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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 41.1916

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Viertes Heft
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Schachermeyr, Fritz: Materialien zur Geschichte der Ägäischen Wanderung in Kleinasien
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https://doi.org/10.11588/diglit.37286#0469
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MATERIALIEN ZUR GESCHICHTE DER ÄGÄISCHEN WANDERUNG 423
der Fibel in Vorderasien. Sie ist hier, wenn wir von Assarlik
und etwa noch dem Philisterlande absehen, überall erst nach
der Wanderungszeit und durch den Handelsverkehr verbreitet
worden. Negativ ist auch das Ergebnis, das wir aus der Unter-
suchung der Metallformen gewonnen haben, da sich das
Eindringen von Neuformen, welche Völker der ägäischen Wan-
derung von auswärts nach Kleinasien gebracht haben könnten,
nicht mit Sicherheit feststellen ließ.
Sehr wichtige Aufschlüsse bieten dagegen die Gräberkunde1 *
und das keramische Material. So kann das Überhandnehmen
der Leichenverbrennung in Kleinasien nach 1200 nur
durch das Eindringen von diesem Ritus huldigenden barbari-
schen Völkern aus Europa erklärt werden. Hier gibt es zur
Bronzezeit in der Ukraine zwar nur Bestattung, aber in Mittel-
europa bis nach Ungarn — der Balkan ist in dieser Hinsicht
leider noch größtenteils terra incognita — ist die Leichenver-
brennung vielfach der herrschende Ritus.
1 Gewiß mit Recht wendet sich E. Meyer, Gesch. d. Altert. I3 § 565 A
gegen die Methode, aus primitiven Beisetzungssitten zu weit gehende
Schlüsse auf ethnologische Zusammenhänge und Verschiebungen zu
ziehen. Immerhin zeigen aber die für unsere Zwecke so wichtigen Ana-
logien aus der Völkerwanderungszeit in einwandfreierWeise, daß wan-
dernde Barbarenvölker tatsächlich ihre Beisetzungssitten auch in der
neugewählten Heimat gerne beibehalten. Wir werden daher am besten
folgende Richtlinien aufstellen: Läßt sich das Auftreten eines neuen
Ritus zusammen mit literarisch überlieferten Nachrichten über Völker-
bewegungen, einem gleichzeitigen Wechsel in der Kulturstufe des be-
treffenden Landes oder mit einem Bruche in der Kontinuität zahlreicher
Siedlungen feststellen, so sind wir berechtigt, den neuen Ritus einem
neueingedrungenen Volke zuzuschreiben. Treten dagegen die neuen
Beisetzungssitten zögernd und ohne irgendwelche Störung der gleich-
mäßigen Kulturentwicklung auf, so stehen zu ihrer Erklärung eine Reihe
von Möglichkeiten offen, wie nachbarliche Kulturbeeinflussung, Bevöl-
kerungszufluß von auswärts oder selbständige Schöpfung des neuen
Ritus. Historische Rückschlüsse werden sich in diesem Falle nicht
immer ziehen lassen. Auf Kleinasien treffen die im ersten Falle
angegebenen Momente mit Vollständigkeit zu (ägyptische Nachrichten;
Aufhören der Siedlungen von Hanai-tepe, Bos-öjük; Zerstörung von
Hattusas; neue Baumethode in Troja; Senkung des Kulturniveaus zu
Troja). Wir sind daher berechtigt, aus der Untersuchung der neuen
Riten in Kleinasien geschichtlich verwertbare Resultate zu gewinnen.
 
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