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Winghart, Stefan; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg bei Hameln: Diskussion über eine zentrale Stätte nationalsozialistischer Selbstinszenierung — Hameln: Niemeyer, Heft 36.2010

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Knoch, Habbo: Zusammenfassung
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https://doi.org/10.11588/diglit.51156#0076
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72

Zusammenfassung
Habbo Knoch

Sollen bauliche und landschaftliche Spuren von Orten
des Nationalsozialismus erhalten werden, mit denen
das Regime bestrebt war, sich selbst zu inszenieren,
seine Anhängerschaft zu mobilisieren oder seine Leis-
tungen und Erfolge zu demonstrieren? Diese Frage
wird am Bückeberg, dem Gelände des Reichsernte-
dankfestes zwischen 1933 und 1937, konkret. Sie
steht im Zusammenhang mit einer seit etwa 25 Jahren
geführten Diskussion über den öffentlichen Umgang
mit Orten der NS-Herrschaft. Gerade in den letzten
Jahren ist mit der fortschreitenden Historisierung des
Nationalsozialismus die Frage nach dem historischen
Wert der baulichen Zeugen immer deutlicher gewor-
den. Dieser Zusammenhang der Diskussion um den
Bückeberg wird im Folgenden knapp nachgezeichnet
(I.), bevor die wesentlichen Ergebnisse des Symposi-
ums zusammengefasst (II.) und Perspektiven des wei-
teren Umgangs mit dem Gelände skizziert werden (III.).
I. Die letzte Kriegsphase und die Jahre nach 1945
haben, was die baulichen Hinterlassenschaften der
NS-Zeit angeht, durch Verdrängung, Umnutzung und
Zerstörung eine erheblich gestörte Überlieferungssi-
tuation entstehen lassen. Zwei Aspekte waren dabei
besonders bedeutsam: Seitens der Alliierten wurde
umgehend nach Kriegsende die Verwendung und
Präsenz nationalsozialistischer Herrschaftssymbolik
untersagt, doch kam es nicht zu einer systematischen
zusätzlichen Zerstörung von Bauwerken, die ihren Ur-
sprung in der NS-Zeit hatten oder von den National-
sozialisten zum Zweck ihrer Machtausübung verein-
nahmt worden waren. Auf Kennzeichnungen oder Er-
läuterungen wurde verzichtet. Diese Orte blieben an-
wesend und waren in ihrer komplexen historischen
Bedeutung abwesend zugleich.
Die historischen Spuren der unmittelbaren Tatorte der
nationalsozialistischen Verbrechen - Folterkeller, Ge-
fängnisse, Konzentrations-, Straf-, Kriegsgefangenen-
oder Arbeitserziehungslager, Krankenanstalten - wur-
den lange Zeit aus vielen Gründen nicht bewahrt. Es
bestand weder Verständnis noch Bereitschaft dafür,
diese Authentizität des Terrors für eine zukünftige
Erinnerung zu sichern. Überlebende beklagten das
wiederholt, doch erst in den 1980er Jahren entstan-
den Initiativen, um die „vergessenen Orte" wieder
sichtbar zu machen. Daraus erwuchs eine verbreitete
Aufmerksamkeit für Orte der unmittelbaren Tat, die
den Aufbau zahlreicher Gedenkstätten nach sich zog,
meist getragen von bürgerschaftlichen Initiativen. Sie
veranschaulichen die Konsequenzen von Ausgren-
zung und Diffamierung, sie erinnern an die Leiden

von Individuen, und sie haben oft als Friedhöfe einen
besonderen Erhaltungswert.
Parallel dazu nahm die öffentliche und wissenschaft-
liche Aufmerksamkeit für historische Orte der NS-Zeit
zu, die eher die Repräsentation und Organisation der
Herrschaftspolitik verkörpern. Dazu gehören insbe-
sondere nationalsozialistische Inszenierungs-, Kult-
und Herrschaftsorte wie das Reichsparteitagsgelände
in Nürnberg oder der Obersalzberg bei Berchtesga-
den. Inzwischen ist unstrittig, dass die Beschäftigung
mit den Strukturen, Praktiken und Motivationen der
organisierten Tat, mit Täterschaft, Tätern und deren
Unterstützern, aber auch mit Propaganda, Gemein-
schaftsritualen oder kollektiven Emotionen einen zen-
tralen Bestandteil jeder Forschungs- und Bildungsar-
beit zum Nationalsozialismus ausmachen muss.
Ob jedoch eine Aufklärung in kritischer Absicht von
selbstaffirmativen, kultisch überhöhten Orten der NS-
Herrschaft ausgehen kann, war nie unumstritten.
Eignen sie sich als Bildungsorte? Wie sind sie zu ge-
stalten, um zu einem solchen Bildungswert beizutra-
gen? Wie sind die mutmaßlichen Gefahren von Über-
wältigung und Sympathieeffekt einzuschätzen?
Lassen sich Erhaltungswert und die Nutzung als Bil-
dungsort voneinander trennen?
Die Schwierigkeiten beginnen bereits mit der Katego-
risierung dieser Orte und ihrer Bezeichnung. Sammel-
begriffe wie „Täterorte" oder „Böse Orte" werden
der Vielfalt dieser Stätten und ihrer Funktionen nicht
gerecht; sie sind zum Beispiel gegenüber Konzentra-
tionslagern auch nicht trennscharf. Die Bezeichnun-
gen sind noch so uneindeutig wie die Klärung ihres
Potenzials für die Bildungsarbeit. Lange Zeit überwo-
gen Unsicherheit und Sorge, an solchen Orten wie
dem Bückeberg nachwirkende Faszinationsimpulse
zugunsten des Nationalsozialismus in der zeitlichen
Nähe zur Erfahrungsgeneration der NS-Zeit oder die
stille Überwältigung durch den wahnhaften Baustil
der Nationalsozialisten nicht auffangen oder steuern
zu können. So setzte sich das Phänomen der sichtba-
ren Unsichtbarkeit fort: Großbauten und Landschafts-
gestaltungen waren erhalten und nicht übersehbar,
hatten aber keinen offiziellen Ort im öffentlichen Ge-
schichtsbewusstsein. Die von Alexander und Marga-
rete Mitscherlich 1967 analysierte „Unfähigkeit zu
trauern" lebte in ihrem eigentlichen Sinn hier lange
fort: sich mit der tiefen emotionalen Bindung an den
„Führer" und den Nationalsozialismus auseinander-
setzen und davon lösen zu können.
Ein Großbau der Kriegsendphase wie der U-Boot-Bun-
ker Valentin in Bremen-Farge symbolisiert dies wie
 
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