Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: St. Michaelis in Hildesheim — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 34.2008

DOI Heft:
Binding, Günther: St. Michaelis in Hildesheim - Einführung, Forschungsstand und Datierung
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51162#0069
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
St. Michaelis in Hildesheim
Einführung, Forschungsstand und Datierung

er stets einige von seinen erfahrensten Priestern und
Kaplänen haben, um täglich den Gottesdienst würdig
vollziehen zu können. Ebenso wollte er stets etliche
seiner fähigsten Vasallen bei sich haben, damit er,
wenn irgend etwas in kirchlichen oder weltlichen
Dingen zu verhandeln war, jederzeit bereit wäre, auf
ihren Beirat gestützt die Verhandlungen mit der nöti-
gen Sicherheit zu führen. Von seinen Hörigen schließ-
lich wählte man jedes Mal eine Anzahl Männer aus,
welche die Zugtiere führen und vor und hinter dem
Wagen sowie rechts und links auf seinen Schutz be-
dacht sein mussten. Diese Leute bekamen von ihm
selbst oder von seinen Dienern in seiner Gegenwart
jeden Tag so reichlich zu essen, dass es auch für drei-
mal so viele gereicht hätte. Und endlich die Beglei-
tung, die er am liebsten hatte, das einfache Volk,
geleitete ihn stets von Ort zu Ort."92 Als er mit seinen
Vasallen 953 zu König Otto I. nach Bayern zu Hilfe
zog, betont Gerhard „nicht im Wagen sondern zu
Pferd".93 „Ein andermal fuhr der Bischof in einem
Schiff auf der Donau zu einem Hoftag König Ottos I.
in Regensburg [wohl Weihnachten 960]. "94
In den letzten Jahren hat Bernward anscheinend
wegen seiner schwachen Gesundheit keine größeren
Reisen mehr unternommen und besuchte nur Orte in
Sachsen; bei der Einweihung des Bamberger Domes
1012 in Gegenwart von mehr als 30 Bischöfen dürfte
er aber dabei gewesen sein.
Begründung für die Stiftung von St. Michaelis
Auf seinen Reisen hat Bernward viele Bau- und
Kunstwerke gesehen. In Hildesheim will er „seine
Sehnsucht nach Göttlicher Gnade" durch die Stiftung
und Gründung des Benediktinerklosters St. Michaelis
erfüllen, in dessen Kirche er seine Grablege vorgese-
hen und gefunden hat. Über seine Beweggründe
berichtet er selbst in seinem zweiten Testament von
1019, das in einer Abschrift im Staatsarchiv Hannover
erhalten war und in der Vita Bernward! abgedruckt
ist, um zu zeigen „wie frühzeitig er dieses Werk der
Frömmigkeit schon plante, mit welcher Herzensglut er
es bei erster Gelegenheit anging, mit welcher Sorgfalt
und unermüdlichen Ausdauer er es zu Ende führte,
wie liebevoll er für alle materiellen Bedürfnisse sorgte,
wie großzügig er das Werk ausführte, mit welchem
Ansehen er es sicherte, und nicht zuletzt, wie sehr er
selber, von Gottes Gnade berührt, im Guten voran-
schritt, das wollen wir am besten mit seinen eigenen
Worten ausdrücken. Denn in einer Urkunde, die er
dem Kloster gab, sagte er selbst:"95 Es folgt die wört-
liche Wiedergabe seines zweiten Testaments vom 1.
November 1019:96
„[...] Diesen allen [Abraham, Mose, Elias, David und
Salomo] hat Gott zu der äußeren Gestalt ihrer Taten

die Geheimnisse der [damit verbundenen] Verdienste
enthüllt, damit sie in ihrer [Erden]zeit sich in Verdienst
und Werk immer von allen unterscheiden, darüber
hinaus aber in der Ewigkeit den Seelen bei den Engeln
gleich würden. Dieses habe nun ich, Bernward, [...],
bedacht und lange in Gedanken bewegt, durch wel-
ches Bauwerk der Verdienste, um welchen Kaufpreis
an Dingen ich Himmlisches kaufen könne. [...] Von
Gottes Gnade ergriffen, erschaudernd vor dem Über-
maß meiner Sünden und zugleich erfüllt von
Sehnsucht nach göttlicher Gnade, erwog ich im Geist
Verschiedenes, wodurch ich der ewigen Barmherzig-
keit Genugtuung leisten und Rettung für meine Seele
erlangen könne. [...] Als ich als Bischof der Kirche von
Hildesheim eingesetzt war, wollte ich, was ich seit lan-
gem im Geiste geplant hatte, durch die Tat vollenden,
das heißt ich wollte die Nennung meines Namens mit
dem seligen Andenken verbinden, dass ich Kirchen
erbaut, Gottesdienste in ihnen gestiftet und all mein
Vermögen dem Herrn geschenkt habe. [...] Ich
begann mit Zustimmung und Ansporn der Gläubigen
Christi, eine neue Kirche Gottes zu gründen, wodurch
ich zum Lob und Ruhm des Namens des Herrn sowohl
mein eigenes Versprechen erfüllt, als auch der heili-
gen Christenheit gedient habe, indem ich auch die
von Gott geliebten Brüder hinzuzog."
„[...] Quibus omnibus ad habitudinem factorum reve-
lavit Deus secreta meritorum, ut temporaliter merito
et opere omnibus semper essent dispares, insuper
aeternaliter angelicis spiritibus fierent coaequales.
Haec ego considerans Bernwardus, [...], et diuturna
meditatione volvens, qua meritorum architectura,
quove rerum precio possem mercari caelestia, [...],
divina tactus gratia, reatus mei superflua perhorres-
cens, divinamque gratiam concupiscens, distraxi ani-
mum in diversa, quomodo aeternae satisfacerem
misericordiae sicque remedium meae obtinerem ani-
mae. [...] Inthronizatus Bennopolitanae aecclesiae,
quod diu conceperam animo, opere complere vole-
bam, videlicet beatae memoriae tradere titulum nomi-
nis mei, aecclesias struxisse, ac officia Deo servientium
inibi ordinasse, omnemque facu/tatulam meam
Domino lucrasse. [...] consensu et hortatu Christi fide-
lium novam Dei aecclesiam condere coepi, in qua ad
laudem et gloriam nominis Domini, et voti mei propo-
situm adimplevi, et sanctae christianitati, adhibitis
Deo dilectis fratribus, consului."
Bei der Grundrissdisposition, der Raumgestaltung und
der Massenanordnung ebenso wie bei den Einzel-
formen, zum Beispiel bei der Emporengliederung und
den Würfelkapitellen, zeigen sich Symmetrie, Verein-
heitlichung und Gleichgewicht unter Anwendung der
Geometrie.97 Dem Bau ist eine Ordnungsstruktur
gegeben, die dem ordo der Welt entspricht und damit
auf den Schöpfer, auf Gott, verweist, der „alles nach
Maß, Zahl und Gewicht geordnet hat" (omnia mensu-

65
 
Annotationen