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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 41.1916

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Drittes Heft
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Möbius, Hans: Über Form und Bedeutung der sitzenden Gestalt in der Kunst des Orients und der Griechen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37286#0226
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200

HANS MÖBIUS

ausdrucksvoll, und die Anordnung stehender Gestalten, die von
den gestaffelt sitzenden des Vordergrundes überschnitten werden,
erweckt den Eindruck einer tiefen, bewegten Komposition. Die
Sitte des Sitzens bei der Totenklage wird wohl noch aus der
Zeit der Dipylonvasen stammen.
Wir sind am Ende unseres Kataloges angelangt1 und suchen
uns nun klar zu machen, welchen Sinn das Sitzen in den bis-
her aufgezählten Fällen hat:
1. Es ist Zeichen der Macht: Zeus und die anderen Götter,
Könige wie Priamos, Arkesilas.
2. Es wird durch die Tätigkeit der dargestellten Person er-
fordert: Leierspieler (Apollon), Brettspieler, Preisrichter und Zu-
schauer bei Agonen, Handwerker und Verkäufer, Frauen mit
ihren Kindern oder der Wollarbeit beschäftigt.
3. Uralter Sitte entspricht das Sitzen auf dem Altar:
Schutzflehende (Priamos).
4. Es bedeutet das Ausruhen von den Mühsalen bei Herakles
und ist ein Zeichen der Weichlichkeit bei Dionysos.

Die Sitzmotive der archaischen Zeichenkunst2 sind aus
einer Grundvoraussetzung zu verstehen: es fehlt jede räum-
liche Tiefe, und die ganze Kraft des Ausdrucks liegt im Umriß.
Man sucht also diesen Umriß von allen Überschneidungen und
Berührungen zu isolieren3 und ihn möglichst bewegt und lebendig
zu gestalten. Die Gebärden steigern sich von den steifen
Bewegungen der älteren Vasen zu weitem Vorstrecken der
Arme, das alle möglichen Arten der Anteilnahme bezeichnen
kann, und dem häufig der vorgeneigte Oberkörper folgt. Das

1 Vgl. die Zusammenstellung inhaltlicher Motive der sf. att. Vasen-
malerei bei Pfuhl, Malerei I 318 ff.
2 Zu diesem Abschnitt vgl. besonders G. v. Lücken in AM. XLIV
1919, 127 ff.
3 Ein interessantes Gegenbeispiel bietet auf der vom rf. Stil beein-
flußten Kanne des Xenokles und Kleisophos (AM. XIV 1889 Taf. 13.
Hoppin 144 Nr. 1. Pfuhl, Malerei Abb. 254) die Zechergruppe, die auf
den ersten Blick gar nicht zu entwirren ist. Vgl. auch die Gruppe
des Aias mit dem toten Achilleus auf einer spätsf. Hydria in München
(Furtw.-Reichh. III S. 228 Abb. 110).
 
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