FORM UND BEDEUTUNG DER SITZENDEN GESTALT 179
das zur klassischen Kunst des V. Jhs. führt. Daneben geht eine
konservative Strömung, die wie bisher durch leise Änderungen
das alte Schema wandelt und dabei allmählich mit völlig neuem
Geist erfüllt. Die Berliner Göttin1 zeigt mit ihrer ‘heimlichen
Bewegung’, bis zu welchem Grad der Beseelung diese zweite
Richtung zu gelangen vermag.
2. Der sitzende Mensch als Glied zusammenhängender
Darstellu ngen.
Wollen wir die archaische griechische Kunst in ihrer vor-
wärts stürmenden Jugendkraft und ihrem Reichtum an künst-
lerischen Motiven kennen lernen, so müssen wir uns den
sitzenden Figuren als Gliedern zusammenhängender, meist er-
zählender Darstellungen zuwenden. Wir betrachten sie zunächst
nach der inhaltlichen Seite, um unseren in der Einleitung aus-
gesprochenen Satz, daß das Sitzen der Personen in jedem Falle
besonders begründet sei, zu beweisen. Die Hauptquelle bilden
natürlich die attischen Vasenbilder, ihnen seien Reliefs und
Bilder aus anderen Vasenklassen ähnlichen Inhaltsangegliedert,
doch wollen wir vorher, um die interessanten Differenzen nicht
zu verwischen, solche Darstellungen, die auf attischen Vasen
nicht Vorkommen, gesondert besprechen.
Von manchen Gattungen freilich, wie den altattischen und
einigen ionischen (z. B. Caeretaner Hydrien) fehlen mir über-
haupt Beispiele sitzender Menschen. So klein die Anzahl
solcher Gestalten auf veröffentlichten ionischen Vasen ist, so
genügt sie doch, um den Unterschied von attischen Darstel-
lungen zu zeigen: es ist für diese Kunst charakteristisch, daß
sie uns thronende Herrscher vorführt, die in Attika völlig fehlen.
Eine Scherbe aus Klazomenai2 stammt nach Zahns überzeugen-
der Deutung von einer Darstellung des Troilos-Abenteuers;
wir sehen Priamos und Hekabe, denen ein Diener das Weih-
rauchgefäß vorhält, nebeneinander thronend und ermessen den Ab-
stand gegen die Gestalt des alten Trojanerkönigs auf der Fran^ois-
vase3, der freilich auch innerhalb der attischen Vasenmalerei
1 AD. III37—44, Text S. 48(Wiegand). Springer-Wolters12227 Abb. 437.
2 AM. XXIII 1898 Taf. 6. Pfuhl, Malerei Abb. 146.
3 Furtw.-Reichh. Taf. 11. 12.
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das zur klassischen Kunst des V. Jhs. führt. Daneben geht eine
konservative Strömung, die wie bisher durch leise Änderungen
das alte Schema wandelt und dabei allmählich mit völlig neuem
Geist erfüllt. Die Berliner Göttin1 zeigt mit ihrer ‘heimlichen
Bewegung’, bis zu welchem Grad der Beseelung diese zweite
Richtung zu gelangen vermag.
2. Der sitzende Mensch als Glied zusammenhängender
Darstellu ngen.
Wollen wir die archaische griechische Kunst in ihrer vor-
wärts stürmenden Jugendkraft und ihrem Reichtum an künst-
lerischen Motiven kennen lernen, so müssen wir uns den
sitzenden Figuren als Gliedern zusammenhängender, meist er-
zählender Darstellungen zuwenden. Wir betrachten sie zunächst
nach der inhaltlichen Seite, um unseren in der Einleitung aus-
gesprochenen Satz, daß das Sitzen der Personen in jedem Falle
besonders begründet sei, zu beweisen. Die Hauptquelle bilden
natürlich die attischen Vasenbilder, ihnen seien Reliefs und
Bilder aus anderen Vasenklassen ähnlichen Inhaltsangegliedert,
doch wollen wir vorher, um die interessanten Differenzen nicht
zu verwischen, solche Darstellungen, die auf attischen Vasen
nicht Vorkommen, gesondert besprechen.
Von manchen Gattungen freilich, wie den altattischen und
einigen ionischen (z. B. Caeretaner Hydrien) fehlen mir über-
haupt Beispiele sitzender Menschen. So klein die Anzahl
solcher Gestalten auf veröffentlichten ionischen Vasen ist, so
genügt sie doch, um den Unterschied von attischen Darstel-
lungen zu zeigen: es ist für diese Kunst charakteristisch, daß
sie uns thronende Herrscher vorführt, die in Attika völlig fehlen.
Eine Scherbe aus Klazomenai2 stammt nach Zahns überzeugen-
der Deutung von einer Darstellung des Troilos-Abenteuers;
wir sehen Priamos und Hekabe, denen ein Diener das Weih-
rauchgefäß vorhält, nebeneinander thronend und ermessen den Ab-
stand gegen die Gestalt des alten Trojanerkönigs auf der Fran^ois-
vase3, der freilich auch innerhalb der attischen Vasenmalerei
1 AD. III37—44, Text S. 48(Wiegand). Springer-Wolters12227 Abb. 437.
2 AM. XXIII 1898 Taf. 6. Pfuhl, Malerei Abb. 146.
3 Furtw.-Reichh. Taf. 11. 12.
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