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Kimpflinger, Wolfgang; Neß, Wolfgang; Zittlau, Reiner; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Das Fagus-Werk in Alfeld als Weltkulturerbe der UNESCO: Dokumentation des Antragsverfahrens — [Hannover]: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 39.2011

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4. Erhaltungszustand und Faktoren, die die Anlage beeinflussen
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https://doi.org/10.11588/diglit.51160#0111
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Welterbeantrag Fagus-Werk

sätzlich Folgendes vorsah: Die fünf Verglasungs-
felder des Treppenhauses am Haupteingang so-
wie die vollverglasten stützenfreien Ecken im
Südwesten und im Südosten mit jeweils einem
weiteren angrenzenden Feld sollten aufgrund
ihrer geringeren Schädigungen als Originale in-
stand gesetzt werden. Somit war es möglich ge-
worden, in diesen Bereichen jeweils mehrere
vollflächig dreigeschossige Fassadenfelder bei-
der Bauabschnitte komplett beizubehalten. Da-
mit wurde neben dem zum Haupteingang ge-
hörenden gesamten Treppenhausbereich des
zweiten Bauabschnittes auch der ursprünglich
komplette südliche Giebel des ersten Bauab-
schnittes in drei Feldern einschließlich eines wei-
teren Feldes der Ostseite in der ursprünglichen
Form und Konstruktion erhalten. Die Verwen-
dung der originalen Stahl-Glas-Elemente in die-
sen Teilbereichen führte allerdings dazu, dass
entgegen den ursprünglichen Planungen des Ei-
gentümers Büros nur in den isolierverglasten
Fassadenbereichen wieder eingerichtet wurden,
während man hinter den original verbliebenen
Fassadenelementen Nebennutzungen oder In-
frastrukturbereiche des Fagus-Werks ansiedelte.
Ausgetauscht wurden dementsprechend auf
der östlichen Seite des ersten Bauabschnittes
sechs Fassadenfelder, ebenso sechs Fassadenfel-
der auf der südlichen Seite des zweiten Bauab-
schnitts (zwischen erstem Bauabschnitt und
Haupttreppenhaus). Konstruktive Alternativen
zum Austausch der Stahl-Glas-Elemente wie bei-
spielsweise eine zweite, dem Kastenfensterprin-
zip entsprechende Fensterebene im Inneren,
mussten vor allem aus optischen Gründen ver-
worfen werden, da diese sich während der Be-
musterung von außen als stark ansichtsverän-
dernd darstellten. Mit der viel diskutierten zwei-
ten Fensterebene hätte man darüber hinaus die
Schadensproblematik der alten, zu starren Kon-
struktion nicht lösen und die gravierenden Ma-
terialschwächen des ursprünglichen Stahls nicht
befriedigend und dauerhaft beheben können.
Der mit der Restaurierung befasste Architekt
Jörn Behnsen hatte zur Fassadenerneuerung
umfangreiche Detailaufmaße der bisherigen
Profile von Gropius durchgeführt und diese in
entsprechende, äußerlich gleich aussehende
Sonderanfertigungen für isolierverglaste Schei-
ben umgesetzt. Trotz der Abweichung in derTie-
fe sollten die neuen Verbundglasscheiben in der
optischen Erscheinung ein dem Original identi-
sches Bild erzeugen. Aus denkmalpflegerischer
Sicht ist dieses Ziel mit einer geringfügigen Ein-
schränkung erreicht worden: Die Scheiben-
oberflächen sind entsprechend den industriellen

Herstellungsmethoden plan. Möglichkeiten der
Herstellung von leicht unebenen Glasoberflä-
chen mit Lufteinschlüssen, wie sie um 1910 her-
gestelltwurden, existierten zum damaligen Zeit-
punkt nicht. Die gelegentlich geäußerte Kritik,
die neuen Scheibenoberflächen würden stärker
spiegeln als die alten, trifft nicht zu. In ihrer Wir-
kung geht die Spiegelung auf die regelmäßige
Reinigung der Fenster zurück. Wären die Fens-
terbahnen wie in früheren Zeiten stärker ver-
staubt, ließe auch der Spiegelungseffekt nach.
Da das Spiegelungsproblem schon in der Vor-
planung der Instandsetzungsmaßnahme als sol-
ches erkannt worden war, hatte man verschie-
dene neue Gläser mit den originalen Glasschei-
ben ausgiebig verglichen und bemustert, bevor
eines der Produkte für die Maßnahme mit dem
heute bestehenden Ergebnis ausgewählt wur-
de.
Die Gesamtsanierungsmaßnahme für den
Hauptbau wurde in mehreren Abschnitten zwi-
schen 1986 und 1990 durchgeführt. Im Zusam-
menhang mit der Instandsetzung bzw. Erneue-
rung der Stahl-Glas-Elemente in den Fassaden
wurden auch die damit in Verbindung stehen-
den Rampen bzw. Eingangstreppen und Türen
behandelt, jedoch ohne Austausch von origina-
ler Bausubstanz. Ebenso wurden das Mauer-
werk und die gesamte Verfügung instand ge-
setzt. Im Jahr 1996 folgte die Restaurierung des
Eingangsbereichs und des Haupttreppenhauses,
in dem unter anderem die Wandoberflächen in
ihren originalen Zustand zurückversetzt wurden.
Die verlorene, ehemals dort angebrachte Ka-
stenleuchte konnte man nach einer Zeichnung
von Walter Gropius bzw. Adolf Meyer rekonstru-
ieren. Schließlich besserte man auch die in die
Wände eingelassenen schwarzen Opak-Glas-
bänder aus. Damit war die Grundinstandset-
zung des Hauptgebäudes vollständig abge-
schlossen.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Ge-
samtbau bis auf die beschriebenen Auswechs-
lungen der Fassadenelemente in seiner übrigen
ursprünglichen Originalsubstanz vollständig er-
halten blieb. Optisch ist er mit dem ursprüngli-
chen Erscheinungsbild identisch. Dabei gehörte
es Mitte der 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts
zum konzeptionellen Ziel des Maßnahmeab-
schnitts, dass die erneuerten Fassadenelemente
nur für den Fachmann erkennbar sein sollten.
Für den interessierten Laien dagegen ist bis heu-
te die Erneuerung so gut wie gar nicht wahr-
nehmbar. Die wieder aufgearbeiteten Elemente
der Stahlglasfassade, die ca. 40 % des origina-
len Bestands ausmachen, sind ausreichende Be-

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