FORM UND BEDEUTUNG DER SITZENDEN GESTALT 147
sumerisch-babylonischer Kunst, sondern im Gegenteil stark
verkürzt Infolge aller dieser Eigentümlichkeiten erhält man
sogar vor den älteren, meist recht kunstlosen Reliefs1 den Ein-
druck der Dreiviertelansicht (Taf. V 3). Scharfes Profil finden
wir dagegen auf assyrisch beeinflußten Werken. Hierher gehört
die Figur eines thronenden Königs, die auf der Rücklehne eines
Felsenthrones am Karadagh2 eingeritzt ist, und die späten Stelen
des Barrekub und seiner Gemahlin3 (Taf. VI 2). Von Dar-
stellungen des profanen Lebens kommt aus hethitischer Kunst
wohl nur die Figur eines sitzenden Lautenspielers4 in Frage,
die uns in doppelter Hinsicht interessiert: erstlich, weil sie im
Gegensatz zu den üblichen hethitischen Figuren die Andeutung
einer freieren Beinhaltung zeigt, vor allem aber, weil sie einen
Verwandten in Babylonien hat. Ein Tonrelief aus Nippur5 stellt
nämlich einen Hirten dar, der musizierend zwischen seinen Hunden
sitzt, und zwar in völlig natürlicher Bewegung des Körpers.
Die Darstellung des sitzenden Menschen in der assyrischen
Kunst ist von der babylonischen wie von der hethitischen im
Relief grundsätzlich getrennt, eine sehr bemerkenswerte Tatsache:
der Unterkörper wird nämlich in strengem Profil wiedergegeben,
es ist also stets nur ein Bein und ein Fuß sichtbar, die Aus-
breitung des Gewandes fällt weg, und da der Oberkörper auch
im richtigen Verhältnis zu den Beinen dargestellt wird, ver-
schwindet die ‘orientalische Silhouette’. Die Brust erscheint
zwar meist noch in Vorderansicht, wird aber durch den stets
vorgestreckten ‘vorderen’ Arm so stark verdeckt, daß der Ein-
druck ‘richtiger’ perspektivischer Projektion entsteht (Taf. V 4).
1 Stelen von Sendschirli (Ausgr. in S. IV 328 Fig. 237. Ed. Meyer,
a. a. O. 40, Fig. 32) und Mar’asch (Humann-Puchstein, Reisen in Klein-
asien Taf. 47, 2. Ed. Meyer, a. a. O. 38 Fig. 30. Humann-P., a. a. O.
Taf. 45, danach hier Taf. V 3. Springer-Wolters12 77 Abb. 179).
2 Die Abbildung bei Ramsay-Bell, 1001 Churches 504 Fig. 371 weicht
ab von der bei Ed. Meyer, a. a. O. 33 Fig. 20.
3 Ausgr. in Sendschirli IV Taf. 60 und 54. Syria II 1921, pl. XV
fig. 87 und S. 97 fig. 81; danach hier Taf. VI 2.
4 Ausgr. in Sendschirli III 220 Fig. 118/119. Syria II 31 fig. 73.
5 Hilprecht, Explorations in Bible Lands 529.
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sumerisch-babylonischer Kunst, sondern im Gegenteil stark
verkürzt Infolge aller dieser Eigentümlichkeiten erhält man
sogar vor den älteren, meist recht kunstlosen Reliefs1 den Ein-
druck der Dreiviertelansicht (Taf. V 3). Scharfes Profil finden
wir dagegen auf assyrisch beeinflußten Werken. Hierher gehört
die Figur eines thronenden Königs, die auf der Rücklehne eines
Felsenthrones am Karadagh2 eingeritzt ist, und die späten Stelen
des Barrekub und seiner Gemahlin3 (Taf. VI 2). Von Dar-
stellungen des profanen Lebens kommt aus hethitischer Kunst
wohl nur die Figur eines sitzenden Lautenspielers4 in Frage,
die uns in doppelter Hinsicht interessiert: erstlich, weil sie im
Gegensatz zu den üblichen hethitischen Figuren die Andeutung
einer freieren Beinhaltung zeigt, vor allem aber, weil sie einen
Verwandten in Babylonien hat. Ein Tonrelief aus Nippur5 stellt
nämlich einen Hirten dar, der musizierend zwischen seinen Hunden
sitzt, und zwar in völlig natürlicher Bewegung des Körpers.
Die Darstellung des sitzenden Menschen in der assyrischen
Kunst ist von der babylonischen wie von der hethitischen im
Relief grundsätzlich getrennt, eine sehr bemerkenswerte Tatsache:
der Unterkörper wird nämlich in strengem Profil wiedergegeben,
es ist also stets nur ein Bein und ein Fuß sichtbar, die Aus-
breitung des Gewandes fällt weg, und da der Oberkörper auch
im richtigen Verhältnis zu den Beinen dargestellt wird, ver-
schwindet die ‘orientalische Silhouette’. Die Brust erscheint
zwar meist noch in Vorderansicht, wird aber durch den stets
vorgestreckten ‘vorderen’ Arm so stark verdeckt, daß der Ein-
druck ‘richtiger’ perspektivischer Projektion entsteht (Taf. V 4).
1 Stelen von Sendschirli (Ausgr. in S. IV 328 Fig. 237. Ed. Meyer,
a. a. O. 40, Fig. 32) und Mar’asch (Humann-Puchstein, Reisen in Klein-
asien Taf. 47, 2. Ed. Meyer, a. a. O. 38 Fig. 30. Humann-P., a. a. O.
Taf. 45, danach hier Taf. V 3. Springer-Wolters12 77 Abb. 179).
2 Die Abbildung bei Ramsay-Bell, 1001 Churches 504 Fig. 371 weicht
ab von der bei Ed. Meyer, a. a. O. 33 Fig. 20.
3 Ausgr. in Sendschirli IV Taf. 60 und 54. Syria II 1921, pl. XV
fig. 87 und S. 97 fig. 81; danach hier Taf. VI 2.
4 Ausgr. in Sendschirli III 220 Fig. 118/119. Syria II 31 fig. 73.
5 Hilprecht, Explorations in Bible Lands 529.
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