DIE KYPSELOSLADE
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uns etwa mit Hilfe folgender Bilder einigermaßen vorstellen
können:
Nessos raubt Deianeira, korinthisierende (böotische?) Le-
kythos Brit. Mus. B 30, Catal. II Taf. 1; verschollene Manieristen-
amphora Gerhard A. V. II Taf. 117—18, 3, 4.
Satyr trägt Nymphe, sfg. att. Vasen Louvre F 381 und 161,
Pottier Taf. 87 und 76; ‘Polos’ der Siphnierkaryatide Fouilles
de Delphes IV Taf. 19, Perrot VIII Abb. 180.
Bewaffneter Frauenräuber, z. B. sfg. att. Amphora aus Cumae
Röm. Mitt. XXVII 1912 Taf. 7, verschollene sfg. Hydria Gerhard,
A. V. III Taf. 167; vgl. auch den wagenbesteigenden Frauenräuber
vom Siphnierfries Fouilles de Delphes IV Taf. 9, Perrot VIII
Abb. 166.
Nur wird die Gruppe auf der Lade noch gelöster gewesen
sein. Der Helena nicht tragende Bruder wird mit einer Hand
mitangefaßt haben. Die andere muß für die zweite Handlung
frei bleiben, die das Epigramm bezeugt, nämlich Aithra, die
vorher widerstrebt hatte, niederzureißen und mitzuschleifen.
Dio läßt zwar die Königinmutter von Helena auf den Kopf
getreten und gleichzeitig am Haare gezerrt werden. Aber diese
Roheit paßt nicht zu dem uns aus Ilias und Odyssee bekannten
Charakter der Zeustochter, ganz abgesehen von der Schwierigkeit,
diese beiden Handlungen zugleich ausgeführt darzustellen. Da
nun auch bei Dio im weiteren Zusammenhang dieser Stelle
Helena keineswegs roh und rachsüchtig erscheint, so dürfen
wir ihm, der kaum im Sehen und Deuten archaischer Bildwerke
besonders geübt war, getrost ein Versehen Zutrauen und die
Beischrift als unmittelbare Quelle bevorzugen. So wird also der
eine der Tyndariden die Aithra am Haar geschleift haben. Wie
bei allen Entführungsdarstellungen wird eine Richtung der
Fortbewegung eingehalten sein, dabei muß wohl der die Aithra
mitzerrende Dioskur den Oberkörper zurückgewendet haben.
Es ergibt sich von selbst, daß Aithra in der Richtung der Fort-
bewegung zusammengebrochen war. Und zwar konnte sie,
wenn man dem Epigramm ihre Mitnahme glauben sollte, nicht
wie in Jones’ Zeichnung auf den Rücken, sondern nur vorn-
überfallen, darin eher wie sie bei Overbeck gezeichnet ist. Aber
da die Füße der getragenen Helena dicht über Aithras Haupt
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uns etwa mit Hilfe folgender Bilder einigermaßen vorstellen
können:
Nessos raubt Deianeira, korinthisierende (böotische?) Le-
kythos Brit. Mus. B 30, Catal. II Taf. 1; verschollene Manieristen-
amphora Gerhard A. V. II Taf. 117—18, 3, 4.
Satyr trägt Nymphe, sfg. att. Vasen Louvre F 381 und 161,
Pottier Taf. 87 und 76; ‘Polos’ der Siphnierkaryatide Fouilles
de Delphes IV Taf. 19, Perrot VIII Abb. 180.
Bewaffneter Frauenräuber, z. B. sfg. att. Amphora aus Cumae
Röm. Mitt. XXVII 1912 Taf. 7, verschollene sfg. Hydria Gerhard,
A. V. III Taf. 167; vgl. auch den wagenbesteigenden Frauenräuber
vom Siphnierfries Fouilles de Delphes IV Taf. 9, Perrot VIII
Abb. 166.
Nur wird die Gruppe auf der Lade noch gelöster gewesen
sein. Der Helena nicht tragende Bruder wird mit einer Hand
mitangefaßt haben. Die andere muß für die zweite Handlung
frei bleiben, die das Epigramm bezeugt, nämlich Aithra, die
vorher widerstrebt hatte, niederzureißen und mitzuschleifen.
Dio läßt zwar die Königinmutter von Helena auf den Kopf
getreten und gleichzeitig am Haare gezerrt werden. Aber diese
Roheit paßt nicht zu dem uns aus Ilias und Odyssee bekannten
Charakter der Zeustochter, ganz abgesehen von der Schwierigkeit,
diese beiden Handlungen zugleich ausgeführt darzustellen. Da
nun auch bei Dio im weiteren Zusammenhang dieser Stelle
Helena keineswegs roh und rachsüchtig erscheint, so dürfen
wir ihm, der kaum im Sehen und Deuten archaischer Bildwerke
besonders geübt war, getrost ein Versehen Zutrauen und die
Beischrift als unmittelbare Quelle bevorzugen. So wird also der
eine der Tyndariden die Aithra am Haar geschleift haben. Wie
bei allen Entführungsdarstellungen wird eine Richtung der
Fortbewegung eingehalten sein, dabei muß wohl der die Aithra
mitzerrende Dioskur den Oberkörper zurückgewendet haben.
Es ergibt sich von selbst, daß Aithra in der Richtung der Fort-
bewegung zusammengebrochen war. Und zwar konnte sie,
wenn man dem Epigramm ihre Mitnahme glauben sollte, nicht
wie in Jones’ Zeichnung auf den Rücken, sondern nur vorn-
überfallen, darin eher wie sie bei Overbeck gezeichnet ist. Aber
da die Füße der getragenen Helena dicht über Aithras Haupt
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