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WALTHER WREDE
4. Der Sitzende vor den Pferden (Halimedes)1.
Wir gehen zu der problematischsten Figur des Amphiaraos-
kraters über, dem Halimedes. Ich schicke voraus, daß wir,
solange nicht neues, bedeutsames Material hinzukommt, darauf
verzichten müssen, die sich an ihn knüpfenden Fragen durch strikte
Beweise zu entscheiden; immer wird es sich nur um ein Abwägen
der Argumente handeln können, und letzten Endes werden stets
Gefühlsmomente sprechen. Doch kann ich nicht umgehen, die
Gründe, die mir mehr für eine alte, inzwischen oft abgelehnte
Deutung zu sprechen scheinen, wieder zusammenzustellen.
Die von Hauser (S. 5) ausgesprochene Ansicht: ‘Da unser
Mann auf dem nackten Boden sitzt, so ist er kein Herr, sondern
ein Sklave’2 ist, wie sich gleich zeigen wird, nicht stichhaltig,
und in Hausers folgender Bemerkung von den ‘unglaublich
gescheidten Dienern, welche alles im voraus wissen’, scheint
doch ein verstecktes Zugeständnis an die alte Deutung als Seher
zu liegen, auf die Studniczka3 wieder hingewiesen hat, während
sie Robert (Oidipus 1 224) endgültig ablehnte.
Halimedes trauert, schlägt sich verzweifelt den Kopf, und
zur Äußerung der Trauer ziemt es auch dem freien Menschen,
am Boden zu sitzen. Als Penelope 4 715 ff. von der Abreise
Telemachs erfährt, sinkt sie auf der Schwelle zusammen, ver-
meidet es ausdrücklich, sich auf den Stuhl zu setzen:
rijV 6' ä/og ai«ftyv\hj fh'iiocfifrÖQOv, ovö' äc>’ er' trhj4
dicpQco dcpl^eodat Jtollcöv xarä oixov Sovrcov,
all' äo’ sjt' ovöov Jtolvxurjxov Ibaldfioio
OLXTQ ' blCKpVQOfltVrf
1 Ich habe diesen Abschnitt im wesentlichen so gelassen, wie er
seinerzeit geschrieben wurde und auf Studniczkas inzwischen erschienene
Arbeit ‘Die Ostgiebelgruppe vom Zeustempel in Olympia’, Abh. Sächs.
Akad. XXXVII 1923, IV mit ihren oft gleichen Argumenten nur verwiesen.
— S. auch v. Massow, ob. S. 35.
2 Die bei Sittl, Gebärden S. 65 Anm. 7 zitierte Stelle T 280 gehört
gar nicht hierher.
3 Arch. Jahrb. XXVI 1911, 191 mit Anm. 1; jetzt ausführlich Abh.
Sächs. Akad. XXXVII 1923, 21 ff.
4 sxhi heißt nicht etwa: ‘sie brachte, es physisch nicht mehr fertig,
den Stuhl zu erreichen’; xlav wird immer nur von seelischen Kräften
gebraucht: ‘sie brachte es nicht über sich’.
WALTHER WREDE
4. Der Sitzende vor den Pferden (Halimedes)1.
Wir gehen zu der problematischsten Figur des Amphiaraos-
kraters über, dem Halimedes. Ich schicke voraus, daß wir,
solange nicht neues, bedeutsames Material hinzukommt, darauf
verzichten müssen, die sich an ihn knüpfenden Fragen durch strikte
Beweise zu entscheiden; immer wird es sich nur um ein Abwägen
der Argumente handeln können, und letzten Endes werden stets
Gefühlsmomente sprechen. Doch kann ich nicht umgehen, die
Gründe, die mir mehr für eine alte, inzwischen oft abgelehnte
Deutung zu sprechen scheinen, wieder zusammenzustellen.
Die von Hauser (S. 5) ausgesprochene Ansicht: ‘Da unser
Mann auf dem nackten Boden sitzt, so ist er kein Herr, sondern
ein Sklave’2 ist, wie sich gleich zeigen wird, nicht stichhaltig,
und in Hausers folgender Bemerkung von den ‘unglaublich
gescheidten Dienern, welche alles im voraus wissen’, scheint
doch ein verstecktes Zugeständnis an die alte Deutung als Seher
zu liegen, auf die Studniczka3 wieder hingewiesen hat, während
sie Robert (Oidipus 1 224) endgültig ablehnte.
Halimedes trauert, schlägt sich verzweifelt den Kopf, und
zur Äußerung der Trauer ziemt es auch dem freien Menschen,
am Boden zu sitzen. Als Penelope 4 715 ff. von der Abreise
Telemachs erfährt, sinkt sie auf der Schwelle zusammen, ver-
meidet es ausdrücklich, sich auf den Stuhl zu setzen:
rijV 6' ä/og ai«ftyv\hj fh'iiocfifrÖQOv, ovö' äc>’ er' trhj4
dicpQco dcpl^eodat Jtollcöv xarä oixov Sovrcov,
all' äo’ sjt' ovöov Jtolvxurjxov Ibaldfioio
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1 Ich habe diesen Abschnitt im wesentlichen so gelassen, wie er
seinerzeit geschrieben wurde und auf Studniczkas inzwischen erschienene
Arbeit ‘Die Ostgiebelgruppe vom Zeustempel in Olympia’, Abh. Sächs.
Akad. XXXVII 1923, IV mit ihren oft gleichen Argumenten nur verwiesen.
— S. auch v. Massow, ob. S. 35.
2 Die bei Sittl, Gebärden S. 65 Anm. 7 zitierte Stelle T 280 gehört
gar nicht hierher.
3 Arch. Jahrb. XXVI 1911, 191 mit Anm. 1; jetzt ausführlich Abh.
Sächs. Akad. XXXVII 1923, 21 ff.
4 sxhi heißt nicht etwa: ‘sie brachte, es physisch nicht mehr fertig,
den Stuhl zu erreichen’; xlav wird immer nur von seelischen Kräften
gebraucht: ‘sie brachte es nicht über sich’.