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WALTHER WREDE
Gegensatz aber zeigt, daß die verschiedenen Schemata jedes für
sich interpretiert sein wollen, und wir werden die Mittelstellung,
die die Mehrzahl der schwarzfigurigen Auszugsbilder gibt, als
Anziehen, beginnende Bewegung auffassen. Dann hätten diese
Maler inhaltlich dasselbe Motiv gewählt wie die korinthischen,
nur seine Drastik gemildert.
Hier war vom einzelnen Pferd die Rede. Nicht minder
kraus ist die Geschichte des Gespannes, der Zusammenstellung
mehrerer Pferde. — Die mykenische Kunst hatte, wie anläßlich
der wagenfahrenden Personen erwähnt, das gekannt, was in
archaischer Kunst als ‘unvollkommene seitliche Staffelung’1 ge-
läufig ist: das Hintereinander der Tiere von der Schmalseite des
Hagia Triada-Sarkophags (Winter, K. i. B. 91, 12 b u. c) ist im
Prinzip nicht anders gegeben, als es jeder attische Maler des
VI. Jhs. auch geben würde. Inwieweit da schon der Orient im
Spiele war, lassen wir dahingestellt. Mit dem Niedergang der
mykenischen Kunst war auch dies Schema verloren gegangen,
seine letzte Phase zeigen Vasen der kyprisch-mykenischen Klasse
(Winter, K. i. B. 96, 11) oder spätmykenische Gemmen (Furt-
wängler, Gemmen Taf. II 7 u. 9). Nachdem sich der geome-
trische Stil über die Stufe der völligen geometrischen Projektion
oder der völligen Staffelung erhoben hatte, fand er für das Ge-
spann eine Formel, die eine Verbindung zwischen unvollstän-
diger seitlicher und senkrechter Staffelung darstellt: das ‘hintere’
Pferd der Gespanne Mon. d. I. IX 39 ist seitlich vor das vor-
dere gestaffelt, bleibt mit seinem Kopf aber unter dem des
vorderen2. Die Schulterbilder der Hymettos-Amphora (Arch.
Jb. II 1887 Taf. 5) zeigen dieselbe Lösung in geringer Ver-
besserung, und besonders das Gespann links auf der Tafel läßt
deutlich erkennen, daß auch hier das hintere Pferd es ist,
dessen Kopf unter den des vorderen gerückt ist. Und auch
Vier- und Dreigespanne3 werden in gleicher Weise gegeben. —
1 Delbrück, Beitr. z. Kenntnis d. Linienperspekt. 6.
2 Vgl. Delbrück, ebenda 18, aus dessen Worten ich nicht das heraus-
lese, was Löwy, Naturwiedergabe 11 Anm. 2 und ihm folgend v. Mercklin,
Rennwagen 64 Anm. 3 anfechten.
3 Arch. Ztg. XLI11 1885, 139 = Reichel, Homer. Waffen2 124 Fig. 66.
— Louvre A 541, Pottier pl. 20 (vgl. S. 293 Anm. 1).
WALTHER WREDE
Gegensatz aber zeigt, daß die verschiedenen Schemata jedes für
sich interpretiert sein wollen, und wir werden die Mittelstellung,
die die Mehrzahl der schwarzfigurigen Auszugsbilder gibt, als
Anziehen, beginnende Bewegung auffassen. Dann hätten diese
Maler inhaltlich dasselbe Motiv gewählt wie die korinthischen,
nur seine Drastik gemildert.
Hier war vom einzelnen Pferd die Rede. Nicht minder
kraus ist die Geschichte des Gespannes, der Zusammenstellung
mehrerer Pferde. — Die mykenische Kunst hatte, wie anläßlich
der wagenfahrenden Personen erwähnt, das gekannt, was in
archaischer Kunst als ‘unvollkommene seitliche Staffelung’1 ge-
läufig ist: das Hintereinander der Tiere von der Schmalseite des
Hagia Triada-Sarkophags (Winter, K. i. B. 91, 12 b u. c) ist im
Prinzip nicht anders gegeben, als es jeder attische Maler des
VI. Jhs. auch geben würde. Inwieweit da schon der Orient im
Spiele war, lassen wir dahingestellt. Mit dem Niedergang der
mykenischen Kunst war auch dies Schema verloren gegangen,
seine letzte Phase zeigen Vasen der kyprisch-mykenischen Klasse
(Winter, K. i. B. 96, 11) oder spätmykenische Gemmen (Furt-
wängler, Gemmen Taf. II 7 u. 9). Nachdem sich der geome-
trische Stil über die Stufe der völligen geometrischen Projektion
oder der völligen Staffelung erhoben hatte, fand er für das Ge-
spann eine Formel, die eine Verbindung zwischen unvollstän-
diger seitlicher und senkrechter Staffelung darstellt: das ‘hintere’
Pferd der Gespanne Mon. d. I. IX 39 ist seitlich vor das vor-
dere gestaffelt, bleibt mit seinem Kopf aber unter dem des
vorderen2. Die Schulterbilder der Hymettos-Amphora (Arch.
Jb. II 1887 Taf. 5) zeigen dieselbe Lösung in geringer Ver-
besserung, und besonders das Gespann links auf der Tafel läßt
deutlich erkennen, daß auch hier das hintere Pferd es ist,
dessen Kopf unter den des vorderen gerückt ist. Und auch
Vier- und Dreigespanne3 werden in gleicher Weise gegeben. —
1 Delbrück, Beitr. z. Kenntnis d. Linienperspekt. 6.
2 Vgl. Delbrück, ebenda 18, aus dessen Worten ich nicht das heraus-
lese, was Löwy, Naturwiedergabe 11 Anm. 2 und ihm folgend v. Mercklin,
Rennwagen 64 Anm. 3 anfechten.
3 Arch. Ztg. XLI11 1885, 139 = Reichel, Homer. Waffen2 124 Fig. 66.
— Louvre A 541, Pottier pl. 20 (vgl. S. 293 Anm. 1).