die Inschriften nennen ausdrücklich Bernward als
Auftraggeber (iubebat); die Ausführung lag in den
Händen eines Dieners bzw. Gesellen (puer); solche
pueri (junge Männer), die „talentiert und überdurch-
schnittlich begabt" waren, haben Bernward auf sei-
nen Reisen begleitet.