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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 48.1923

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Curtius, Ludwig: Zum Sarkophag von Torre Nova
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https://doi.org/10.11588/diglit.29492#0042
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32

LUDWIG CURTIUS

von Torre Nova nicht bloß Klassen der Vollendeten und Un-
vollendeten darstellen, sondern es muß in jeder Figur ein
besonderes Schicksal innerhalb des Typus gegeben und von
dem antiken Betrachter wiedererkannt worden sein. Dieses
gilt es wiederaufzufinden.

Auch den Namen des Tempelräubers verzeichnet Pausanias 28, 5
nicht, Robert a. a. O. schreibt dafür ityoovlos. Daß das unrichtig ist —
der Robertschen Wiederherstellung dieser Gruppe hat schon Dieterich
Nekyia 2 68 Anm. 2 widersprochen — läßt sich durch die Entdeckung
der mythischen Persönlichkeit des Tempelräubers erweisen: Pausanias
sieht das ihn strafende Weib als Giftmischerin an. Liest man seinen
Text unbefangen und fragt man sich, wie die Giftmischerin ausgesehen
haben kann, so kommt man auf eine Figur wie Medea, etwa die
des Peliadenreliefs (Brunn-Bruckmann, Denkm. 341) oder der Talos-
vase (Furtwängler-Reichhold, Griech. Vasenmal. 39/40), oder auf Kirke
wie auf der Amphora in Berlin, Furtwängler 2342 (Arch. Zeit. 1876
Taf. 14), gewiß nicht auf eine Mänade mit der Mörserkeule, die Robert
(a. a. O. 60) auf dem Umweg über die Kypseloslade rekonstruiert. Sie
als eine Giftmischerin zu erkennen, dazu muß man schon in einem
archäologischen Seminar des XIX. Jahrhunderts gedrillt sein.

Die Sache ist einfach. Der typische Tempelräuber, zumal für
Delphi, ist Phlegyas. Siehe die Belege bei Türk in Roschers Lexikon
III 2, 2380. Natürlich gehen die Stellen bei Statius Theb. 1, 712 ff. ultrix
tibi torua Megaera | ieiunum Phlegyan subter caua saxa iacentem |
aeterno premit accubitu dapibusque profanis | instimulat, sed mixta famem
fastidia uincunt, und Valerius Flaccus II 191 sua cuique furens funes-
taque coniunx | adiacet, inferni qualis sub nocte barathri | adcubat atto-
nitum, Phlegyam et Thesea iuxta | Tisiphone saeuasque dapes et pocula
libat | (tormenti genus) et nigris amplectitur hydris, auf griechische
Quellen zurück.

Die ‘Giftmischerin’ bei Phlegyas ist eine Erinys, die den Hungrigen
durch Darbietung von Speisen und Trank quält, in dem gleichen mytho-
logischen Motiv, das für Tantalos bekannt ist (s. L. Radermacher, Rhein.
Mus. N. F. LXIII 1908, 550 ff.). Die bildliche Darstellung muß das typische
Motiv differenzieren; daher erhält Tantalos den ihn bedrohenden Felsen,
Phlegyas die ihn quälende Megaira oder Teisiphone, die neben ihm
gestanden haben kann, wie etwa die Opora auf dem Krater der Samm-
lung Jatta, Heydemann, 5. Hallisches Winckelmannsprogr. 1880 Taf.
Vielleicht lernen wir sie noch einmal genauer kennen, wenn von der
herrlichen Gattung tarentinischer Vasen vom Ende des V. Jahrhunderts,
zu der das Fragment Ausonia VII 1912, 109 Fig. 1 gehört, mehr bekannt
wird. Auf dem Bild des Polygnot kann Teisiphone eine getragen
haben, wie die Erinyen dort. Aus dem ihm unverständlichen Darbieten
von Speise und Trank und dem seltsamen Kostüm ist für Pausanias
 
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