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Winghart, Stefan; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg bei Hameln: Diskussion über eine zentrale Stätte nationalsozialistischer Selbstinszenierung — Hameln: Niemeyer, Heft 36.2010

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Wolschke-Bulmahn, Joachim: Zur manipulativen Gestaltung von Landschaft: der Bückeberg im Kontext einschlägiger Anlagen der NS-Diktatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.51156#0049
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Joachim Wolschke-Bulmahn

Zur manipulativen Gestaltung von Landschaft.
Der Bückeberg im Kontext einschlägiger Anlagen der NS-Diktatur

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„Landschaft", wie sie auch in der professionellen
Garten- und Landschaftsgestaltung2 in der Zeit der
NS-Diktatur vertreten wurden, zur Inklusion und zur
Exklusion von Menschen beitragen konnten und da-
mit einen Beitrag auch im Prozess der Verfolgung und
Vernichtung von Millionen von Menschen leisteten.
Landschaftsarchitekten versuchten in der NS-Zeit zu
beweisen, dass die germanischen Stämme eine gene-
tische Veranlagung für die Wahrnehmung von Land-
schaftsschönheit besessen hätten, das heißt für et-
was, das im Verlauf der Romantik zunehmend als
ästhetisches Ideal der gehobenen Mittelschichten ent-
wickelt wurde. Alte germanische Grabanlagen und
Thingplätze wurden mit besonderem Engagement auf
ihre landschaftlichen Bezüge untersucht. Bei der
„Vermittlung ideologischer Botschaften mittels einer
instrumentalisierten Ur- und Frühgeschichte bzw.
Geschichte"3 kam der Landschaft in der Zeit des
Nationalsozialismus eine besondere Bedeutung zu.
„Natürliche" Gestaltung wurde als echt germanisch
und/oder nordisch hervorgehoben, während formale
Gestaltung, so durch den Gartenarchitekten Willy
Lange, als auf niedrigerer kultureller Stufe stehend
und als charakteristisch für sogenannte „südalpine
Rassen" abqualifiziert wurde. Lange, ab 1900 mit sei-
nen Publikationen der Begründer der Naturgarten-
Idee in Deutschland, hat entsprechende Vorstellungen
im frühen 20. Jahrhundert in Deutschland innerhalb
des Berufsstands der Gartenarchitektur maßgeblich
befördert.4 Der amerikanische Landschaftsarchitekt
Jens Jensen, einer der wichtigsten Vertreter des Natur-
gartens in den USA, drückte solche Vorstellungen
1938 auf dem Internationalen Gartenbaukongress
Berlin folgendermaßen aus: „Das nordische, oder
wenn sie so wollen, das germanische Gemüt ist nicht
durchdrungen von Formalismen jeglicher Art. Für das
nordische Gemüt wäre das gekünstelt. Formalismus
spricht nicht die Wahrheit, wie die Wahrheit gespro-
chen werden sollte von geistig anspruchsvollen Men-
schen. Formalismus ist für den nordischen Menschen
fremd."5
Von besonderer Bedeutung für die Propagierung ent-
sprechender rassistischer Vorstellungen über Land-
schaftsgestaltung in Deutschland war Heinrich
Friedrich Wiepking-Jürgensmann.6 Wiepking war
überzeugt, dass die Deutschen von Anfang an ein
natürliches Wahrnehmungsempfinden für landschaft-
liche Schönheit besessen hätten. Das versuchte er
durch das Studium germanischer Begräbnisstätten
nachzuweisen. Deutsches Wesen war für ihn undenk-
bar „ohne Totenkult und ohne Ahnenehrung".7 Die
zahlreichen Grabhügel der alten germanischen Stäm-
me interpretierte er als Beweis, „daß die Grabhügel
unserer Ahnen die größte Menschenleistung darstel-
len, die uns vom Leben der eigenen Vorväter überlie-

fert worden ist [...] Wo immer wir ein Grab aus der
jüngeren Steinzeit oder aus der Bronzezeit im germa-
nischen Urraum finden, stets ist es Mittelpunkt einer
wundervollen, meist tief gestaffelten und einer einst
bewohnten, bewirtschafteten und gestalteten Kultur-
landschaft gewesen. An über tausend Beispielen aus
Schweden und Norwegen, auf den Ostseeinseln, in
Dänemark, Deutschland und Holland haben wir diese
Grabhügel mit ihren landschaftlichen Beziehungen
untersucht und durch Lichtbilder, zahlreiche Karten
und durch Eintragungen auf vielen Meßtischblättern
festgelegt. Wer sich einmal vertieft hat in den
Hochstand unserer Kultur während der germanischen
Bronzezeit, wer einmal den Geist der Kunstwerke die-
ser Zeit erfaßt hat, wird leicht herausfinden, daß diese
Zeit eine Blütezeit war mit einer so hohen Kultur, wie
sie selten wieder erreicht worden ist. Die Grabhügel
jener Zeit sind Meisterwerke der Landschaftsge-
staltung, Dokumente, die unsere Liebe und unsere
höchste Verehrung fordern. Sie sind Beweise, daß
unser Volk zutiefst mit der großen Schöpfung verbun-
den war und daß wir in jenen frühen Zeiten Glieder
einer großen Natureinheit waren [...] Die Grabhügel
liegen nicht irgendwo im Lande. Sie sind Mittel- und
Erlebnispunkte der irdischen Schönheit, meisterhaft
ausgesucht und gestaltet".8
Während des Zweiten Weltkriegs war Wiepking als
„Sonderbeauftragter für Fragen der Landschaftsge-
staltung" für den Reichsführer SS, Heinrich Himmler,
in dessen Funktion als Reichskommissar für die Festi-
gung deutschen Volkstums tätig. In der Planungsab-
teilung Himmlers arbeitete er zusammen mit Erhard
Mäding, der dort ebenfalls u. a. mit der Erarbeitung
von Richtlinien zur Gestaltung der Landschaft in den
„eingegliederten Ostgebieten" befasst war.9 Mäding
bezeichnete die Gestaltung der Landschaft als eine
herausragende Aufgabe „der Gegenwart". „Die ge-
staltende Tätigkeit reicht weit über die physischen
und organischen Lebensbedingungen hinaus. Die
Deutschen werden als erstes abendländisches Volk in
der Landschaft auch ihre seelische Umwelt gestalten
und damit in der menschlichen Geschichte zum ersten
Male eine Lebensform erreichen, in der ein Volk be-
wußt die standörtlichen Bedingungen seines leibli-
chen und seelischen Lebens umfassend selbst be-
stimmt".10 „Die Harmonie alles Lebendigen in der hei-
matlichen Landschaft", so Mäding, sei „eine Grund-
voraussetzung des Daseins, der Dauer und der Ent-
wicklung des deutschen Volkes".1’
Dass an dieser „Harmonie alles Lebendigen" nur das
deutsche Volk teilhaben sollte, das haben auch an der
nationalsozialistischen Landschaftsplanung Beteiligte
wie Mäding und Wiepking zu rechtfertigen versucht.
So behauptete Wiepking: „Immer wieder bricht aus
unsrem Blut die Liebe zur Pflanze und zur Landschaft
 
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